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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
WEG-Recht
BGH, Urteil vom 10.12.2021, Az. V ZR 32/21
Dem WEG-Verwalter, der eigenmächtig Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum durchführt, kann gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft ein Ersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht zustehen
II.
Mieterwechsel in Wohngemeinschaft
BGH, Urteil vom 27.04.2022, Az. VIII ZR 304/21
a) Enthält ein Mietvertrag mit mehreren Mietern, die eine Wohngemeinschaft bilden, zu einem Austausch einzelner Mieter keine Regelung, ist im Wege einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung der auf den Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, ob nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien den Mietern ein Anspruch gegen den Vermieter auf Zustimmung zu einem künftigen Mieterwechsel zustehen sollte.
b) Allein aus dem Vorliegen eines Mietvertrags mit mehreren Mietern, die eine Wohngemeinschaft bilden, kann nicht auf einen derartigen übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien geschlossen werden. Vielmehr bedarf es hierfür konkreter Anhaltspunkte.
c) Nach den Umständen des Einzelfalls kann den Willenserklärungen der Parteien die Vereinbarung eines - unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit des eintretenden Mieters stehenden - Anspruchs der Mieter auf Zustimmung zum Austausch eines Mitmieters insbesondere dann zu entnehmen sein, wenn die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend davon ausgingen, dass sich häufig und in kurzen Zeitabständen ein Bedarf für eine Änderung der Zusammensetzung der in der Wohnung lebenden Personen ergeben kann, weil die Mieter voraussichtlich auf Grund ihrer persönlichen Lebensumstände bereits bei Vertragsschluss absehbar nur für einen kurzen Zeitraum an dem jeweiligen Ort leben werden und eine vertragliche Bindung über diesen Zeitraum hinaus nicht eingehen wollen. Dies kann insbesondere bei der Vermietung an Studenten, die eine Wohngemeinschaft bilden, der Fall sein.
III.
Elternzeit - Urlaubsanspruch - Kürzungserklärung des Arbeitgebers -
LAG Niedersachsen, Urteil vom 17.05.2022, Az. 10 Sa 954/21
1. Die Tarifnorm des §26 Abs.2c TVöD enthält oder ersetzt nicht die nach §17 Abs.1 Satz1 BEEG erforderliche Erklärung des Arbeitgebers, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen. Dem stehen die auch durch Tarifvertrag nicht abdingbaren Regelungen gemäß §§1, 3 Abs.1 BUrlG entgegen.
2. Auch soweit der Urlaubsanspruch den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt, enthält oder ersetzt §26 Abs.2c TVöD nicht die Kürzungserklärung des Arbeitgebers gemäß §17 Abs.1 Satz1 BEEG.
3. Im bestehenden Arbeitsverhältnis kann der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht vor, während und nach dem Ende der Elternzeit ausüben, nicht jedoch vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen.
IV.
Verpflichtung zur Versendung von E-Mails mit Informationen für Betriebsratswahl
Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 11.05.2022, Az. 2 Ca 93/22
Es besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers, E-Mails mit einem von einer Arbeitnehmervereinigung gestalteten Inhalt an alle bei ihm Beschäftigten zu versenden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber der Arbeitnehmervereinigung über das hauseigene Intranet die Möglichkeit gewährt, Information an alle bei ihm Beschäftigten zur Verfügung zu stellen.
V.
Aufklärungs- und Beratungspflichten der Bank bei Abschluss eines Avalkreditvertrages mit Stopp-Loss-Order-Vereinbarung
OLG Braunschweig, Urteil vom 03.06.2022, Az. 4 U 264/21
Bei Vereinbarung einer Stopp-Loss-Order im Zusammenhang mit einem Fremdwährungsdarlehen darf die Bank im Rahmen einer Finanzierungsberatung das trotz Setzens des Limitkurses verbleibende Währungsrisiko nicht verharmlosen. Ob sie in diesem Zusammenhang darüber hinausgehende Aufklärungs- und Beratungspflichten treffen, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.
