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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Pfändung einer Lebensversicherung und anschließende Insolvenz des Versicherungsnehmers
OLG Celle, Urteil vom 02.04.2009, Az. 8 U 206/08
1. Werden in einer Kapitallebensversicherung alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Schuldners gegen den Versicherer gepfändet, so erfasst die Pfändung das Recht auf die Hauptleistung des Versicherers in jeder Erscheinungsform, d.h. auf Ablaufleistung, Rückkaufwert und Überschussbeteiligung, ohne dass es auf den Eintritt des Versicherungsfalles und die Fälligkeit der Forderung ankommt.
2. Wird nach wirksamer Pfändung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmers/Schuldners eröffnet, und wird der Anspruch auf die Ablaufleistung der Lebensversicherung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig, so steht dem Pfändungsgläubiger ein Recht auf abgesonderte Befriedigung nach § 50 InsO zu. Dem steht § 140 InsO nicht entgegen, da es hiernach auf das Entstehen, nicht auf die Fälligkeit der Forderung ankommt.
II.
Mangelhaftigkeit eines Fahrzeugs mit Dieselpartikelfilter wegen Reinigungsbedarf
BGH, Urteil 04.03.2009, Az. VIII ZR 160/08
a)Für die Beurteilung, ob ein Kraftfahrzeug mit Dieselpartikelfilter deswegen im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB mangelhaft ist, weil der Partikelfilter von Zeit zu Zeit der Reinigung (Regenerierung) bedarf und dazu eine Abgastemperatur benötigt wird, die im reinen Kurzstreckenbetrieb regelmäßig nicht erreicht wird, kann nicht auf die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung, die übliche Beschaffenheit oder die aus der Sicht des Käufers zu erwartende Beschaffenheit von Kraftfahrzeugen ohne Dieselpartikelfilter abgestellt werden.
b)Der Umstand, dass ein Kraftfahrzeug mit Dieselpartikelfilter für eine Verwendung im reinen Kurzstreckenbetrieb nur eingeschränkt geeignet ist, weil die zur Reinigung des Partikelfilters erforderliche Abgastemperatur im reinen Kurzstreckenbetrieb regelmäßig nicht erreicht wird, so dass zur Filterreinigung von Zeit zu Zeit Überlandfahrten unternommen werden müssen, stellt keinen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB dar, wenn dies nach dem Stand der Technik nicht zu vermeiden ist und aus demselben Grund auch die Kurzstreckeneignung der Fahrzeuge anderer Hersteller, die mit einem Dieselpartikelfilter ausgerüstet sind, in gleicher Weise beeinträchtigt ist.
c)Eine Sache, die dem Stand der Technik vergleichbarer Sachen entspricht, ist nicht deswegen im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil der Stand der Technik hinter der Käufererwartung zurückbleibt.
III.
Mangel durch später als gesundheitsschädlich erkannte Baustoffe
BGH, Urteil vom 27.03.2009, Az. V ZR 30/08
a)Baustoffe, die bei der Errichtung eines Wohnhauses gebräuchlich waren, später aber als gesundheitsschädlich erkannt worden sind, können einen Mangel der Kaufsache begründen, der ungefragt zu offenbaren ist; Fragen des Vertragspartners müssen vollständig und richtig beantwortet werden.
b)Ansprüche wegen Verschuldens bei Vertragschluss sind im Sachbereich der §§ 434 ff. BGB nach Gefahrübergang grundsätzlich ausgeschlossen; das gilt jedoch zumindest dann nicht, wenn der Verkäufer den Käufer über die Beschaffenheit der Sache arglistig getäuscht hat.
IV.
Anspruch auf fiktive Reparaturkosten bei späterem Zweitschaden
BGH, Urteil 12.03.2009, Az. VII ZR 88/08
Der Geschädigte kann vom Schädiger die fiktiven Kosten der Reparatur seines Pkw auch dann verlangen, wenn das Fahrzeug bei einem späteren Unfall am gleichen Karosserieteil zusätzlich beschädigt worden ist, die Reparatur des Zweitschadens zwangsläufig zur Beseitigung des Erstschadens geführt hat und der Kaskoversicherer des Geschädigten aufgrund seiner Einstandspflicht für den späteren Schaden die Reparaturkosten vollständig erstattet hat.
V.
Zum „fliegenden Gerichtsstand bei Urheberrechtsverletzung im Internet
OLG München, Beschluss vom 07.05.2009, Az. 31 AR 232/09
In der neueren Rechtsprechung ist ohnehin eine Tendenz zu beobachten, den „fliegenden Gerichtsstand der bestimmungsgemäßen Verbreitung“, der als zu ausufernd empfunden wird, einzuschränken und zusätzlich einen gewissen Ortsbezug bzw. die bestimmungsgemäße Auswirkung des Verstoßes im betreffenden Gerichtsbezirk zu. Es wird die Meinung vertreten, auf den konkreten Internetauftritt des Urheberrechtsverletzers abzustellen und zu prüfen, ob sich daraus Umstände ergeben, die für einen lokal begrenzten Auswirkungskreis der Internetseite sprechen,
(Leitsatz der Schriftleitung)
VI.
