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Michael Henn
Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte
Gerokstrasse 8
70188 Stuttgart


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10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten

zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart




I.
Klausel zur Zahlung einer Reservierungsgebühr
BGH, Urteil vom 20.04.2023, Az: I ZR 113/22

a)Ein im Nachgang zu einem bereits bestehenden Immobilienmaklervertrag geschlossener Reservierungsvertrag stellt eine der uneingeschränkten AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegende Nebenabrede zum Maklervertrag dar, wenn zwischen den beiden in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen geschlossenen Verträgen eine unmittelbare Verbindung besteht und die Verpflichtung zum exklusiven Vorhalten der Immobilie deshalb als maklerrechtliche Zusatzleistung anzusehen ist (Fortentwicklung von BGH, Urteil vom 23. September 2010 - III ZR 21/10 , NJW 2010, 3568 [juris Rn. 10]).

b)Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr für das zeitlich begrenzte exklusive Vorhalten einer Immobilie zu seinen Gunsten stellt eine unangemessene Benachteiligung des Kunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 , Abs. 2 Nr. 1 BGB dar, wenn die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos ausgeschlossen ist und sich aus der Reservierungsvereinbarung für den Kunden weder nennenswerte Vorteile ergeben noch seitens des Immobilienmaklers eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist.

II.
Ansprüche des Wohnungsberechtigten
BGH, Urteil vom 23.03.2023, Az: V ZR 113/22

Ist ein auf Lebzeiten eingeräumtes Recht, ein Gebäude oder ein Teil eines Gebäudes als Wohnung zu benutzen, im Grundbuch und in der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung als "Wohnungsrecht" bezeichnet, handelt es sich im Zweifel nicht um ein Wohnnutzungsrecht, sondern um ein Wohnungsrecht im Sinne des § 1093 BGB.

BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 , § 987 ff. , § 1065 , § 1093 Abs. 1 Satz 2

Der Eigentümer, der die von dem Wohnungsrecht erfassten Räume anstelle des dort nicht wohnenden Berechtigten als Wohnung benutzt, wird durch den damit verbundenen Gebrauchsvorteil nicht auf Kosten des Wohnungsberechtigten bereichert. Der Wohnungsberechtigte kann von dem Eigentümer auch nicht über eine analoge Anwendung von § 1065 BGB Nutzungsersatz nach den §§ 987 ff. BGB verlangen (Fortführung von Senat, Urteil vom 13. Juli 2012 - V ZR 206/11, NJW 2012, 3572).


III.
Fehlende Eignung des Bevollmächtigten einer Vorsorgevollmacht
BGH, Beschluss vom 29.03.2023, Az: XII ZB 515/22

a)Ein Bevollmächtigter ist ungeeignet, die Angelegenheiten des Betroffenen nach dessen Wünschen zu besorgen, wenn zu befürchten ist, dass er die Angelegenheiten des Vollmachtgebers nicht entsprechend der Vereinbarung oder dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers besorgt. Ergeben sich aus der Vereinbarung und dem erklärten Willen des Vollmachtgebers keine konkreten Vorgaben, kann der Betroffene seine Wünsche nicht mehr äußern und bestehen auch keine individuellen Anhaltspunkte für seinen mutmaßlichen Willen, richtet sich dieser nach seinen objektiven Bedürfnissen.

b)Die Möglichkeit des Betreuungsgerichts, nach § 34 Abs. 2 FamFG von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen abzusehen, wenn dieser offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun, entbindet das Gericht nicht von der in § 278 Abs. 1 Satz 2 FamFG enthaltenen Verpflichtung, sich einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen zu verschaffen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 4. November 2020 - XII ZB 344/20 -FamRZ 2021, 224).

c)Sind behebbare Mängel bei der Ausübung einer Vorsorgevollmacht festzustellen, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz grundsätzlich zunächst den Versuch, mittels eines zu bestellenden Kontrollbetreuers auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung ( § 666 BGB ) sowie die Ausübung bestehender Weisungsrechte (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. Januar 2020 - XII ZB 368/19 -FamRZ 2020, 629).

d)Besteht die dringende Gefahr, dass ein Bevollmächtigter durch fehlende Bereitschaft zum Konsens mit anderen Bevollmächtigten nicht den Wünschen des Vollmachtgebers entsprechend handelt und dadurch die Person des Vollmachtgebers oder dessen Vermögen erheblich gefährdet, kann das Betreuungsgericht gemäß § 1820 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BGB anordnen, dass er die ihm erteilte Vollmacht insgesamt oder in bestimmten Angelegenheiten nicht ausüben darf.

IV.
Verdachtskündigung wegen fehlerhafter Arbeitszeiterfassung
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.03.2023, Az: 5 Sa 128/22

Der dringende Verdacht einer fehlerhaften Arbeitszeiterfassung kann eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn sich ein Arbeitnehmer aller Wahrscheinlichkeit nach von zu Hause aus im Zeiterfassungssystem eingebucht hat, die Arbeit aber erst später im Dienstgebäude aufnimmt.