VI.
Maschinenversicherung
OLG Nürnberg, Beschluss vom 07.06.2022, Az. 8 U 424/22
In der Maschinenversicherung stellt der Konstruktions- oder Materialfehler einer versicherten Sache als solcher keinen Sachschaden dar. Folglich sind Kosten, die zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit einer bei Vertragsschluss mangelhaften Sache erforderlich sind und demnach den vorbestehenden Mangelunwert beseitigen sollen, nicht erstattungsfähig.
VII.
Verzug Bauträger
KG Berlin, Urteil vom 24.05.2022, Az. 21 U 156/21
1. Ein Werkunternehmer oder Bauträger hat seinen Verzug nicht zu vertreten, soweit er durch schwerwiegende, unvorhersehbare und unabwendbare Umstände an der rechtzeitigen Erfüllung gehindert war.
2. Ist es umstritten, ob die Auswirkungen der Corona-Pandemie einen Werkunternehmer in diesem Sinne vom Verzug entlasten, so hat er darzulegen, wie sich ein von ihm nicht zu verantwortender Umstand im Einzelnen auf den Herstellungsprozess ausgewirkt und ihn verzögert hat („bauablaufbezogene Darstellung“).
3. Ist ein Bauträger in Verzug mit der Übergabe einer Wohneinheit, die der Erwerber nicht selbst beziehen, sondern vermieten will, so besteht der Schaden des Erwerbers in den Vermietungserlösen, die ihm verzugsbedingt entgangen sind.
VIII.
Verschwiegene Einkünfte in der Steuererklärung
LG Nürnberg, Urteil vom 04.05.2022, Az. 12 Ns 508 Js 2272/20
Hat der Angeklagte bestimmte Einkünfte in seiner Einkommensteuererklärung verschwiegen, liegt in seiner späteren Angabe, er hätte in einem anderen Steuerjahr – tatsächlich nur erfundene – Einkünfte in gleicher Höhe erzielt, weder eine strafbefreiende Selbstanzeige noch ist das strafmildernd zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.
IX.
Irreführung durch bezahlte Kundenrezensionen auf Verkaufsplattform
OLG Frankfurt, Urteil vom 09.06.2022, Az. 6 U 232/21
Fließen in das Gesamtbewertungsergebnis für Produkte, die auf einer Verkaufsplattform angeboten werden, auch Rezensionen ein, für die an den Rezensenten ein - wenn auch geringes - Entgelt gezahlt wird, und es wird die Berücksichtigung dieser bezahlten Rezensionen nicht kenntlich gemacht, handelt es sich um einen Fall der unlauteren getarnten Werbung.
X.
Gerichtsstand bei Erbfällen
OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06.05.2022, Az. 2 AR 7/22
1. §27 ZPO ist weit auszulegen, um sicherzustellen, dass der Normzweck, alle einen bestimmten Erbfall betreffenden Streitigkeiten einheitlich an einem sachnahen Gericht zu konzentrieren, erreicht wird.
2. §27 ZPO erfasst nicht nur die Geltendmachung von Vermächtnissen durch den Vermächtnisnehmer, sondern auch den Streit über Umfang und Inhalt der Vermächtnisanordnung.
3. Sinn und Zweck des Verfahrens nach §36 Abs.1 Nr.3 ZPO ist es, die Zuständigkeit abschließend zu klären und langwierige Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden. Liegt ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand vor und hat das Gericht des gemeinschaftlichen besonderen Gerichtsstands dennoch erhebliche Zweifel an seiner Zuständigkeit geäußert, ist es nach dem Normzweck des §36 Abs.1 Nr.3 ZPO aus prozessökonomischen Gründen in einer solchen Situation geboten das zuständige aber zweifelnde Gericht als zuständiges Gericht zu bestimmen.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
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