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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Vorsteuerabzug und Personalabbau
BFH, Urteil vom 30.06.2022, Az. V R 32/20
Bezieht der Unternehmer für einen von ihm angestrebten Personalabbau Leistungen von sog. Outplacement-Unternehmen, mit denen unkündbar und unbefristet Beschäftigte individuell insbesondere durch sog. Bewerbungstrainings bei der Begründung neuer Beschäftigungsverhältnisse unterstützt werden sollen, ist der Unternehmer aufgrund eines vorrangigen Unternehmensinteresses zum Vorsteuerabzug berechtigt.
II.
Vorfahrtsregelungen auf Parkplätzen
BGH, Urteil vom 22.11.2022, Az. VI ZR 344/21
Die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO ("rechts vor links") findet auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt.
III.
Energiepreispauschael
Arbeitsgericht Lübeck, Beschluss vom 01.12.2022, Az. 1 Ca 1849/22
Finanzgerichte sind zuständig für Klagen von Arbeitnehmenden gegen Ihren Arbeitgeber aus Auszahlung der Energiepreispauschale, das Arbeitsgericht ist unzuständig.
(Leitsatz der Redaktion)
IV.
Widerruf Schenkung wegen groben Undanks
BGH, Urteil vom 11.10.2022, Az. X ZR 42/20
Die Erklärung des Widerrufs einer Schenkung wegen groben Undanks bedarf keiner Begründung in der Widerrufserklärung.
V.
Pflegegeld ist unpfändbar
BGH, Beschluss vom 20.10.2022, Az. IX ZB 12/22
Pflegegeld, da an die pflegende Person weitergeleitet wird, ist unpfändbar und fällt bei einer Verbraucherinsolvenz nicht die Insolvenzmasse.
VI.
Kein Zufluss bei nur buchmäßigem Festhalten einer Schuldverpflichtung
BFH, Urteil vom 12.07.2022, Az. VIII R 18/19
1. NV: Ist in der Gutschrift von fälligen Zinsen in den Büchern des Verpflichteten nur das buchmäßige Festhalten der Schuldverpflichtung zu sehen und wurde nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Gläubiger den entsprechenden Betrag von nun an jederzeit abrufen kann, liegt kein Zufluss i.S. des § 11 EStG vor.
2. NV: Das bloße Nichtgeltendmachen gutgeschriebener und nicht ausgezahlter Zinsen bei Fälligkeit gegenüber dem Darlehensnehmer begründet keinen Zufluss der Zinsen i.S. des § 11 EStG beim Darlehensgeber.
VII.
Inhaltskontrolle für eine Entgeltklausel im Bankverkehr mit Verbrauchern (Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung)
OLG Frankfurt, Urteil vom 14.12.2022, Az. 17 U 132/21
1. Auch außerhalb der Informationspflichten des § 493 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 BGB besteht als vertragliche Nebenpflicht der Bank ein Auskunftsanspruch des Verbrauchers über die Höhe des im Falle der vorzeitigen Rückführung des Darlehens zu zahlenden Betrages (Vorfälligkeitsentschädigung), ohne dass es tatsächlich zur vorzeitigen Rückführung des Darlehens kommen muss.
2. Eine Klausel in einem Preisverzeichnis einer Bank, die für Allgemein-Darlehensverträge und vor dem 21.03.2016 geschlossene Immobiliardarlehensverträge ein Entgelt für die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung vorsieht, stellt eine unzulässige Preisnebenabrede dar.
VIII.
Online-banking
LG Saarbrücken, Urteil vom 09.12.2022, Az. 1 O 181/20
1. Im Rahmen des Online-Bankings kann die telefonische Weitergabe dreier TAN den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit des Zahlungsdienstenutzers begründen, wenn sich diesem nach den Gesamtumständen des Falles geradezu aufdrängen musste, dass die Aufforderung zur Weitergabe der TAN nicht von dem Zahlungsdiensteleister stammen konnte (Fortführung von Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 10. Juni 2022 - 1 O 394/21).
2. Bei der Anspruchshöhe eines Schadensersatzanspruchs des Zahlungsdiensteleisters gegen den Zahlungsdienstenutzer nach § 675v Abs. 3 Nr. 2 BGB kann ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Zahlungsdiensteleisters berücksichtigt werden. Ein solches liegt in Höhe von 50% vor, wenn das das Betrugspräventionssystem des Zahlungsdiensteleisters zunächst fünf zur Nachtzeit vorgenommene Echtzeitüberweisungen als verdächtig erkennt, in der Folge aber dennoch weitere 12 Echtzeitüberweisungen an denselben Zahlungsempfänger zugelassen werden.
IX.
Probezeit und Kündigungsfrist
LAG Thüringen, Urteil vom 06.12.2022, Az. 1 Sa 300/21
1. Wird in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag in einer Klausel eine Probezeit und in einer anderen Klausel eine Kündigungsfrist festgelegt, ohne dass unmissverständlich deutlich wird, dass diese ausdrücklich genannte Frist erst nach dem Ende der Probezeit gelten soll, ist dies von einem durchschnittlichen Arbeitnehmer regelmäßig dahin zu verstehen, dass der Arbeitgeber schon von Beginn des Arbeitsverhältnisses an nur mit dieser Kündigungsfrist, nicht aber mit der zweiwöchigen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB kündigen kann (BAG 23.03.2017 - 6 AZR 705/15).
2. Sofern zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind, kommt die sich zu Lasten des Klauselverwenders auswirkende Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung. Dies gilt auch dann, wenn die Vertragsgestaltung uneindeutig ist und beide Auslegungsergebnisse denkbar sind.
X.
Pflichtteilsanspruch und Vermächtnis
OLG München, Beschluss vom 21.11.2022, Az. 33 U 2216/22
1. Hat der Pflichtteilsberechtigte, der mit einem Vermächtnis in Höhe seines Pflichtteilsanspruchs bedacht ist, das Vermächtnis angenommen, stehen ihm keine auf § 2314 BGB gestützten Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche zu, da endgültig feststeht, dass ein Pflichtteilsanspruch nicht mehr besteht.
2. In einem derartigen Fall kann ein allgemeiner, aus § 242 BGB resultierender Auskunftsanspruch bestehen. Dieser ist lediglich auf Vorlage eines einfachen Nachlassverzeichnisses gerichtet.
3. Ein Wertermittlungsanspruch auf Kosten des Nachlasses steht dem Vermächtnisnehmer in einem solchen Fall nicht zu.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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