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Michael Henn
Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte
Gerokstrasse 8
70188 Stuttgart


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10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten

zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart




I.
Stimmverbot des am Rechtsgeschäft beteiligten Gesellschafters
BGH, Urteil vom 17.01.2023, Az: II ZR 76/21

a) Ein Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist wegen des Grundsatzes, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, von der Abstimmung über die Kündigung eines Vertrags ausgeschlossen, wenn der Beschluss darauf abzielt, das Verhalten des Gesellschafters zu missbilligen.

b) Auch bei der konkludenten Beschlussfassung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist der einem Stimmverbot unterliegende Gesellschafter an der Willensbildung der Gesellschaft zu beteiligen.

II.
Vorschuss auf zu erwartende Provisionseinnahmen /
Beschränkung Kündigungsfreiheit Handelsvertreter
BGH, Urteil vom 19.01.2023, Az: VII ZR 787/21

a) Eine Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Handelsvertreters im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB kann nicht nur unmittelbar erfolgen, sondern auch bei mittelbaren Erschwernissen in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen vorliegen.

b) Unter welchen Voraussetzungen die an die Vertragsbeendigung vertraglich geknüpften Nachteile von solchem Gewicht sind, dass eine unzulässige, mittelbare Beschränkung des Kündigungsrechts des Handelsvertreters vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls (Bestätigung von BGH, Urteil vom 5. November 2015 - VII ZR 59/14, ZVertriebsR 2016, 19).

c) Erweist sich eine vereinbarte Vorschusszahlung auf zu erwartende Provisionseinnahmen als unzulässige Kündigungsbeschränkung nach § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB, kann der Unternehmer die gewährten Vorauszahlungen nicht nach Bereicherungsrecht gemäß § 812 Abs. 1 BGB zurückfordern.

III.
StGB § 266 Abs. 1 (Vergütung von Betriebsräten der Volkswagen AG)
BGH, Urteil vom 10. Januar 2023 - 6 StR 133/22

Der objektive Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB kann erfüllt sein, wenn ein Vorstand oder Prokurist einer Aktiengesellschaft unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot (§ 78 Satz 2 BetrVG) einem Mitglied des Betriebsrats ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt.

IV.
Scheinselbstständige Bauarbeiter sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
LSG Hessen, Urteil vom 26.01.2023, Az. L 8 BA 51/20

Bauarbeiter, die im Wesentlichen ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen und kein Unternehmerrisiko tragen, sind abhängig beschäftigt. Die beauftragende Baufirma kann sich nicht auf einen Nachunternehmervertrag berufen, wenn dieser lediglich die tatsächlichen Verhältnisse verschleiern sollte, um der gesetzlichen Sozialabgabepflichten zu entgehen.

(Leitsatz der Redaktion)

V.
Versicherungsunternehmen als Vermittler
BGH, Urteil vom 15.12.2022, Az. I ZR 8/19

Ein Unternehmen, das als Versicherungsnehmer eine Auslandsreisekrankenversicherung sowie eine Auslands- und Inlands-Rückholkosten-Versicherung als Gruppenversicherung für seine Kunden bei einem Versicherungsunternehmen unterhält und gegenüber Verbrauchern Mitgliedschaften vertreibt, die zur Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen im Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland berechtigen, und das von den geworbenen Mitgliedern eine Vergütung für den erworbenen Versicherungsschutz erhält, ist Versicherungsvermittler im Sinne von § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO und bedarf deshalb der Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer

VI.
Offenlegung des von der GmbH übernommenen Gründungsaufwands im Gesellschaftsvertrag
OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 21.02.2023, Az. 2 Wx 50/22

1. Gemäß § 26 Abs. 2 AktG analog ist es erforderlich, dass der Gründungsaufwand, den die GmbH zu Lasten ihres Nominalkapitals zu tragen hat, im Gesellschaftsvertrag als Gesamtbetrag offengelegt wird. Dabei ist die bloße Bezifferung eines (Gesamt-)Höchstbetrages, bis zu dem die Gesellschaft die Gründungskosten trägt, nicht ausreichend. Vielmehr sind die von der Gesellschaft zu tragenden Kosten als Gesamtbetrag (Endsumme) im Gesellschaftsvertrag auszuweisen, wobei Beträge, die noch nicht genau beziffert werden können, geschätzt werden müssen.

