10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten
zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Verjährung bei Bauhandwerkersicherung
BGH, Urteil vom 25.03.2021, Az. VII ZR 94/20
Die Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB i.d.F. vom 23. Oktober 2008 [jetzt § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB] beginnt nicht vor dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit.
II.
Pfändung von Corona-Soforthilfe
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. März 2021, Az. VII ZB 24/20
a) Bei der Corona-Soforthilfe (Bundesprogramm "Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbständige" und ergänzendes Landesprogramm "NRW-Sofort-hilfe 2020") handelt es sich um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbare Forderung.
b) Im Hinblick auf die Verwirklichung der mit dieser Soforthilfe verbundenen Zweck-bindung ist in Höhe des bewilligten und auf einem Pfändungsschutzkonto des Schuldners gutgeschriebenen Betrags der Pfändungsfreibetrag in entsprechender Anwendung des §850k Abs. 4 ZPO zu erhöhen
III.
Werbung mit Testsiegel
BGH, Urteil vom 15.04.2021, Az. I ZR 134/20
a) Das Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, eine Werbung mit einem Testergebnis für eine informierte geschäftliche Entscheidung prüfen und insbesondere in den Gesamtzusammenhang des Tests einordnen zu können, hängt nicht von der Intensität der Bewerbung des Testergebnisses, sondern allein davon ab, ob das Testergebnis in der Werbung erkennbar ist.
b) Für eine zulässige Werbung mit einem Testsiegel ist es erforderlich, dass eine Fundstelle des Tests deutlich erkennbar angegeben wird, die leicht zugänglich ist und eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Test erlaubt, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine einfache Möglichkeit zu eröffnen, den Test selbst zur Kenntnis zu nehmen.
IV.
Betriebsrisiko - Annahmeverzug - Pandemie - Betriebsschließung - Tanzclub - Corona-Verordnung
Arbeitsgericht Mannheim, Urteil vom 25.3.2021, Az. 8 Ca 409/20
Durch die aufgrund des Infektionsschutzgesetzes mittels „Corona-Verordnung“ angeordnete Schließung eines Tanzclubs (hier mit einer Tanzfläche von nur 20 qm und einem Gastraum von nur 48 qm) realisiert sich gerade das aufgrund dieses Geschäftsmodells bestehende besondere Infektionsrisiko - und damit das Betriebsrisiko i.S.d. § 615 S. 3 BGB -, denn Sinn und Zweck der Schließungsanordnung besteht in der Verhinderung sozialer Kontakte in Betrieben mit möglichst engem Kundenkontakt.
Damit haben im Regelfall betroffene Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn (Leitsatz der Redaktion)
V.
Urlaubsanspruch – Kurzarbeit
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2021, Az. 6 Sa 824/20
Für Zeiträume, in denen Arbeitnehmer aufgrund konjunktureller Kurzarbeit "Null" keine Arbeitspflicht haben, ist der jährliche Urlaubsanspruch anteilig zu kürzen.
VI.
Vorsorgevollmacht und Rechnungslegungspflicht eines Sohnes
OLG Braunschweig, Urteil vom 28. April 2021, Az. 9 U 24/20
1. Das eine Rechnungslegungspflicht auslösende Auftragsverhältnis kann nicht schon aus einer bloßen Bevollmächtigung also solcher abgeleitet werden. Sie betrifft regelmäßig nur das rechtliche Dürfen nach außen. Erforderlich ist die Einigung darüber, dass jemand für einen anderen in dessen Angelegenheiten tätig wird und pflichtgemäß tätig werden muss.
2. Der Grundsatz, wonach Ehegatten regelmäßig kein Auftragsverhältnis untereinander begründen, gilt wegen des die Ehe prägenden besonderen Vertrauensverhältnisses nicht pauschal für andere Angehörigenbeziehungen. Daraus folgt für das Verhältnis der Mutter zu dem von ihr bevollmächtigten Sohn indes auch nicht umgekehrt bereits „automatisch“ ein Auftragsverhältnis (nebst Rechnungslegungspflicht). Entscheidend sind vielmehr alle Umstände des Einzelfalles.
3. Einigt sich eine Mutter mit ihrem erwachsenen, mit ihr nicht im selben Haushalt lebenden Sohn darauf, dass, falls sie irgendwann durch Krankheit oder Behinderung vorübergehend oder dauerhaft selbst nicht mehr dazu in der Lage sein sollte, ihre rechtlichen Angelegenheiten zu regeln und ihren Willen zu äußern, der Sohn sich um die Regelung ihrer rechtlichen Angelegenheiten kümmern soll, und wird ihm im Zusammenhang mit dieser Einigung von der Mutter eine ausdrücklich nur unter denselben Voraussetzungen geltende Vorsorgevollmacht erteilt, ist regelmäßig von einem zum Eintritt der entsprechenden Hilfsbedürftigkeit der Mutter wirksam werdenden Auftragsverhältnis auszugehen; ein solches Auftragsverhältnis verpflichtet den Sohn in der Regel dann auch zur Rechnungslegung.
