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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Pfändbarkeit einer Inflationsausgleichsprämie
BGH, Beschluss vom 25.04.2024, Az: IX ZB 55/23
a) Die vom Arbeitgeber gezahlte Inflationsausgleichsprämie ist Arbeitseinkommen und als solches pfändbar.
b) Die Prämie ist Teil des wiederkehrend zahlbaren Arbeitseinkommens.
II.
Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses; Keine Auswirkungen der DSGVO auf die in Papierform geführte Personalakte
LAG Niedersachsen, Urteil vom 04.05.2021, Az.: 11 Sa 1180/20
Es wird an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts festgehalten, wonach der Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig nicht besteht
Datenschutzrechtliche Änderungen im Zusammenhang mit der DSGVO führen jedenfalls bei in Papierform geführten Personalakte zu keiner Änderung der Rechtslage
III.
Beweislast bei inkongruenter Deckung im Sanierungsversuch
BGH, Urteil vom 18.01.2024, Az.: IX ZR 6/22
Gewährt der Schuldner dem Anfechtungsgegner im Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit eine inkongruente Deckung und hat die Inkongruenz ein erhebliches Gewicht, obliegt dem Anfechtungsgegner der Gegenbeweis, dass die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften, wenn auch letztlich fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs war (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 3. März 2022 - IX ZR 78/20 , BGHZ 233, 70 Rn. 74 ).
Ist der Anfechtungsgegner im Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung nur zu einer kürzeren als der von ihm nach dem Sanierungsgutachten geforderten Prolongation der gewährten Darlehen bereit, kann dies Zweifel am Vertrauen auf einen ernsthaften und erfolgversprechenden Sanierungsversuch begründen.
IV.
Verfall einer Karenzentschädigung durch nachvertraglichen Wettbewerb
BGH, Urteil vom 23.04.2024, Az.: II ZR 99/22
Zur Wirksamkeit eines mit einem GmbH-Geschäftsführer vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, das bei Zuwiderhandlung den rückwirkenden Verfall einer Karenzentschädigung vorsieht.
V.
Haftung Frachtführer
OLG Hamm, Urteil vom 10.06.2024, Az.: 18 U 35/23
1. Auch in den Fällen, in denen der Frachtführer lediglich im Rahmen der Haftungshöchstgrenzen des § 431 Abs. 1, 4 HGB haftet oder lediglich in dieser Höhe in Anspruch genommen wird, kann sich ein Mitverschulden des Absenders, der eine Wertdeklaration unterlässt, obwohl er zumindest wissen muss, dass der Frachtführer die Sendung bei dieser Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt, ergeben, wenn der auf den Gesamtschaden bezogene Haftungsanteil betragsmäßig hinter der Haftungssumme des § 431 HGB zurückbleibt (wie BGH, Urteil vom 23.07.2020, Az. I ZR 119/19, RdTW 2020, S. 366, Rn. 70; anders Koller, RdTW 2020, S. 450ff., unter Ziff. II.).
2. Der im Fall des Verlustes von Transportgut zu leistende Schadensersatz bestimmt sich primär nach dem Marktpreis (§ 429 Abs. 3 S. 1 HGB); maßgeblich ist insoweit der Verkäuflichkeitswert auf der Handelsstufe des Veräußerers. Das gilt auch, wenn der Verlust noch nicht verkauften Gutes auf einem Transport zu einem Lager des Absenders eingetreten ist.
3. Eine Absetzung von Beförderungskosten (§ 429 Abs. 3 S. 2 HGB) kommt nicht in Betracht, wenn der Absender unwidersprochen darlegt, dass er gegenüber seinen Kunden stets Frankopreise verlangt.
VI.
Formwechsel BGB-Gesellschaft
OLG München, Beschluss vom 22.05.2024, Az.: 34 Wx 71/24 e
Wechselt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter Wahrung ihrer Identität ihre Rechtsform in eine Kommanditgesellschaft, so setzt deren Eintragung im Grundbuch als Eigentümer nicht die Voreintragung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Gesellschaftsregister voraus.
VII.