2. Zudem müssen diejenigen Gründungskosten, die die Gesellschaft tragen soll, im Einzelnen aufgeführt und beziffert werden. Ansonsten würde nicht deutlich, um welche Kostenpositionen es sich konkret handelt und es bestünde die Gefahr einer Schmälerung des Haftungskapitals der Gesellschaft durch zweifelhafte Gründungskosten, ohne dass dies transparent wird.

VII.
Erbrecht und Personengesellschaft
OLG Hamm, Urteil vom 15.02.2023, Az. I-8 U 41/22, 8 U 41/22

1. Ein Streit über die gesellschaftsrechtlich beschränkte Übertragbarkeit und Vererblichkeit von Gesellschaftsanteilen an einer Personengesellschaft unterfällt der Bereichsausnahme in Art. 1 Abs. 2 lit. h EuErbVO, so dass der Anwendungsbereich dieser Verordnung nicht eröffnet ist.

Die internationale Zuständigkeit für derartige Rechtsstreite ergibt sich dann nicht aus Art. 4 EuErbVO.
2. Enthält ein Einantwortungsbeschluss nach österreichischem Erbrecht Aussagen über die Rechtsnachfolge in einen Kommanditanteil an einer deutschen Kommanditgesellschaft, ist dies für die Kommanditgesellschaft und ihre Gesellschafter nicht nach Art. 39 EuErbVO verbindlich, jedenfalls wenn der Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet ist. In dem Fall kann die Anerkennung auch nicht auf Art. 1 Abs. 1 Satz 1, 4, 7 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 6. Juni 1959 gestützt werden.

3. Zur Auslegung einer gesellschaftsvertraglichen Regelung über die Übertragbarkeit von Kommanditanteilen unter Lebenden und von Todes wegen.

VIII.
Kündigung stille Gesellschaft aus wichtigem Grund
OLG Hamm, Urteil vom 01.02.2023, Az. I-8 U 29/22, 8 U 29/22

1. Der Gesellschaftsvertrag einer stillen Gesellschaft kann zur Kündigung der Gesellschaft berechtigende wichtige Gründe festlegen, die eine gegenüber § 723 Abs. 1 Satz 3 BGB erleichterte Kündigung ermöglichen.

2. Das Abmahnerfordernis nach § 314 Abs. 2 BGB gilt nicht für das gesetzliche Kündigungsrecht aus § 723 Abs. 1 Satz 3 BGB, das insoweit lex specialis ist. Gleichwohl kann nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (ultima-ratio-Gedanke) eine Abmahnung erforderlich sein, wenn etwa eine weniger schwerwiegende oder erstmalige Pflichtverletzung vorliegt. Insoweit kann im Rahmen der Abwägung, ob die Kündigung zuvor anzudrohen ist, auch berücksichtigt werden, dass die Parteien die Anforderungen an den wichtigen Grund gegenüber der gesetzlichen Regelung herabgesetzt haben.
3. Die Kündigung einer stillen Gesellschaft kann auf die Verweigerung des vertraglich vereinbarten Informationsrechts des stillen Gesellschafters gestützt werden.

4. Zur Auslegung einer vertraglichen Klausel über Informations- und Kontrollrechte des stillen Gesellschafters.

IX.
Schadensersatzansprüche einer Rechtsschutzversicherung gegen Anwalt
OLG Zweibrücken, Urteil vom 09.03.2023, Az. 4 U 97/22

Die Rechtsschutzversicherung ist keine „Schadensversicherung“ zugunsten von Rechtsanwälten. Eine Deckungszusage gewährt keinen Vertrauenstatbestand zugunsten von Rechtsanwälten, sondern beansprucht ausschließlich im Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Rechtsschutzversicherer Geltung.

Die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche durch die Klägerin aus übergegangenem Recht verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Rechtsverfolgung der Klägerin insbesondere nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Schadensabwicklungsunternehmen der Klägerin die Deckungsanfragen der Beklagten geprüft und die zur Begründung der Schadensersatzansprüche geltend gemachte Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung selbst hätte erkennen können.

Leitsätze der Redaktion

X.
Bewilligung von Prozeßkostenhilfe
LAG Köln, Urteil vom 20.03.2023, Az. 4 Ta 179/22

Eine Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist ausgeschlossen, wenn bis zum Abschluss des Verfahrens keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt wird.

Leitsatz der Redaktion

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
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