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Michael Henn
Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte
Gerokstrasse 8
70188 Stuttgart


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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht Michael Henn, Stuttgart


I.
Arbeitsgericht Berlin gibt Kündigungsschutzklage einer Redakteurin des Senders Deutsche
Welle statt
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 5. September 2022, 22 Ca 1647/22
Das Arbeitsgericht Berlin hat die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung einer Redakteurin des Senders Deutsche Welle für unwirksam erklärt. Der Sender hat zur Begründung der Kündigungen geltend gemacht, die Redakteurin habe sich mehrfach israelfeindlich und antisemitisch in anderen Medien geäußert. Dies widerspreche den Grundsätzen der Deutschen Welle, wie sie ausdrücklich in Guidelines und Positionspapieren festgehalten seien.
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und den Sender zur Weiterbeschäftigung der Redakteurin verurteilt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, antisemitische Äußerungen könnten ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Auch wenn es nicht um Äußerungen im Rahmen der Arbeit für den Sender gehe, könne hierin eine Verletzung von Loyalitätspflichten liegen. Soweit es allerdings um Äußerungen gehe, die zu einer Zeit vor Bestehen eines Vertragsverhältnisses zum Sender erfolgt seien, fehle es mangels bestehenden Vertrages zu dieser Zeit an einer für eine verhaltensbedingte Kündigung erforderlichen Vertragspflichtverletzung.
Eine personenbedingte Kündigung hatte die Beklagte nach Ansicht des Arbeitsgerichts nicht ausgesprochen und dazu auch nicht ihren Personalrat beteiligt. Auch bei Äußerungen während einer vorherigen Beschäftigung auf Honorarbasis könne nicht ohne weiteres ein „Durchschlagen“ als Pflichtverletzung auf ein späteres Arbeitsverhältnis angenommen werden. Zudem müsse jeweils eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Zusammenhangs von Äußerungen erfolgen. Unter Berücksichtigung u.a. der Tatsache, dass die Redakteurin sich in einer für die Öffentlichkeit bestimmten Erklärung von früheren Äußerungen distanziert habe und keine Abmahnung vorliege, sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der beiderseitigen Interessen zumutbar. Im Hinblick hierauf könne keine negative Prognose betreffend ein künftig zu erwartendes Fehlverhaltens gestellt werden. Unabhängig hiervon sei für die außerordentliche Kündigung die Frist von zwei Wochen ab Kenntnis der maßgeblichen Umstände nicht eingehalten. Betreffend die gegenüber der klagenden Redakteurin erhobenen Vorwürfe erschließe sich die Erforderlichkeit der vorherigen zweimonatigen Untersuchung nicht.
Siehe:
https://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/presse/pressemitteilungen/2022/pressemitteilung.1261177.php
II.
Nachkündigungen des Kabinenpersonals von Air Berlin wirksam BAG, Urteil vom 8. November 2022 – 6 AZR 15/22
Die Nachkündigungen des Kabinenpersonals der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin vom 27. August 2020 sind grundsätzlich wirksam.
Die Klägerin war bei Air Berlin als Flugbegleiterin mit Einsatzort Düsseldorf beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis wurde wegen Stilllegung des Flugbetriebs zunächst mit Schreiben vom 27. Januar 2018 gekündigt. Diese Kündigung hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Nachdem der Senat mit Urteil vom 14. Mai 2020 (- 6 AZR 235/19 -) entschieden hatte, dass die Kündigungen des Kabinenpersonals wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam sind, hat der Beklagte den entsprechenden Kündigungsschutzantrag der Klägerin anerkannt. Im Rahmen einer weiteren Massenentlassung hat er nach Durchführung der erforderlichen Verfahren den verbliebenen Beschäftigten des Kabinenpersonals mit Schreiben vom 27.

