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Helene-Monika Filiz
Paul-Ehrlich-Str. 27
60596 Frankfurt am Main

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Keine Verjährung einzelner Mängelrechte im selbständigen Beweisverfahren

(Kiel) Unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung werden Ansprüchen wegen Mängeln, die Gegenstand eines gerichtlichen selbständigen Beweisverfahrens waren, für die Dauer des Verfahrens gehemmt.
Die frühere Rechtsprechung (Urt. v. 03.12.1992 – VII ZR 86/92), wonach die Hemmung bzgl. jedes einzelnen Mangels und dessen Begutachtungszeitpunktes endete, wurde aufgegeben.


Darauf verweist die Frankfurter Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht Helene–Monika Filiz, Präsidentin des VBMI - VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. mit Sitz in Kiel unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22. Juni 2023 - VII ZR 881/21 -.

Ein selbständiges Beweisverfahren ist grundsätzlich mit der sachlichen Erledigung der beantragten Beweissicherung anderweitig beendet im Sinne von § 204 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - VII ZR 172/09 Rn. 11 m.w.N.).

Entscheidend für die Beurteilung der sachlichen Erledigung ist dabei grundsätzlich das Ende der gesamten Beweisaufnahme. Das gilt unabhängig davon, ob in einem selbständigen Beweisverfahren die Sicherung des Beweises hinsichtlich nur eines Mangels oder mehrerer - auch voneinander unabhängiger - Mängel stattfindet und auch ohne Rücksicht darauf, ob diese durch einen oder mehrere Sachverständige erfolgt (Aufgabe von BGH, Urteil vom 3. Dezember 1992 - VII ZR 86/92, BGHZ 120, 329). BGH, Urteil vom 22. Juni 2023 - VII ZR 881/21 - OLG Stuttgart Entscheidung vom 30.11.2021 - 10 U 58/21 – Vorinstanz LG Stuttgart, Entscheidung vom 26.02.2021).

- Sachverhalt
Die Klägerin machte gegen die Beklagte mehrere Mängelrechte wegen Rissen in einer aus Betonfertigteilen hergestellten Attika und wegen Durchbiegungen der an der Betonfertigteilfassade angebrachten Beton-Fensterlamellen geltend.

Die Parteien hatten einen Werkvertrag, unter Einbeziehung der VOB/B, geschlossen. Hinsichtlich der Mängelgewährleistungsansprüche war eine Verjährungsfrist von 4 Jahren vereinbart. Zu den Leistungen der Beklagten gehörten unter anderem die Herstellung einer Attika sowie Vorhangfassaden mittels Betonfertigteilelementen und Betonlamellen vor den Fenstern. Sie bemängelte diverse Werkleistungen und forderte zur Mängelbeseitigung auf. In dem Verfahren auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens wurde ein Gutachten sowie mehrere Ergänzungsgutachten eingeholt. Im Wesentlichen wurden unterschiedliche Mängel geltend gemacht (Risse im Attikabereich sowie Durchbiegungen der Beton-Fensterlamellen). Insoweit wurden anschließend Klage erhoben.

- Entscheidungsgründe
Der BGH hat entschieden, dass der Verjährungseinwand hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche nicht durchgreife.

Würden mehrere Mängel in einem einheitlichen Beweisverfahren anhängig gemacht, richte sich das Ende der Verjährungshemmung für alle geltend gemachten Mängel nach dem Abschluss des gesamten selbständigen Beweisverfahrens. Die Gegenansicht, wonach das Beweisverfahren und damit die Verjährungshemmung hinsichtlich mehrerer Mängel selbständig mit ihrer jeweiligen sachlichen Erledigung ende, überzeuge nicht.

Es sei vorzugswürdig, in Bezug auf den Weiterlauf der Verjährung abzuwarten, bis das selbständige Beweisverfahren einheitlich beendet werde.

Soweit der Senat mit Urteil vom 3. Dezember 1992 (VII ZR 86/92, BGHZ 120, 329) entschieden hat, dass die Beweissicherung und damit die Unterbrechung der Verjährung bei mehreren, voneinander unabhängigen Mängeln desselben Bauvorhabens mit dem Abschluss der Beweissicherung hinsichtlich eines jeden dieser Mängel ende, auch wenn die verschiedenen Mängel und Sachverständigengutachten Gegenstand nur eines, formal zusammengefassten Verfahrens geworden sind hält er an dieser Auffassung nicht mehr fest.

Bereits der Wortlaut von § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB spricht für diese Auslegung der Norm in Bezug auf das selbständige Beweisverfahren. Die Bestimmungen über die Verjährung enthalten eine formale Regelung; ihre Auslegung muss sich grundsätzlich eng an den Wortlaut anlehnen. Das gebietet die Rechtssicherheit. Gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB endet die Hemmung nach § 204 Abs. 1 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder - wie bei einem selbständigen Beweisverfahren - "anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens". Danach muss das Verfahren insgesamt sachlich erledigt sein.

