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Michael Henn
Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte
Gerokstrasse 8
70188 Stuttgart


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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart



I.
Beschäftigung im Straßentransport - Höchstarbeitszeiten - Verhältnis von § 21a Abs. 4 ArbZG zu § 3 Satz 2 ArbZG
BAG, Beschluss vom 19. Mai 2021, Az. 5 AS 2/21

1. Der Senat hält ausdrücklich nicht an seiner Rechtsprechung fest, dass die werktägliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden gemäß § 3 Abs. 2 ArbZG neben der wöchentlichen Höchstarbeitszeit iSd § 21a Abs. 4 ArbZG nicht für Fahrpersonal iSd § 21 Abs. 1 S 1 ArbZG gilt.(Rn.3)(Rn.15)

2. Der Senat lässt im Rahmen der Anfrage des Bundesverwaltungsgerichts nach § 11 Abs. 3 RsprEinhG ausdrücklich offen, ob § 21a Abs. 4 ArbZG in der Auslegung als nicht abschließende abweichende Regelung der Höchstarbeitszeit des Fahrpersonals iSd § 21a Abs. 1 ArbZG unionsrechtskonform ist

II.
Aufhebungsvertrag - Anfechtung - Drohung mit Kündigung - Drohung mit Strafanzeige - Gebot fairen Verhandelns
Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 17. Mai 2021, Az. 18 Sa 1124/20

Der Arbeitgeber verstößt nicht gegen das Gebot fairen Verhandelns beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages, wenn er einen Rechtsanwalt zu den Vertragsverhandlungen hinzuzieht, einen Aufhebungsvertrag vorlegt, der nur sofort abgeschlossen werden kann und dies mit der - im Streitfall nicht widerrechtlichen - Drohung verbindet, er werde eine fristlose Kündigung aussprechen und Strafanzeige erstatten.(Rn.80)

1. Die Drohung des Arbeitgebers, er werde, falls der Arbeitnehmer sich nicht mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages einverstanden erklärt, das Arbeitsverhältnis fristlos aufkündigen, ist rechtswidrig, wenn eine Inadäquanz zwischen dem eingesetzten Mittel (der angedrohten Kündigung) und dem erstrebten Zweck (dem Abschluss des Aufhebungsvertrages) besteht, so dass ein verständiger Arbeitgeber den Ausspruch einer Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Die Drohung ist dann rechtswidrig, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen muss, dass die Kündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhält, wenn also der Drohende selbst nicht an seine Berechtigung glaubt oder sein Rechtsstandpunkt nicht mehr vertretbar ist.(Rn.42)

2. Die eigenmächtige, ohne sachlichen Grund vorgenommene Veränderung/Herabsetzung von Einkaufspreisen im Warenwirtschaftssystem des Arbeitgebers stellt eine erhebliche Verletzung vertraglicher Nebenpflichten durch den Arbeitnehmer dar.(Rn.46)

3. Eine schwere Nebenpflichtverletzung rechtfertigt den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung, wenn diese die für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien zerstört.(Rn.54)(Rn.55)

4. Einer Abmahnung bedarf es nicht, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist.(Rn.56)

5. Im Rahmen der hypothetischen Prüfung, ob ein verständiger Arbeitgeber den Ausspruch einer fristlosen Kündigung in Betracht gezogen hätte, ist auch die Einhaltung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist zu berücksichtigen.(Rn.59)

6. Die Androhung einer Strafanzeige zum Zwecke der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ist nur dann als unangemessen und damit rechtswidrig anzusehen, wenn dies das Ergebnis einer Gesamtwürdigung aller Umstände unter besonderer Berücksichtigung der Belange sowohl des Bedrohten als auch des Drohenden ist. Maßgeblich ist, ob ein verständiger Arbeitgeber eine Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen würde. Die Drohung mit einer Strafanzeige zum Zwecke des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages ist jedenfalls dann nicht widerrechtlich, wenn die zur Anzeige zu bringende Straftat zugleich eine Vertragspflichtverletzung von solchem Gewicht darstellt, dass ein verständiger Arbeitgeber eine den Regelungen des Aufhebungsvertrages in etwa entsprechende Kündigung ernsthaft in Betracht ziehen durfte.(Rn.62)

