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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Zugang einer E-Mail
BGH, Urteil vom 06.10.2022, Az. 895/21
Wird eine E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt, ist sie dem Empfänger grundsätzlich in diesem Zeitpunkt zugegangen. Dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen wird, ist für den Zugang nicht erforderlich.
II.
Geltendmachung ungarischer Straßenmaut vor deutschen Gerichten
BGH, Urteil vom 28.09.2022, Az. XII ZR 7/22
a)Die nicht vorab entrichtete ungarische Straßenmaut kann gegen einen inländischen Halter des Fahrzeugs vor den deutschen Zivilgerichten geltend gemacht werden.
b)Die Bestimmungen des ungarischen Rechts verstoßen weder hinsichtlich der in § 15 Abs. 2 des ungarischen Straßenverkehrsgesetzes angeordneten alleinige Schuldnerschaft des Fahrzeughalters noch hinsichtlich der in § 7/A Abs. 10 und Anlage 1 der Mautverordnung bestimmten Grundersatzmaut sowie der erhöhten Zusatzgebühr gegen den deutschen ordre public.
c)Fremdwährungsschulden sind als solche, also in fremder Währung, einzuklagen; eine auf die falsche Währung gerichtete Zahlungsklage ist abzuweisen (im Anschluss an BGH Urteil vom 29. Mai 1980 - II ZR 99/79 - NJW 1980, 2017).
III.
Kosten Outplacement
BFH, Urteil vom 30.6.2022, AZ V R 32/20
Bezieht der Unternehmer für einen von ihm angestrebten Personalabbau Leistungen von sog. Outplacement-Unternehmen, mit denen unkündbar und unbefristet Beschäftigte individuell insbesondere durch sog. Bewerbungstrainings bei der Begründung neuer Beschäftigungsverhältnisse unterstützt werden sollen, ist der Unternehmer aufgrund eines vorrangigen Unternehmensinteresses zum Vorsteuerabzug berechtigt.
IV.
Vorab entstandene Aufwendungen für wohnungsrechtsbelastete Immobilie
BFH, Beschluss vom 15. September 2022, Az. IX B 27/22
NV: Aufwendungen, die der Steuerpflichtige für ein wohnungsrechtsbelastetes Immobilienobjekt erbringt, sind mangels Einkünfteerzielungsabsicht nicht als vorab entstandene Werbungskosten im Hinblick auf eine nach Erlöschen des Wohnungsrechts beabsichtigte Vermietung der Wohnung abzuziehen, solange und soweit der Wohnungsrechtsinhaber einer Vermietung nicht zugestimmt und insoweit auf sein Wohnungsrecht verzichtet hat.
V.
Keine Klagebefugnis des Personengesellschafters bei Streit über Grund oder Höhe des Gesamthandsgewinns
BFH, Urteil vom 28. Juli 2022, Az. IV R 23/19
NV: Besteht Streit über Grund oder Höhe des in einem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen festgestellten Gesamthandsgewinns einer Personengesellschaft, ist nur die Gesellschaft selbst klagebefugt. Eine Klagebefugnis des Gesellschafters ergibt sich nicht schon daraus, dass ihm der streitige Gewinn alleine zugerechnet wurde.
VI.
Beginn der Verjährung bei Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“
BGH, Urteil vom 27.10.2022, Az. I ZR 141/21
Bei einem Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach "Hamburger Brauch" beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist nicht, bevor der Gläubiger die Höhe der vom Schuldner verwirkten Vertragsstrafe festgelegt hat und der Vertragsstrafeanspruch damit fällig geworden ist.
VII.
BGB § 823 Abs. 1 und Abs. 2 F
(Porsche Turbo S Cabriolet Eigentümerin muss sich mit 3er BMW begnügen = Leitsatz Redaktion)
BGH, Urteil vom 11.10.2022, Az. VI ZR 35/22
a) Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der vorübergehenden Entziehung der Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs besteht nicht, wenn dem Geschädigten ein weiteres Fahrzeug zur Verfügung steht, dessen ersatzweise Nutzung ihm zumutbar ist.
b) Die Unzumutbarkeit der Nutzung des weiteren Fahrzeugs lässt sich nicht mit dem Argument begründen, dass das Fahrzeug, dessen Nutzung vorübergehend entzogen ist, gegenüber dem Zweitfahrzeug eine höhere Wertschätzung des Geschädigten erfahre, etwa weil ihm ein höheres Prestige zukomme, es ein anderes Fahrgefühl vermittle oder den individuellen Genuss erhöhe.
VIII.
Fristlose Kündigung eines Datenschutzbeauftragten wegen reiner Amtspflichtverletzungen
Arbeitsgericht Heilbronn, Urteil vom 29.092022, Az. 8 Ca 135/22
1. Die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Datenschutzbeauftragten aufgrund reiner Amtspflichtverletzungen ist nach Systematik sowie Sinn und Zweck von § 6 Abs. 4 BDSG unwirksam.
2. Eine reine Verletzung der Pflichten als Datenschutzbeauftragter kann grundsätzlich nur seine Abberufung nach § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG rechtfertigen
VIX.
Geschäftsführer GmbH
LAG Düsseldorf, Beschluss vom 05.10.2022, Az. 3 Ta 132/22
1. Die Regelung in einem Geschäftsführerdienstvertrag zu einer unechten Gesamtvertretung dahingehend, dass der alleinige Geschäftsführer einer GmbH lediglich gesamtvertretungsberechtigt zusammen mit einem Prokuristen ist, stellt gesellschaftsrechtlich eine unzulässige Beschränkung der organschaftlichen Vertretungsmacht dar.
2. Wenngleich damit zugleich eine atypische Regelung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages vorliegt, macht dies den Fremdgeschäftsführer nicht per se zum Arbeitnehmer. Es handelt sich lediglich um einen Aspekt der vorzunehmenden Gesamtwürdigung bei der Abgrenzung von dienstvertraglicher Anstellung und Arbeitsverhältnis. Dabei bleiben die Anforderungen unverändert hoch: Nur bei Feststellung auch im Übrigen atypischer Regelungen und/oder einer Vertragspraxis dahingehend, dass eine arbeitnehmertypische Weisungsbindung und damit als extremer Ausnahmefall eine Geschäftsführeranstellung im Arbeitnehmerstatus vorliegt, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet.
X.
Einrichtungsbezogene Impfpflicht - Tätigkeitsverbot - unbezahlte Freistellung durch den Arbeitgeber - Beschäftigungsanspruch – Annahmeverzugsvergütung
Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 12.10.2022, Az. 15 Ca 2557/22
1. Im Rahmen der in § 20a IfSG verankerten sog. einrichtungsbezogenen Impfpflicht besteht kein gesetzliches Tätigkeitsverbot für bereits vor dem 16. März 2022 beschäftigte Arbeitnehmer, die ihrem Arbeitgeber – entgegen § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG – keinen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen.
2. Die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes für solche Arbeitnehmer ist gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG vielmehr dem zuständigen Gesundheitsamt als ermessensgeleitete Einzelfallentscheidung vorbehalten.
3. Fehlt es an einer Anordnung eines Tätigkeitsverbotes durch das Gesundheitsamt, ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, solche Arbeitnehmer pauschal unbezahlt von der Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
Rechtsanwalt
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Schriftleiter mittelstandsdepesche
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