Brandschutzrechtliche Ordnungsverfügung –
hier: Inanspruchnahme als Verwalter nach dem WoEigG rechtmäßig
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 15.04.2009, Az.10 B 304/09
1.Die Inanspruchnahme des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft zur Sicherstellung des Brandschutzes im Bereich des Gemeinschaftseigentums durch eine Ordnungsverfügung (hier: Freihalten des Treppenhauses) ist nicht zu beanstanden. Der Begriff der Instandhaltung (§ 27 Abs 1 Nr 2 WEG (WoEigG)) umfasst auch die Beseitigung einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung.(Rn.3)
2.Die aus Gründen des Brandschutzes geforderte Beseitigung von Gegenständen aus dem Bereich eines notwendigen Rettungsweges kann nicht nur mit der Brennbarkeit der Gegenstände begründet werden, sondern auch damit, dass sie im Brandfall den Durchgang für Retter und Bewohner des Hauses erschweren. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die nutzbare Breite des Rettungsweges unter Berücksichtigung der vorhandenen Gegenstände die Anforderungen der §§ 36 Abs 5, 38 Abs 2 BauO NRW (BauO NW 2006) erfüllt.
3.Eine Ordnungsverfügung, die dem Adressaten die Beseitigung "sämtlicher Brandlasten aus dem Treppenhaus" aufgibt, kann wegen Unbestimmtheit rechtswidrig sein.(Rn.7)
VII.
Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit – grob fehlerhafte Sozialauswahl
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 17.04.2009, Az. 12 Sa 1553/08
1.Eine Beendigungskündigung ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. von § 1 KSchG bedingt, wenn die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung auf demselben Arbeitsplatz zu einer geringeren Vergütung besteht.
2.Bietet der Arbeitgeber allen Arbeitnehmern die Weiterbeschäftigung zu einer (vorliegend 1/3) geringeren Vergütung an und beschäftigt er nur die Arbeitnehmer weiter, die das Angebot angenommen haben, so umgeht er die ihm obliegende Verpflichtung zum Ausspruch einer Änderungskündigung nach § 2 KSchG, wenn er im Wege einer nachfolgenden unternehmerischen Entscheidung beschließt, einen Teil seiner Arbeiten fremd zu vergeben und den Arbeitnehmern eine Beendigungskündigung ausspricht, die das Angebot abgelehnt haben.
3.Eine Betriebsvereinbarung verstößt gegen § 75 Abs. 11 BetrVG, wenn sie Sonderkündigungsschutz nur zu Gunsten der Arbeitnehmer begründet, die das Angebot des Arbeitgebers zu einer Weiterbeschäftigung zu einer geringeren Vergütung angenommen haben. Eine auf dieser Grundlage getroffene Sozialauswahl ist grob fehlerhaft i. S. von § 1 Abs. 5 KSchG.
VIII.
Urlaubsabgeltung
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 01.04.2009, Az, 2 Sa 238/08
Sofern kein Übertragungsgrund nach § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz gegeben ist und der am Jahresende noch nicht genommene und nicht gewährte Urlaub deshalb auf das erste Quartal des Folgejahres nicht übergeht, erlischt der am Ende des Urlaubsjahres nicht genommene Urlaub. Für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Übertragung ist der Arbeitnehmer darlegungs- und gegebenenfalls beweispflichtig.
IX.
Verweigerung der Mängelbeseitigung bei unterlassener Sicherheitsleistung
BGH, Urteil vom 16.04.2009, Az. VII ZR 9/08
a)Leistet der Besteller auf ein berechtigtes Sicherungsverlangen nach der Abnahme die Sicherheit nicht, ist der Unternehmer berechtigt, die Mängelbeseitigung zu verweigern (im Anschluss an BGH, Urteil vom 22. Januar 2004 - VII ZR 183/02, BGHZ 157, 335).
Das gilt auch, wenn die Parteien die Einbeziehung der VOB/B vereinbart haben.
b)Die Abtretung der Gewährleistungsansprüche hat auf das Recht des Unternehmers, von seinem Besteller Sicherheit zu fordern und bei Nichterbringung der Sicherheit die Leistung zu verweigern, keinen Einfluss (im Anschluss an BGH, Urteil vom 27. September 2007 - VII ZR 80/05, BauR 2007, 2052 = NZBau 2008, 55 = ZfBR 2008, 537).
Gleiches gilt für das Setzen der Nachfrist nach § 648 a Abs. 5 BGB.
X.
Kündigung des unter einer auflösenden Bedingung geschlossenen Pachtvertrages
BGH, Urteil vom 01.04.2009, Az. XII ZR 95/07
Ein unter einer auflösenden Bedingung (hier: behördliche Nutzungsuntersagung) geschlossener Pachtvertrag ist als unbefristeter Vertrag ordentlich kündbar, wenn die Parteien die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung nicht ausgeschlossen haben. Ein solcher Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung kann auch schon in der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung als solcher zu finden sein. Ob der Vereinbarung eine solche weitergehende, das ordentliche Kündigungsrecht ausschließende Bedeutung zukommt, hat im Streitfall diejenige Vertragspartei darzulegen und zu beweisen, die sich auf diese Bedeutung beruft.
Die Urteile wurden von Rechtsanwalt Michael Henn zusammengestellt.
Michael Henn ist Schriftleiter der mittelstandsdepesche und Mitglied in der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
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