10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten
zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Wohnungsrecht am eigenen Grundstück
BGH, Beschluss vom 02.03.2023, Az: V ZB 64/21
Die Bestellung eines Wohnungsrechts am eigenen Grundstück ist zulässig.
a)Sind Grundstückseigentümer und Wohnungsberechtigter personenidentisch, sei es durch eine anfängliche Bestellung des Wohnungsrechts als Eigentümerrecht, sei es durch eine nachträgliche (Wieder-)Vereinigung von Wohnungsrecht und Eigentum in einer Person ( § 889 BGB ), muss sich der Wohnungsberechtigte für die Pfändung so behandeln lassen, als habe er es gestattet, die Ausübung des Wohnungsrechts einem anderen zu überlassen; infolgedessen ist ein Eigentümerwohnungsrecht stets pfändbar (Fortführung von Senat, Urteil vom 11. März 1964 - V ZR 78/62 , NJW 1964, 1226, insoweit in BGHZ 41, 209 nicht abgedruckt).
b)Aufgrund der Pfändbarkeit fällt das Eigentümerwohnungsrecht bei Insolvenz des wohnungsberechtigten Grundstückseigentümers in die Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter ist befugt, im Rahmen der Verwertung die Löschung des Wohnungsrechts zu bewilligen.
II.
Schicksal der Bezugsberechtigung bei Kündigung des Versicherungsvertrags
BGH, Urteil vom 22.03.2023, Az: IV ZR 95/22
Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages durch den Versicherungsnehmer stets zugleich den Widerruf der Bezugsberechtigung auf den Todesfall enthält, sondern diese Frage ist durch Auslegung der Erklärung im Einzelfall zu entscheiden.
III.
Formlose Unterlassungsverpflichtungserklärung eines Kaufmanns
BGH, Urteil vom 12.01.2023, Az: I ZR 49/22
a)Eine von einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung unterliegt der Formfreiheit (§ 343 Abs. 1, § 350 HGB ).
b)Es fehlt im Regelfall nicht an der Ernstlichkeit der Unterlassungsverpflichtungserklärung, wenn der Unterlassungsschuldner dem Verlangen des Unterlassungsgläubigers nicht nachkommt, innerhalb der gesetzten Frist eine unterschriebene Unterlassungsverpflichtungserklärung im Original zu übersenden, sondern er stattdessen fristgemäß eine unterschriebene Erklärung als PDF-Datei per E-Mail übersendet.
IV.
Unverzügliche Aufnahme in das Handelsregister gemäß § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG
OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.03.2023, Az: 2 Wx 56/22
1.Im Rahmen von § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG kommt es für die Unverzüglichkeit auf die Einreichung der Gesellschafterliste beim Handelsregister an.
2.Dabei ist auch die verspätete Einreichung durch die Notarin als schuldhaftes Zögern im Sinne des § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG anzusehen.
3.Unverzüglich im Sinne des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG ist eine Einreichung zum Handelsregister allenfalls dann, wenn sie innerhalb einer Frist von höchstens 2 Wochen nach Vornahme der Rechtshandlung erfolgt. Eine Zeitspanne von über 2 Wochen lässt sich schon begrifflich nicht mehr als unverzüglich ansehen und ist weder mit dem Normzweck des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG noch mit dem Ausnahmecharakter von § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG vereinbar.
4.Eine vom Erwerber eines Gesellschaftsanteiles in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung gilt nur dann als von Anfang an wirksam, wenn die (aktuelle) Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird. (Leitsatz der Redaktion)
V.
Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) ab dem 1.1.2023
Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 20.03.2023, Az: 7 K 183/22
Steuerberater sind nach § 52d Satz 2 FGO seit dem 1.1.2023 verpflichtet das beSt zu nutzen, da ihnen spätestens ab diesem Zeitpunkt ein sicherer Übermittlungsweg gemäß § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht.
Auf den Erhalt des Registrierungsbriefs oder der Erstanmeldung kommt es daher nicht an.
VI.
Löschung der Eintragung aus der Architektenliste wegen Überschuldung –
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.04.2023, Az: 4 B 866/21
1.Nach § 6 Satz 1 Buchst. d BauKaG NRW a. F. (juris: BauKaG NW 2003) ist die Eintragung eines Architekten aus der Architektenliste unter anderem dann zu löschen, wenn nach der Eintragung Tatsachen eintreten oder bekannt werden, aus denen sich ergibt, dass er die für die Wahrnehmung der Berufsaufgaben gemäß § 1 BauKaG NRW a. F. (juris: BauKaG NW 2003) erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt (§ 5 Abs. 1 BauKaG NRW a. F. (juris: BauKaG NW 2003)). Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn ein Architekt überschuldet ist und über kein tragfähiges Sanierungskonzept verfügt, das den Schluss auf einen baldigen Schuldenabbau rechtfertigt.