V.
FluggastrechteVO: Umfang des Anspruchs bei Annullierung des Flugs
BGH, Urteil vom 18.04.2023, Az: X ZR 91/22

Der aufgrund einer Annullierung bestehende Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO umfasst sowohl die Kosten des Hinflugs als auch die Kosten des Rückflugs, wenn Hin- und Rückflug Gegenstand einer einheitlichen Buchung sind, über die ein einziger Flugschein ausgestellt worden ist. Dies gilt unabhängig davon, von welchem Ort aus der Rückflug vorgesehen war.


VI.
GmbH-Geschäftsführer: Kündigung des Anstellungsvertrags aus wichtigem Grund
OLG München, Urteil vom 22.03.2023, Az: 7 U 723/22

1. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu einem ordentlichen Ablauf unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dem Kündigenden nicht zugemutet werden kann. Dabei ist nicht nur zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden, vielmehr müssen bei der zusätzlich erforderlichen Interessenabwägung alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles daraufhin abgewogen werden, ob es dem Kündigenden unzumutbar ist, das Dienstverhältnis bis zum Ablauf der Frist für die ordentliche Kündigung fortzusetzen (BGH, 2. Juni 1997, II ZR 101/96).
2. Überweist ein Geschäftsführer ohne zuvor die dafür nach der Geschäftsordnung erforderliche Zustimmung des Mitgeschäftsführers erholt zu haben, 240.000,00 € auf sein Privatkonto, kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses vorliegen.

VII.
Deliktesche Haftung des Anlagevermittlers wegen zweideutiger oder irreführender Angaben über die Eigenschaften einer Kapitalanlage
OLG Celle, Urteil vom 11.05.2023, Az: 11 U 119/22

1. Die in § 14 Abs. 1 FinVermV festgelegten Informations- und Verhaltenspflichten hat auch derjenige Anlagenvermittler zu erfüllen, der eine Kapitalanlage vertreibt, die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. c) VermAnlG von den Vorgaben des Vermögensanlagegesetzes weitgehend befreit ist, weil der Preis jedes angebotenen Anteils mindestens 200.000 € beträgt.

2. § 14 Abs. 1 FinVermV ist ein zugunsten des Anlegers erlassenes Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.

3. Ein Anlagevermittler haftet gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 14 FinVermV nur dann auf Schadensersatz, wenn sich die von ihm im Rahmen der Vermittlung einer Kapitalanlage erteilten Auskünfte und Informationen bei einer Gesamtbetrachtung aller Äußerungen und aller wesentlichen schriftlich übersandten Mitteilungen als zweideutig oder irreführend erweisen, nicht hingegen schon dann, wenn nur einzelne Äußerungen zweideutig oder irreführend sind, der Anleger aber noch rechtzeitig vor seiner Anlageentscheidung vollständig und zutreffend informiert wird.

VIII.
Testierwille und Testierfähigkeit, drei nahezu gleichlautende Testamente
OLG Rostock, Beschluss vom 12.04.2023, Az: 3 W 74/21

1. In einem Testament niedergelegte Erklärungen müssen mit Testierwillen des Erblassers abgegeben worden sein, also auf dem ernsthaften Willen des Erblassers beruhen, ein Testament zu errichten und rechtsverbindliche Anordnungen über sein Vermögen nach seinem Tode zu treffen.

2. Grundsätzlich gilt, dass ein Erblasser bis zum Beweis des Gegenteils als testierfähig anzusehen ist, da die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet. Dies gilt selbst dann, wenn der Erblasser unter Betreuung steht. Die Testierunfähigkeit muss also zur vollen Gewissheit des Gerichts feststehen.

3. Maßgeblich für die Testierfähigkeit ist, ob der Testierende noch in der Lage ist, sich über die Tragweite seiner Anordnungen ein klares Urteil zu bilden und dann frei von den Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln oder nicht.

4. Auch für den Betreuten besteht die Vermutung der Testierfähigkeit. Auch Störungen der Geistestätigkeit führen für sich genommen noch nicht zwangsläufig zur Testierunfähigkeit.


IX.
Ausschlagung der Erbschaft: Irrtum des Ausschlagenden über die an seiner Stelle in die Erbfolge eintretende Person
BGH, Beschluss vom 22.03.2023, Az: IV ZB 12/22

Irrt sich der eine Erbschaft Ausschlagende bei Abgabe seiner Erklärung über die an seiner Stelle in die Erbfolge eintretende Person, ist dies nur ein Irrtum über eine mittelbare Rechtsfolge der Ausschlagungserklärung aufgrund anderer rechtlicher Vorschriften. Ein solcher Motivirrtum berechtigt nicht zur Anfechtung gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB.

X.
Verwirkung Betriebskostenforderung beim Gewerbemietvertrag
LG Krefeld, Beschluss vom 04.05.2023, Az: 2 S 32/22

Bei der Verwirkung eines Anspruchs auf Betriebskostennachforderung in einem Gewerberaummietverhältnis gibt die Jahresfrist zur Erstellung der Abrechnung Maß für das Zeitmoment, nicht die Verjährungsfrist.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Michael Henn
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