VDAA- Arbeitsrechtsdepesche 11-2022
August 2020 erneut gekündigt. Die Klägerin hat auch diese Kündigung ua. wegen formeller Mängel für unwirksam gehalten. Die Vorinstanzen haben ihre Kündigungsschutzklage jedoch abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die nunmehr streitbefangene Kündigung vom 27. August 2020 hat das Arbeitsverhältnis beendet. Sie ist wegen der Stilllegung des Flugbetriebs sozial gerechtfertigt. Die Anforderungen an das nach § 17 Abs. 2 KSchG mit der Personalvertretung durchzuführende Konsultationsverfahren wurden erfüllt, insbesondere wurde die Personalvertretung ausreichend über den Zeitraum der beabsichtigten Entlassungen informiert. Die Massenentlassungsanzeige wurde gemäß § 17 Abs. 3 KSchG bei der weiterhin zuständigen Agentur für Arbeit Düsseldorf vollständig erstattet. Eine Unwirksamkeit der Kündigung ergibt sich auch nicht aus sonstigen Gründen.
Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/nachkuendigungen-des-kabinenpersonals-von-air-berlin-wirksam/
III.
Mehrarbeitszuschläge nach dem Manteltarifvertrag für die Zeitarbeit - Berücksichtigung von Urlaubsstunden
BAG, Urteil vom 16. November 2022 – 10 AZR 210/19
Für das Erreichen des Schwellenwertes, ab dem nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrags für die Zeitarbeit ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Mehrarbeitszuschläge besteht, sind nicht nur die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern auch genommene Urlaubsstunden zu berücksichtigen.
Der Kläger war bei der Beklagten als Leiharbeitnehmer in Vollzeit mit einem Bruttostundenlohn im Jahr 2017 von 12,18 Euro beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien galt aufgrund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die Zeitarbeit in der Fassung vom 17. September 2013 (MTV). § 4.1.2. MTV* bestimmt, dass Mehrarbeitszuschläge in Höhe von 25 % für Zeiten gezahlt werden, die im jeweiligen Kalendermonat über eine bestimmte Zahl geleisteter Stunden hinausgehen. Im Monat August 2017, auf den 23 Arbeitstage entfielen, arbeitete der Kläger 121,75 Stunden und nahm 10 Tage Urlaub in Anspruch, die die Beklagte mit 84,7 Stunden abrechnete. Mehrarbeitszuschläge leistete sie für diesen Monat nicht.
Der Kläger verlangt mit seiner Klage Mehrarbeitszuschläge für die über 184 Stunden hinausgehenden Stunden und meint, die für den Urlaub abgerechneten Stunden seien einzubeziehen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Zehnten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 17. Juni 2020 – 10 AZR 210/19 (A) – vgl. PM Nr. 16/20) hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 13. Januar 2022 – C-514/20 – entschieden, dass das Unionsrecht (Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG**) einer tariflichen Regelung entgegensteht, nach der für die Berechnung, ob und für wie viele Stunden einem Arbeitnehmer Mehrarbeitszuschläge zustehen, nur die tatsächlich gearbeiteten Stunden berücksichtigt werden, nicht aber die Stunden, in denen der Arbeitnehmer seinen bezahlten Jahresurlaub in Anspruch nimmt.
Die Revision des Klägers hatte unter Zugrundelegung dieser Entscheidung vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die tarifliche Regelung des § 4.1.2 MTV muss bei gesetzeskonformer Auslegung so verstanden werden, dass bei der Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen nicht nur tatsächlich geleistete Stunden, sondern auch Urlaubsstunden bei der Frage mitzählen, ob der Schwellenwert, ab dem solche Zuschläge zu zahlen sind, überschritten wurde. Anderenfalls wäre die Regelung geeignet, den Arbeitnehmer von der Inanspruchnahme seines gesetzlichen Mindesturlaubs abzuhalten, was mit § 1 BUrlG*** in seinem unionsrechtskonformen Verständnis nicht vereinbar wäre.
Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/mehrarbeitszuschlaege-nach-dem-manteltarifvertrag-fuer-die-zeitarbeit- beruecksichtigung-von-urlaubsstunden/

VDAA- Arbeitsrechtsdepesche 11-2022
IV.