7. Die Einwilligung zum Abschluss eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrages kann nicht gemäß § 355 BGB widerrufen werden.(Rn.72)

8. Formularmäßige Abreden, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen, sind aus Gründen der Vertragsfreiheit gemäß § 307 Abs. 3 S 1 BGB regelmäßig von der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S 1 BGB ausgenommen. Darum unterliegt in einem Aufhebungsvertrag die Beendigungsvereinbarung als solche ebenso wenig einer Angemessenheitskontrolle wie eine Abfindung, die als Gegenleistung für die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses etwaig gezahlt wird.(Rn.74)

9. Das Gebot fairen Verhandelns verpflichtet den Arbeitgeber nicht, eine für den Vertragspartner besonders angenehme Verhandlungssituation zu schaffen. Eine Verhandlungssituation ist dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Die Nutzung eines Überraschungsmoments (Überrumpelung) kann die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen.(Rn.78)

10. Wird dem Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit eröffnet, einen Rechtsbeistand zum Gespräch über die Verhandlung eines Aufhebungsvertrages hinzuzuziehen oder zu konsultieren, liegt darin kein Verstoß gegen die Grundsätze des fairen Verhandelns.(Rn.86) Soweit vertreten wird, dem Arbeitnehmer stehe das Recht zu, einen Rechtsanwalt zum Anhörungsgespräch im Vorfeld einer Verdachtskündigung hinzuzuziehen, ist dies den Besonderheiten der Verdachtskündigung geschuldet und lässt sich auf die Verhandlung über einen Aufhebungsvertrag nicht übertragen.(Rn.87)

11. Der Arbeitnehmer wird beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages unter Verstoß des Gebots des fairen Verhandelns überrumpelt, wenn das Gespräch nicht in seinem privaten Umfeld, sondern während der Arbeitszeit im Betrieb des Arbeitgebers geführt wird. Der Arbeitnehmer muss damit rechnen, dass er während der Arbeit auf Änderungs- oder Aufhebungsverträge angesprochen wird. Die besondere Ankündigung eines solchen Gesprächs ist nicht erforderlich.(Rn.89)(Rn.90)

III.
Aufhebungsvertrag - Anfechtung - Drohung mit Kündigung - Drohung mit Strafanzeige - Gebot fairen Verhandelns
Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 17. Mai 2021, Az. 18 Sa 1124/20

Der Arbeitgeber verstößt nicht gegen das Gebot fairen Verhandelns beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages, wenn er einen Rechtsanwalt zu den Vertragsverhandlungen hinzuzieht, einen Aufhebungsvertrag vorlegt, der nur sofort abgeschlossen werden kann und dies mit der - im Streitfall nicht widerrechtlichen - Drohung verbindet, er werde eine fristlose Kündigung aussprechen und Strafanzeige erstatten.(Rn.80)

1. Die Drohung des Arbeitgebers, er werde, falls der Arbeitnehmer sich nicht mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages einverstanden erklärt, das Arbeitsverhältnis fristlos aufkündigen, ist rechtswidrig, wenn eine Inadäquanz zwischen dem eingesetzten Mittel (der angedrohten Kündigung) und dem erstrebten Zweck (dem Abschluss des Aufhebungsvertrages) besteht, so dass ein verständiger Arbeitgeber den Ausspruch einer Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Die Drohung ist dann rechtswidrig, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen muss, dass die Kündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhält, wenn also der Drohende selbst nicht an seine Berechtigung glaubt oder sein Rechtsstandpunkt nicht mehr vertretbar ist. (Rn.42)

2. Die eigenmächtige, ohne sachlichen Grund vorgenommene Veränderung/Herabsetzung von Einkaufspreisen im Warenwirtschaftssystem des Arbeitgebers stellt eine erhebliche Verletzung vertraglicher Nebenpflichten durch den Arbeitnehmer dar.(Rn.46)