Auch Sinn und Zweck von § 204 BGB sprechen für diese Auslegung. Rechtsgedanke der den verjährungshemmenden Tatbeständen des § 204 Abs. 1 BGB ist, dass der Gläubiger durch aktives Betreiben seines Anspruchs seinen Rechtsverfolgungswillen so deutlich macht, dass der Schuldner gewarnt wird und sich auf eine Inanspruchnahme noch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist einstellen muss (BGH, Urteil vom 25. September 2015 - V ZR 246/14 Rn. 30 m.w.N., BGHZ 207, 40). Es ist für den Schuldner absehbar, dass sein Gläubiger regelmäßig noch den Abschluss des gesamten Verfahrens abwarten möchte, um dann etwaige weitere Maßnahmen zur Durchsetzung seiner (Mängel-)Ansprüche auf Grundlage des vollständigen Begutachtungsergebnisses zu ergreifen. Der Schuldner muss sich daher weiterhin, auch wenn die Beweissicherung betreffend einen Mangel beendet ist, auf eine Inanspruchnahme einstellen.

Weiterhin wird diese Auslegung auch durch prozessökonomische Erwägungen gestützt. Es wäre für die Parteien unnötig umständlich und zeitaufwändig, wenn der Besteller gezwungen wäre, Ansprüche aus einzelnen im selbständigen Beweisverfahren abschließend begutachteten Mängeln klageweise geltend zu machen, nur um ein Ende der Verjährungshemmung zu verhindern, während sich andere Mängel noch in der Begutachtungsphase befinden, zumal dann die Notwendigkeit hinzukäme, sukzessive weitere Mängelansprüche nach Abschluss der Begutachtung durch Klageerweiterung in den Rechtsstreit einzuführen (vgl. Ingenstau/Korbion/Joussen, VOB Teile A und B, 22. Aufl., Anh. 2 Rn. 127; Schmeel, BauR 2022, 1564, 1569; Kainz in Festschrift für Koeble, 2010, S. 625, 630).

Die rechtliche Selbständigkeit von Mängeln und der aus ihnen resultierenden Ansprüche (vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - VII ZR 226/03, BauR 2004, 1650, juris Rn. 30) führt zu keinem anderen Ergebnis. Ansprüche wegen mehrerer, voneinander unabhängiger Mängel der Werkleistung verjähren grundsätzlich selbständig. Beginn, Dauer und Ende der Verjährung ist daher für jeden Mangelanspruch gesondert festzustellen (vgl. zu diesem Ausgangspunkt BGH, Urteil vom 3. Dezember 1992 - VII ZR 86/92, BGHZ 120, 329, juris Rn. 7 f.).

So hemmt ein selbständiges Beweisverfahren die Verjährung nicht allgemein für Mängelansprüche aus dem betreffenden Werkvertrag. Eine Hemmung tritt vielmehr lediglich für Ansprüche aus denjenigen Mängeln ein, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1992 - VII ZR 86/92, BGHZ 120, 329, juris Rn. 8 zum Beweissicherungsverfahren der §§ 485 ff. ZPO in der bis zum 31. März 1991 geltenden Fassung). Daraus lässt sich demgegenüber ableiten, dass die Hemmung der Verjährung von Ansprüchen aus solchen, gemeinsam zum Gegenstand eines Verfahrens gemachten mehreren verschiedenen Mängeln unterschiedlich enden könnte (anders noch BGH, Urteil vom 3. Dezember 1992 - VII ZR 86/92, BGHZ 120, 329, juris Rn. 8). Denn für das Ende der Hemmung kommt es ausschließlich auf die Beendigung des Verfahrens an; der rechtlichen Selbständigkeit eines Mangelanspruchs kommt hierfür keine eigenständige rechtliche Relevanz zu.

Es handelt sich hinsichtlich aller geltend gemachten Mängel bei einem selbständigen Beweisverfahren um ein einziges Verfahren. Dessen Ende insgesamt ist deshalb für die Dauer der Hemmung maßgebend, nicht anders als bei einer Klage wegen Ansprüchen aus mehreren, voneinander unabhängigen Mängeln die Dauer der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB bestimmt wird. Wegen § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sei daher von der Hemmung der Verjährung auszugehen, weshalb die Klage in unverjährter Zeit erhoben worden sei und diese zu einer erneuten Hemmung der Verjährung geführt habe.

Filiz empfahl, dies zu beachten und bei Fragen zum Baurecht auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei sie in diesem Zusammenhang u. a. auch auf den VBMI - VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. - www.VBMI-Anwaltsverband.de - verwies.

Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
Helene – Monika Filiz
Rechtsanwältin / Fachanwältin für Familienrecht / Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
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