Legitimationswirkung einer transmortalen Vollmacht
OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.03.2024, Az.: 15 Wx 2176/23
1. Die Legitimationswirkung einer transmortalen Vollmacht für Verfügungen, die der Bevollmächtigte nach dem Tod des als Eigentümer eingetragenen Vollmachtgebers vornimmt, entfällt nicht dadurch, dass der Bevollmächtigte dessen Alleinerbe geworden sein kann.
2. Das Grundbuchamt darf beim grundbuchlichen Vollzug einer Eigentumsübertragung, die der transmortal Bevollmächtigte unter Berufung auf seine Vollmacht vornimmt, dessen Erbenstellung vielmehr nur dann berücksichtigen, wenn sie in der Form des § 35 GBO nachgewiesen ist.
VIII.
Dauertestamentsvollstreckung bei im Wege der Sonderrechtsnachfolge übergegangenem Kommanditanteil
BGH, Beschluss vom 12.03.2024, Az.: II ZB 4/23
Ein im Wege der Sonderrechtsnachfolge übergegangener Kommanditanteil unterliegt auch dann der Dauertestamentsvollstreckung, wenn der Erbe bereits Gesellschafter ist.
1. Der der Testamentsvollstreckung unterliegende Gesellschaftsanteil ist als abspaltbares Sondervermögen anzusehen. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft steht dem nicht entgegen.
2. Hat ein Erblasser hinsichtlich einer Beteiligung an einer Gesellschaft unbeschränkte Testamentsvollstreckung angeordnet, sind die Erben grundsätzlich gemäß von der Ausübung der Gesellschafterbefugnisse ausgeschlossen. Die den Gesellschaftsanteil betreffenden Verwaltungs- und Vermögensrechte werden allesamt von dem Testamentsvollstrecker ausgeübt, der hierbei an den Willen der Erben nicht gebunden ist. Hierzu zählt auch die Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen.
IX.
Auslegung einer Versetzungsklausel - Gleichbehandlungsgrundsatz - Entgeltgleichbehandlung nach dem EntgTranspG
LAG BW, Urteil vom 19.06.2024, Az.: 4 Sa 26/23
Steht fest, dass ein Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin im Hinblick auf einen oder mehrere Vergütungsbestandteile niedriger vergütet wurde als diejenige Vergleichsgruppe des anderen Geschlechts, die eine gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, muss die Arbeitgeberin darlegen und beweisen, dass ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin geführt haben. Beruft sich die Arbeitgeberin darauf, dass die Personen aus der Vergleichsgruppe eine größere Berufserfahrung, eine längere Betriebszugehörigkeit und/oder eine höhere Arbeitsqualität aufwiesen, muss sie darlegen, wie sie diese Kriterien im Einzelnen bewertet und zueinander gewichtet hat. Gelingen ihr die entsprechende Darlegung und gegebenenfalls der entsprechende Beweis nicht, steht dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin eine höhere Vergütung nach Maßgabe des Entgeltgleichheitsgesetzes zu.
X.
Kündigung und Annahmeverzug bei unberechtigter teilweiser Arbeitsverweigerung – Direktionsrecht
LAG Düsseldorf, Urteil vom 17.04.2024, Az.: 12 Sa 747/23
1. Auch die teilweise unberechtigte und beharrliche Arbeitsverweigerung - hier an einer von vier zu bedienenden Maschinen - ist an sich ein Grund für eine fristlose als auch für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung. Die Interessenabwägung führte im konkreten Fall zur Unwirksamkeit der fristlosen und zur Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung.
2. Verweigert der Kläger unberechtigt einen Teil der Arbeitsleistung - hier an einer von vier zu bedienenden Maschinen -, steht ihm kein Anspruch auf Annahmeverzug zu. Es fehlt am erforderlichen Leistungswillen bezogen auf die durch das Direktionsrecht näher bestimmte Tätigkeit. Gemäß § 266 BGB ist der Kläger weder zu einer Teilleistung berechtigt, noch muss der Arbeitgeber sich darauf einlassen. Der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung entfällt vollständig.
3. Zur Reichweite des Direktionsrechts der Arbeitgeberin, wenn vertraglich eine Tätigkeit gemäß der Entgeltgruppe 9 ERA NRW geschuldet ist und der Kläger nur zu einer solchen Tätigkeit verpflichtet ist.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Schriftleiter mittelstandsdepesche
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