§ 19 TVöD als Rahmenvorschrift - keine Ermittlung von Amts wegen des anwendbaren Tarifvertrages bei lediglich vertraglicher Inbezugnahme - Tragen einer FFP-2 Maske im Hinblick auf das Ansteckungsrisiko durch das Corona-Virus im Anwendungsbereich der landesbezirklichen Regelungen VKA-Baden-Württemberg nicht als Erschwernis zuschlagspflichtig - arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz
LAG, Urteil vom 15.7.2022, 12 Sa 91/21
1. Aus § 19 TVöD als Rahmenregelung ergibt sich kein unmittelbarer Anspruch auf Erschwerniszuschläge. Die zuschlagspflichtigen Arbeiten und die Höhe der Zuschläge werden gem. § 19 Abs. 5 S. 1 TVöD im Bereich der VKA landesbezirklich vereinbart.
2. Bei Arbeitern im Bereich der VKA sieht § 23 Abs. 1 TVÜ-VKA vor, dass bis zur Regelung in einem landesbezirklichen Tarifvertrag im jeweiligen Geltungsbereich die jeweils geltenden bezirklichen Regelungen zu Erschwerniszuschlägen gemäß § 23 Abs. 3 BMT- II G fortgelten. § 23 Abs. 3 BMT- II G sieht wiederum seinerseits vor, dass die zuschlagspflichtigen Arbeiten und die Höhe der Zuschläge bezirklich vereinbart werden.
3. Da nach Inkrafttreten des ablösenden TVöD (VKA) bezogen auf Baden-Württemberg noch kein spezieller Erschwerniszuschlagstarifvertrag geschaffen wurde, findet der 5. Tarifvertrag über die Zahlung von Erschwerniszuschlägen an Gemeindearbeiter in Baden- Württemberg vom 25. Oktober 1965 weiter Anwendung, wobei die Höhe der Zuschläge sich derzeit aus dem Tarifvertrag vom 3. November 2008 zur Anpassung der landesbezirklichen Tarifverträge über die Zahlung von Erschwerniszuschlägen ergibt.
4. Die Ermittlung des entsprechenden Tarifvertrages bei lediglich arbeitsvertraglicher Inbezugnahme erfolgt nicht von Amts wegen durch das Gericht, sondern ist entsprechend vom Anspruchssteller darzulegen.
5. Das Tragen einer FFP-2 Maske im Hinblick auf die Ansteckungsgefahren durch das Corona-Virus begründet im Übrigen nach den Regelungen des Tarifvertrages vom 25. Oktober 1965 auch keine zuschlagspflichtige Erschwernis, insbesondere greift die Position 120 ("Arbeiten, bei denen Gas-, Staubmasken oder Frischluftgeräte wegen Gas-, Staub- oder Farbbelästigung benutzt werden") nicht ein.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi- bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2022&Seite= 1&nr=38324&pos=11&anz=42
V.
Sic-non-Fall - Geschäftsführer - Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten - ordentliche Kündigung -
allgemeine Feststellungsklage – Schwerpunktbildung
LAG, Beschluss vom 4.11.2022, 12 Ta 8/22 – veröffentlicht am 24.11.2022
1. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nicht schon dann – unabhängig vom tatsächlichen Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses - eröffnet, wenn eine Kündigungsschutzklage die Formulierung enthält, dass eine bestimmte Kündigung „das bestehende Arbeitsverhältnis“ nicht beende. Allein das führt noch nicht zur Einordnung als so genannter Sic-non-Fall, bei dem bereits die reine Rechtsbehauptung, der Kläger sei Arbeitnehmer, zur Begründung der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts ausreicht. Es bedarf vielmehr einer Gesamtbeurteilung anhand des Antrages und der Klagebegründung.