4. Soweit ein auf die Erben einer Vollmachtgeberin übergegangener Rechnungslegungsanspruch nicht besteht, lässt das etwaige Auskunfts- und Zahlungsansprüche der Erbengemeinschaft gegen den Bevollmächtigten unberührt.
VII.
Schadensersatzanspruch gegen Versicherung
OLG Nürnberg, Beschluss vom 10. Mai 2021, Az. 8 U 3174/20
1. Ein Wohnungseigentümer kann gegenüber dem Wohngebäudeversicherer wegen pflichtwidrig verzögerter Regulierung eines Leitungswasserschadens Ersatz nach §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1, 252 BGB in Gestalt entgangener Mieteinnahmen verlangen.
2. Den Wohnungseigentümer kann im Einzelfall nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB die Obliegenheit treffen, die sein Sondereigentum betreffenden Schäden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen, um die Wohnung mit zumutbarem Aufwand wieder in einen vermietbaren Zustand zu versetzen. Bei Verletzung dieser Obliegenheit ist der zu ersetzende Mietausfallschaden zeitlich zu begrenzen.
VIII.
Versicherungsfall und Versicherungsschutz nach den Bedingungen der Betriebsschließungsvereinbarung bei einer Betriebsschließung aufgrund der in Folge der Corona-Pandemie ergangenen Verordnungen
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 10. Mai 2021, Az. 16 U 25/21
1. Bei einer Betriebsschließung aufgrund der in Folge der Corona-Pandemie ergangenen Verordnungen liegt kein Versicherungsfall im Sinne der den Musterbedingungen entsprechenden Bedingungen der Betriebsschließungsversicherung vor. Es fehlt an einer einzelfallbezogenen Maßnahme zur Bekämpfung einer aus dem konkreten Betrieb erwachsenden Infektionsgefahr (intrinsische/endogene Gefahr).
2. Verspricht eine Betriebsschließungsversicherung Deckungsschutz für „die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“, ohne dass Covid-19 und SARS-CoV-2 (auch nicht sinngemäß) genannt sind, besteht kein Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen wegen des neuartigen Corona-Virus.
IX.
Betriebsschließungsversicherung
OLG Oldenburg, Urteil vom 06. Mai 2021, Az. 1 U 10/21
1. Definieren die Bedingungen einer Betriebsschließungsversicherung meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger, welche unter bestimmten weiteren Voraussetzungen einen Entschädigungsanspruch begründen können, als
„die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger“,
so sind Betriebsschließungen infolge der Krankheit COVID-19 beziehungs-weise des Krankheitserregers SARS-CoV-2 grundsätzlich nicht vom Versicherungsschutz umfasst, wenn sich an die zitierte Klausel eine Auflistung einzelner Krankheiten und Krankheitserreger anschließt, in der weder COVID-19 noch SARS-CoV-2 genannt sind.
2. Da das Ergebnis der objektiven Auslegung insoweit eindeutig ist, gelangt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nicht zur Anwendung. Ebenso wenig bestehen unter dem Gesichtspunkt des § 307 BGB durchgreifende Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel.
X.
Stiftungsrecht
BGH, Urteil vom 15. April 2021, Az. III ZR 139/20
1. Die Auslegung eines vor Abschluss des Gesellschaftsvertrags von den Gründern eingegangenen Rechtsgeschäfts kann ergeben, dass ausschließlich die erst zu gründende, noch nicht existierende GmbH berechtigt und verpflichtet werden soll. In diesem Fall ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts unter der aufschiebenden Bedingung der Entstehung der GmbH steht. Ein solches Rechtsgeschäft ist nach § 177 BGB genehmigungsbedürftig (Anschluss an und Fortentwicklung von BGH, Urteile vom 20. Juni 1983 - II ZR 200/82, NJW 1983, 2822; vom 7. Mai 1984 - II ZR 276/83, BGHZ 91, 148, 153; vom 13. Januar 1992 - II ZR 63/91, GmbHR 1992, 164 und vom 7. Februar 1996 - IV ZR 335/94, WM 1996, 722, 723).
2. Die Vertretungsmacht des Vorstands einer Stiftung ist gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 86 Satz 1 BGB umfassend und unbeschränkt, soweit sie nicht nach § 26 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 86 Satz 1 BGB durch die Satzung beschränkt wird. Einer generellen Einschränkung durch den Stiftungszweck unterliegt sie nicht (Aufgabe von BGH, Urteile vom 30. März 1953 - IV ZR 176/52, GRUR 1953, 446 und vom 16. Januar 1957 - IV ZR 221/56, LM Nr. 1 zu § 85 BGB).
3. Eine die Vertretungsmacht des Stiftungsvorstands einschränkende Satzungsbestimmung wirkt gegenüber Dritten nur, wenn sie auch den Umfang der Beschränkung klar und eindeutig regelt. Einer näheren Konkretisierung des Kriteriums der steuerrechtlichen "Gemeinnützigkeit" bedarf es dabei grundsätzlich nicht.
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Michael Henn
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