3. Eine schwere Nebenpflichtverletzung rechtfertigt den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung, wenn diese die für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien zerstört.(Rn.54)(Rn.55)

4. Einer Abmahnung bedarf es nicht, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist. (Rn.56)

5. Im Rahmen der hypothetischen Prüfung, ob ein verständiger Arbeitgeber den Ausspruch einer fristlosen Kündigung in Betracht gezogen hätte, ist auch die Einhaltung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist zu berücksichtigen.(Rn.59)

6. Die Androhung einer Strafanzeige zum Zwecke der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ist nur dann als unangemessen und damit rechtswidrig anzusehen, wenn dies das Ergebnis einer Gesamtwürdigung aller Umstände unter besonderer Berücksichtigung der Belange sowohl des Bedrohten als auch des Drohenden ist. Maßgeblich ist, ob ein verständiger Arbeitgeber eine Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen würde. Die Drohung mit einer Strafanzeige zum Zwecke des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages ist jedenfalls dann nicht widerrechtlich, wenn die zur Anzeige zu bringende Straftat zugleich eine Vertragspflichtverletzung von solchem Gewicht darstellt, dass ein verständiger Arbeitgeber eine den Regelungen des Aufhebungsvertrages in etwa entsprechende Kündigung ernsthaft in Betracht ziehen durfte.(Rn.62)

7. Die Einwilligung zum Abschluss eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrages kann nicht gemäß § 355 BGB widerrufen werden.(Rn.72)

8. Formularmäßige Abreden, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen, sind aus Gründen der Vertragsfreiheit gemäß § 307 Abs 3 S 1 BGB regelmäßig von der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs 1 S 1 BGB ausgenommen. Darum unterliegt in einem Aufhebungsvertrag die Beendigungsvereinbarung als solche ebenso wenig einer Angemessenheitskontrolle wie eine Abfindung, die als Gegenleistung für die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses etwaig gezahlt wird.(Rn.74)

9. Das Gebot fairen Verhandelns verpflichtet den Arbeitgeber nicht, eine für den Vertragspartner besonders angenehme Verhandlungssituation zu schaffen. Eine Verhandlungssituation ist dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Die Nutzung eines Überraschungsmoments (Überrumpelung) kann die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen.(Rn.78)

10. Wird dem Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit eröffnet, einen Rechtsbeistand zum Gespräch über die Verhandlung eines Aufhebungsvertrages hinzuzuziehen oder zu konsultieren, liegt darin kein Verstoß gegen die Grundsätze des fairen Verhandelns.(Rn.86) Soweit vertreten wird, dem Arbeitnehmer stehe das Recht zu, einen Rechtsanwalt zum Anhörungsgespräch im Vorfeld einer Verdachtskündigung hinzuzuziehen, ist dies den Besonderheiten der Verdachtskündigung geschuldet und lässt sich auf die Verhandlung über einen Aufhebungsvertrag nicht übertragen.(Rn.87)
11. Der Arbeitnehmer wird beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages unter Verstoß des Gebots des fairen Verhandelns überrumpelt, wenn das Gespräch nicht in seinem privaten Umfeld, sondern während der Arbeitszeit im Betrieb des Arbeitgebers geführt wird. Der Arbeitnehmer muss damit rechnen, dass er während der Arbeit auf Änderungs- oder Aufhebungsverträge angesprochen wird. Die besondere Ankündigung eines solchen Gesprächs ist nicht erforderlich.(Rn.89)(Rn.90)


IV.
Anscheinsbeweis bei der Verwendung von Zahlungskarten mit PIN; Pflicht zur Sperranzeige nach Nr. 7.4 Abs. 2 der Bedingungen für die Sparkassen-Card (Debitkarte)
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 19. Mai 2021, Az. 1 W 4/21

1. Wurden bei Abhebungen mit einer Zahlungskarte an einem Automaten die Originalkarte und die PIN verwendet, dann ist ein Beweis des ersten Anscheins verfügbar, dass die Zahlung entweder vom berechtigten Karteninhaber selbst vorgenommen wurde oder dass er, wenn die Karte von einem Dritten unberechtigt genutzt wurde, diesem pflichtwidrig eine Kenntniserlangung von der PIN ermöglicht hat, insbesondere durch eine grob fahrlässig erfolgende gemeinsame Aufbewahrung der Karte mit einer Notiz der PIN. An diesen Grundsätzen ist auch unter der Geltung der Regelungen in § 675w S. 3 BGB sowie § 675w S. 4 BGB festzuhalten.