2. Im Falle einer Kündigungsschutzklage gegen eine ordentliche Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrages liegt jedenfalls dann ein Sic-non-Fall vor, wenn die Unwirksamkeit der Kündigung schwerpunktmäßig mit einem Verstoß gegen das Kündigungsschutzgesetz begründet wird. Unschädlich ist es, wenn der Kläger darüber hinaus lediglich pauschal eine sonstige Unwirksamkeit der Kündigung anspricht, ohne hier konkret eine Unwirksamkeit aufgrund einer Norm darzulegen, die nicht nur in einem Arbeitsverhältnis Geltung beansprucht.
Siehe:

VDAA- Arbeitsrechtsdepesche 11-2022
http://lrbw.juris.de/cgi- bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2022&Seite=0&nr=38 377&pos=0&anz=42
VI.
Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG über Fremdpersonaleinsatz
LAG, Beschluss vom 12.10.2022, 4 TaBV 3/21 – veröffentlicht am 11.11.2022
1. Aus § 80 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. BetrVG kann nicht geschlossen werden, dass bei der Geltendmachung eines Unterrichtungsanspruchs über den Inhalt von Fremdpersonaleinsätzen eine Darlegung eines Aufgabenbezugs durch den Betriebsrat entbehrlich wäre. Der Aufgabenbezug ergibt sich jedoch in der Regel aus den Rechten des Betriebsrats aus §§ 99, 101 BetrVG. Dem Betriebsrat muss eine Überprüfung einer etwaigen unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung ermöglicht werden.
2. Zum Inhalt des Unterrichtungsanspruchs des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG über Fremdpersonaleinsätze gehört jedoch nicht notwendigerweise eine Verpflichtung zur Namensnennung der einzelnen von den Fremdfirmen eingesetzten Arbeitnehmer. Eine Unterrichtung über den zeitlichen Umfang der Einsätze, den Arbeitsort und die Arbeitsaufgaben der eingesetzten Personen ist jedoch in der Regel geboten.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi- bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2022&Seite=0&nr=38 343&pos=2&anz=42
VII.
Einrichtungsbezogene Impfpflicht - Tätigkeitsverbot - unbezahlte Freistellung durch den Arbeitgeber - Beschäftigungsanspruch – Annahmeverzugsvergütung Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 12.10.2022, 15 Ca 2557/22
1. Im Rahmen der in § 20a IfSG verankerten sog. einrichtungsbezogenen Impfpflicht besteht kein gesetzliches Tätigkeitsverbot für bereits vor dem 16. März 2022 beschäftigte Arbeitnehmer, die ihrem Arbeitgeber – entgegen § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG – keinen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen.
2. Die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes für solche Arbeitnehmer ist gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG vielmehr dem zuständigen Gesundheitsamt als ermessensgeleitete Einzelfallentscheidung vorbehalten.
3. Fehlt es an einer Anordnung eines Tätigkeitsverbotes durch das Gesundheitsamt, ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, solche Arbeitnehmer pauschal unbezahlt von der Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi- bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2022&Seite=0&nr=38 329&pos=1&anz=42
VIII.
Fristlose Kündigung eines Datenschutzbeauftragten wegen reiner Amtspflichtverletzungen Arbeitsgericht Heilbronn, Urteil vom 29.9.2022, 8 Ca 135/22
1. Die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Datenschutzbeauftragten aufgrund reiner Amtspflichtverletzungen ist nach Systematik sowie Sinn und Zweck von § 6 Abs. 4 BDSG unwirksam.
2. Eine reine Verletzung der Pflichten als Datenschutzbeauftragter kann grundsätzlich nur seine Abberufung nach § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG rechtfertigen
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi- bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2022&Seite=0&nr=38 325&pos=3&anz=42

VDAA- Arbeitsrechtsdepesche 11-2022
VIX.
Arbeitsvertrag mit Ärztin aus nichteuropäischem Ausland – Annahmeverzug Arbeitsgericht Heilbronn, Urteil vom 29.9.2022, 8 Ca 94/22
Stellt ein Arbeitgeber eine Ärztin aus dem nichteuropäischen Ausland als Ärztin ein und beschäftigt diese zunächst bis zum Vorliegen der behördlichen Erlaubnisse mit nicht-ärztlichen Aufgaben, gerät er mit dem Vorliegen der erforderlichen Erlaubnisse unmittelbar in Annahmeverzug.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi- bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2022&Seite=0&nr=38 326&pos=4&anz=42
X.