2.Ausnahmsweise kommt danach eine andere Beurteilung auch ohne Sanierungskonzept in Betracht, wenn trotz Überschuldung im Einzelfall keine Gefahren für diejenigen Personen bestehen, die Architektenleistungen in Anspruch nehmen möchten. Denn die Unzuverlässigkeit folgt nicht aus der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit als solcher, sondern aus der Tatsache, dass der Betreffende aus seiner Leistungsunfähigkeit nicht die angemessenen Folgerungen gezogen hat.
3.Die Annahme einer solchen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass ein überschuldeter Architekt, um die Löschung aus der Architektenliste zu vermeiden, seine selbstständige Tätigkeit vollständig und nachhaltig aufgibt, nur noch als angestellter Architekt auftritt und mit seinem Arbeitgeber rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Kunden effektiv verhindern.
VII.
Gewerbliche Nutzung und WEG-Recht
LG Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2023, Az: 11 S 139/21
Eine „Teileigentumseinheit bestehend aus Hobby- und Abstellraum“ kann auch zu Zwecken eines gewerblichen Buchhaltungsbüros genutzt werden.
VIII.
Rückerstattung eines Teilbetrags gewährter NRW-Soforthilfen 2020
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.03.2023, Az: 4 A 1986/22
1.Die Bewilligung der Corona-Soforthilfe 2020 stand in Nordrhein-Westfalen von Anfang an angesichts der vor Ablauf des Bewilligungszeitraums noch unbekannten Entwicklung und Dauer der pandemiebedingten Beschränkungen der Wirtschaft noch klar erkennbar zumindest unter dem Vorbehalt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die bewilligten Finanzmittel für den ausschließlichen Zuwendungszweck überhaupt benötigt werden würden.
2.Die Soforthilfe durfte ausschließlich und vollumfänglich nur zur Kompensation der unmittelbar durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe genutzt werden, entsprechende Mittelverwendungen waren nachzuweisen und bei Einzelfallprüfungen zu belegen und die in dem gesamten Bewilligungszeitraum von drei Monaten nicht zweckentsprechend benötigten Mittel waren anschließend zu ermitteln und zurückzuzahlen.
3.Jeder Empfänger einer Soforthilfezuwendung konnte in Nordrhein-Westfalen darauf vertrauen, dass er auch im Nachhinein keine Mittel zurückzuzahlen hatte, die er während des Bewilligungszeitraums berechtigterweise "zur Milderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens bzw. des Selbstständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie" oder "zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, die seit dem 1. März 2020 in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind" verwendet hatte.
IX.
Erbteilsübertragungsvereinbarung
OLG Köln, Beschluss vom 25.01.2023, Az: I-2 Wx 5/23, 2 Wx 5/23
Überträgt ein Miterbe seinen Erbanteil durch eine Erbauseinandersetzungs- und Erbteilsübertragungsvereinbarung auf einen Miterben, darf das Grundbuchamt die beantragte Eintragung der Übertragung von der Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung abhängig machen.
X.
Entlassung Testamentsvollstrecker
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.01.2023, Az: I-3 Wx 105/22, 3 Wx 105/22
1.Der Zeitraum, den der Testamentsvollstrecker für die Erstellung und Übermittlung eines Nachlassverzeichnisses in Anspruch nehmen darf, ohne einen wichtigen Grund zu seiner Entlassung zu setzen, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Falles und hängt insbesondere vom Umfang und von der Komplexität des Sachverhalts sowie den vorhandenen Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Nachlassmasse ab.
a)In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, ob und inwieweit der Testamentsvollstrecker von Berufs wegen oder aufgrund früherer vergleichbarer Ämter über Erfahrungen bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses verfügt.
b)Von Bedeutung ist überdies, in welchem zeitlichen Umfang von ihm unter Berücksichtigung seiner sonstigen (beruflichen oder anderweitigen) Verpflichtungen eine Tätigkeit zur Verwaltung des Nachlasses erwartet werden kann.
2.Selbst wenn sich im Einzelfall eine vorwerfbare zeitliche Verzögerung bei der Anfertigung und Überlassung des Nachlassverzeichnisses ergibt, führt diese nicht ohne weiteres zur Entlassung des Testamentsvollstreckers. Erforderlich ist vielmehr eine schuldhafte und grobe Missachtung der Pflicht zur unverzüglichen Vorlage eines Nachlassverzeichnisses.
3.Ebenso wenig führen sachliche Fehler im Nachlassverzeichnis ohne weiteres zur Entlassung des Testamentsvollstreckers. Nur dann, wenn die Fehler Ausdruck einer grob nachlässigen oder gar böswillig fehlerhaften Amtsführung sind, stellen sie einen wichtigen Grund zur Amtsenthebung dar. In allen anderen Fällen begründen sie nur die Verpflichtung des Testamentsvollstreckers, die vorhandenen Fehler alsbald zu berichtigen.
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Michael Henn
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