2. Die Grundsätze zur Verfügbarkeit eines Anscheinsbeweises für das Vorliegen eines Obliegenheitsverstoßes des Zahlungsdienstnutzers bei unautorisierter Nutzung von Zahlungskarten finden keine Anwendung beim Einsatz von Kreditkarten im Präsenzgeschäft ohne Verwendung einer PIN.

3. Die Begründung einer Pflicht eines Zahlungsdienstnutzers zur Abgabe einer Sperranzeige nach Nr. 7.4 Abs. 2 der Bedingungen für die Sparkassen-Card (Debitkarte) bei Vorliegen eines bloßen Verdachts, dass eine nicht autorisierte Nutzung von Debitkarte oder PIN vorliegt, ist als unzulässige Abweichung zu Lasten des Zahlungsdienstnutzers von der gesetzlichen Regel des § 675l Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam.

4. Die Schadensersatzhaftung des Kunden wegen der Verletzung von Obliegenheiten nach Nr. 20 Abs. 1 AGB-Sparkassen, insbesondere zur Mitteilung des Nichterhalts von Rechnungsabschlüssen, kann keinen Schadensersatzanspruch gegen den Zahlungsdienstnutzer wegen einer lediglich einfach fahrlässigen Ermöglichung nicht autorisierter Zahlungsvorgänge begründen.

V.
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Erbschaft - Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.06.2021, Az. L 25 AS 1720/18

1. Der wertmäßige Zuwachs mindert im Fall einer Erbschaft erst dann den Bedarf, wenn die Einnahme dem Hilfebedürftigen tatsächlich zur Deckung seines Bedarfs zur Verfügung steht. Dies ist bei der Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen einer Erbschaft regelmäßig erst mit der Auskehrung des Auseinandersetzungsguthabens der Fall. Der Hilfesuchende darf wegen seines gegenwärtigen Bedarfs nicht auf Mittel verwiesen werden, die ihm erst in der Zukunft tatsächlich zur Verfügung stehen. (Rn.30)

2. Unterlässt der Miterbe Verwertungsbemühungen, ist die Rechtsprechung des BSG vom 24.5.2017 - B 14 AS 16/16 R – juris zu § 9 Abs. 4, § 24 Abs. 5 SGB II für die Frage, ob Einkommen als bereites Mittel zur Verfügung steht, nicht ohne weiteres anwendbar. (Rn.34)

VI.
Pflichtteilsanspruch: Berücksichtigung der Grabpflegekosten als Nachlassverbindlichkeiten; Auflage des Erblassers an die Erben zur Grabpflege; Berechnung des Zusatzpflichtteils
BGH, Urteil vom 26. Mai 2021, Az. IV ZR 174/20

Grabpflegekosten sind keine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1968 BGB.(Rn.13) und daher bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen nicht zu berücksichtigen.
Leitsatz der Redaktion

2. Eine in einer letztwilligen Verfügung enthaltene Auflage des Erblassers an die Erben zur Grabpflege führt nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteilsanspruchs.(Rn.19)


VII.
Nutzungsentschädigung bei Vorenthalten Mietsache
AG Brandenburg, Urteil vom 16. Juni 2021, Az. 31 C 51/20

Im Falle einer Vorenthaltung der Mietsache durch den Mieter besteht ein Anspruch des Vermieters auf Nutzungsentschädigung in Höhe der „Marktmiete“, d.h. derjenigen Miete, die im Falle einer Neuvermietung erzielt werden kann. Die konkrete Höhe dieser „Marktmiete“ kann im Zweifel durch das Gericht auch im Wege einer Schätzung auf der Grundlage eines Zuschlags von 10 % zu den Werten des örtlichen Mietspiegels ermittelt werden (§ 546a BGB).