Rechtsaeg: Fremdgeschäftsführer werden durch eine gesellschaftsrechtlich unzulässige Beschränkung auf unechte Gesamtvertretungsberechtigung nicht zu Arbeitnehmern LAG Düsseldorf, Beschluss vom 5.10.2022, 3 Ta 132/22
1. Die Regelung in einem Geschäftsführerdienstvertrag zu einer unechten Gesamtvertretung dahingehend, dass der alleinige Geschäftsführer einer GmbH lediglich gesamtvertretungsberechtigt zusammen mit einem Prokuristen ist, stellt gesellschaftsrechtlich eine unzulässige Beschränkung der organschaftlichen Vertretungsmacht dar.
2. Wenngleich damit zugleich eine atypische Regelung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages vorliegt, macht dies den Fremdgeschäftsführer nicht per se zum Arbeitnehmer. Es handelt sich lediglich um einen Aspekt der vorzunehmenden Gesamtwürdigung bei der Abgrenzung von dienstvertraglicher Anstellung und Arbeitsverhältnis. Dabei bleiben die Anforderungen unverändert hoch: Nur bei Feststellung auch im Übrigen atypischer Regelungen und/oder einer Vertragspraxis dahingehend, dass eine arbeitnehmertypische Weisungsbindung und damit als extremer Ausnahmefall eine Geschäftsführeranstellung im Arbeitnehmerstatus vorliegt, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet.
Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/duesseldorf/lag_duesseldorf/j2022/NRWE_LAG_D_sseldorf_3_T a_132_22_Beschluss_202 21005.html
XI.
Einigungsstelle - Spruch – Anfechtung
LAG Köln, Beschluss vom 2.09.2022, 9 TaBV 16/22
1.) Ein Einigungsstellenspruch, der sog. Krankenrückkehrgespräche generell untersagt, ist unwirksam. Denn die Regelung überschreitet den der Einigungsstelle durch § 87 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 BetrVG eröffneten Regelungsspielraum, weil sie auch mitbestimmungsfreie Individualmaßnahmen umfasst, die allein in der Person einzelner Arbeitnehmer begründet sind und die übrige Belegschaft nicht berühren.
2.) Ein solcher Einigungsstellenspruch kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er nur mitbestimmungspflichtige formalisierte Krankenrückkehrgespräche untersagt. Eine solche geltungserhaltende Reduktion ist angesichts des Normencharakters einer Betriebsvereinbarung nicht möglich und widerspräche der Konzeption der Betriebsverfassung, wonach Regelungsfragen in den primären Kompetenzbereich der Einigungsstelle fallen und nicht gegen den Willen eines Beteiligten durch ein Gericht ersetzt werden können.
Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2022/9_T aBV_16_22_Beschluss_20220902.html
XII.
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 30.05.2022, Az. 6 Ta 30/22
Rechtswegzuständigkeit, Rechtsweg zu Arbeitnehmereigenschaft, Abrufarbeit, "sic-non-Fall"
Siehe:
den Arbeitsgerichten, Streitgegenstand,
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/08F3A89CFF34A864C12588FC005216CC/$file/Beschluss-6-T a-30-22-30-05-2022.pdf

VDAA- Arbeitsrechtsdepesche 11-2022
Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/5E372B90DC23191CC12588F000454137/$file/Urteil-1-Sa-39%20%C3%B6D-22-27-09- 2022.pdf
XIII.
LAG Hessen, Beschluss vom 16.09.2022, Az. 12 Ta 343/22
Wehrt sich der Arbeitnehmer gegen eine Direktionsrechtsausübung durch den Arbeitgeber, die zu einem Wegfall einer (Funktions-) Zulage führt, ist der Wert eines Antrags auf Fortsetzung des zulagenauslösenden Einsatzes mit dem 36-fachen Monatszulagenwert zu bemessen, jedoch der Höhe nach auf maximal drei Monatsentgelte begrenzt (Ziffer I.14. i.V.m. Ziffer I.4.2 des Streitwertkatalogs i.d.F. vom 09. Februar 2018).
Gleiches gilt für einen Feststellungsantrag, der die diesbezügliche Ausübung des Direktionsrechts zum Gegenstand hat.
Ein Leistungsantrag, mit dem die Fortsetzung des die Zulage auslösenden Einsatzes begehrt wird und ein Feststellungsantrag, der die Rechtswidrigkeit der Direktionsrechtsausübung zum Inhalt hat, sind auf denselben gebührenrechtlichen Gegenstand gerichtet, nämlich das Fortbestehen der bisherigen günstigen Arbeitsbedingungen, und einheitlich zu bewerten, § 45 Abs. 1 S. 3 GKG.
Siehe:
https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE220003472
XIV.
Betriebsratswahlen
ArbG Darmstadt, Urteil vom 15.09.2022, Az. 7 BV 6/22
Wenn die Vorschriften über das Wahlverfahren eingehalten wurden und auch die Vorgaben zum aktiven und passiven Wahlrechts vollständig berücksichtigt wurden, ist das Wahlergebnis hinzunehmen. Der Betriebsrat wird in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt. Dieser Grundsatz verbietet es, einen Wähler darüber zu befragen, wie er abgestimmt hat.
Siehe:
https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE220003501
XV.
Leiharbeitnehmer
LAG Hessen, Urteil vom 06.09.2022, Az. 12 Sa 391/22 SK
Für die Beurteilung, ob Helfertätigkeiten eines Leiharbeitnehmers in einem Entleiherbetrieb zu einer Beitragspflicht des Verleihers führen, ist auf die Tätigkeit der Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs abzustellen, auf die sich die Helfertätigkeiten bezieht. Für die Qualifizierung als beitragspflichtige Zusammenhangstätigkeit kommt es auf die Tätigkeiten im Entleiherbetrieb an.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Gesetzgeber mit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz tatsächlich eine Änderung von § 8 Abs. 3 AEntG dergestalt erreichen wollte, dass ein baufremd in einem Baubetrieb tätiger Leiharbeitnehmer nicht mehr vom VTV erfasst wird.
Siehe:
https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE220003496
XVI.
Zwwansvollstreckung nach Kündigungschutzprozes LAG Hessen, Beschluss vom 01.09.2022, Az. 10 Ta 286/22
1. Im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens nach § 888 ZPO ist nicht zu überprüfen, ob der Arbeitgeber eine weitere (wirksame) Kündigung ausgesprochen hat. Solche materiell-rechtlichen Fragen sind im Berufungsverfahren bzw. im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage vorzutragen.
2. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitgeber behauptet, er habe nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils eine neue unternehmerische Entscheidung getroffen, die zum Wegfall der titulierten Beschäftigungspflicht führe.

VDAA- Arbeitsrechtsdepesche 11-2022
Siehe:
https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE220003469
XVII.
Kosten Outplacement
BFH, Urteil vom 30.06.2022, Az. V R 32/20
Bezieht der Unternehmer für einen von ihm angestrebten Personalabbau Leistungen von sog. Outplacement-Unternehmen, mit denen unkündbar und unbefristet Beschäftigte individuell insbesondere durch sog. Bewerbungstrainings bei der Begründung neuer Beschäftigungsverhältnisse unterstützt werden sollen, ist der Unternehmer aufgrund eines vorrangigen Unternehmensinteresses zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Siehe:
https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210188/
Mit besten Grüßen Ihr
Michael Henn Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht Fachanwalt für Arbeitsrecht VDAA – Präsident
VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V. Kronprinzstr. 14
70173 Stuttgart
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Telefax: (0711) 3058 9311 Email: info@vdaa.de www.vdaa.de
 
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