VIII.
Eilrechtsschutz gegen einen Haftungsbescheid; Gewerbesteuer; ernstliche Zweifel an der Höhe der gesetzlichen Zinsen; Festsetzungsverjährung; Nichtbeachtung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 10. Juni 2021, Az. 4 B 3/21

1. Die Höhe der gesetzlichen Zinsen gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO (juris: AO 1977) unterliegt im Hinblick auf den Zeitraum ab 01.04.2012 erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. (Rn.36)

2. Derjenige der gesetzlich für die Steuerschuld haftet, kann grundsätzlich durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wenn eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen worden ist und diese Pflichtverletzung kausal einen Schaden in Gestalt eines Ausfalls von Steuern oder steuerlichen Nebenleistungen verursacht hat. (Rn.41)

3. Für die Festsetzungsverjährung nach §§ 191 Abs. 3 Satz 1, 169 ff. AO (juris: AO 1977) kommt es auf den Zeitpunkt der haftungsbegründenden Pflichtverletzung an. (Rn.48)

IX.
Eilrechtsschutz gegen einen Haftungsbescheid; Gewerbesteuer; ernstliche Zweifel an der Höhe der gesetzlichen Zinsen; Festsetzungsverjährung; Nichtbeachtung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 10. Juni 2021, Az. 4 B 3/21

1. Die Höhe der gesetzlichen Zinsen gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO (juris: AO 1977) unterliegt im Hinblick auf den Zeitraum ab 01.04.2012 erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. (Rn.36)

2. Derjenige der gesetzlich für die Steuerschuld haftet, kann grundsätzlich durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wenn eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen worden ist und diese Pflichtverletzung kausal einen Schaden in Gestalt eines Ausfalls von Steuern oder steuerlichen Nebenleistungen verursacht hat. (Rn.41)

3. Für die Festsetzungsverjährung nach §§ 191 Abs. 3 Satz 1, 169 ff. AO (juris: AO 1977) kommt es auf den Zeitpunkt der haftungsbegründenden Pflichtverletzung an. (Rn.48)

4. Eine Pflichtverletzung ist für den Haftungsschaden nicht ursächlich, wenn der Haftungsschaden ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre. Der Kausalzusammenhang zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung und dem Steuerausfall fehlt, wenn der Steuerausfall mangels ausreichender Zahlungsmittel unabhängig davon eingetreten ist, ob die geschuldeten Steuerbeträge innerhalb der gesetzlichen hierfür bestimmten Fristen entrichtet worden sind. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Steuerpflichtige noch über ausreichende Mittel verfügt, um nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung zumindest einen Teil der Steuerschuld zu begleichen. Nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung besteht der Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nur in dem Umfang (Quote), in dem zur Begleichung der Steuerschulden insgesamt ausreichende Mittel zur Verfügung stehen und eine Benachteiligung gegenüber anderen Gläubigern eingetreten ist. Zur Berechnung der Quote ist auf eine Zusammenstellung über die Zu- und Abgänge während des gesamten Haftungszeitraumes sowie die Angabe der Gesamtverbindlichkeiten am des Ende des Haftungszeitraumes abzustellen, wobei es zu den Mitwirkungspflichten des Antragstellers zählt, die erforderlichen Angaben zu machen. Aufklärungsmängel gehen zu seinen Lasten.(Rn.62)


X.
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und Geldentschädigung
OLG Frankfurt, Urteil vom 19. Mai 2021, Az. 13 U 318/19

Die zu reinen werbe- bzw. kommerziellen Zwecken nicht anlassbedingte - wenn auch nur kurze - und nicht nach § 23 KUG gerechtfertigte Bildaufnahme eines Polizeibeamten im Dienst verletzt dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht nach Art. 1, 2 GG und rechtfertigt eine Geldentschädigung

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