Rechtsberatung durch Architekten: noch zulässige Nebenleistung oder schon Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz?
(Kiel) Eine sowohl prozessual, als materiell-rechtlich sehr interessante Entscheidung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Zusammenhang mit der Reichweite erlaubter Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit Beratungsleistungen einer Architektin.
Der BGH entschied, dass die Vertretung der Grundstückseigentümer in einem Widerspruchsverfahren gegen die abschlägige Bescheidung einer Bauvoranfrage und die Geltendmachung von mit dem Widerspruchsverfahren zusammenhängenden Kostenerstattungsansprüchen durch eine Architektin keine nach §§ 3, 5 Abs. 1 RDG erlaubten Rechtsdienstleistungen darstelle, die als Nebenleistungen zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Architektin gehört.
Darauf verweist die Frankfurter Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht Helene – Monika Filiz, Präsidentin des VBMI - VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. mit Sitz in Kiel unter Hinweis auf eine Entscheidung des BGH, Urteil v. 11.02.2021 – IZ 227/19.
Folgender Sachverhalt lag dem BGH zur Entscheidungsfindung vor:
Die Klägerin ist die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk K. . Ihr obliegt unter anderem die Wahrnehmung der beruflichen Interessen ihrer Mitglieder. Die Beklagte ist Architektin. Sie ist weder als Rechtsanwältin zugelassen noch wurde ihr auf sonstige Weise das Recht eingeräumt, außergerichtlich Rechtsdienstleistungen zu erbringen.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2015 stellte die Beklagte bei der Stadt L. im Auftrag der Grundstückseigentümer eine Bauvoranfrage hinsichtlich des Grundstücks G. . Hierfür erhielt sie von den Grundstückseigentümern ein Bearbeitungsentgelt in Höhe von 500 €. Nachdem die Stadt L. die Bauvoranfrage negativ beschieden hatte, legte die Beklagte hiergegen mit Schreiben vom 2. März 2015 "namens der Grundstückseigentümer" Widerspruch ein, der zurückgewiesen wurde. Anschließend machte die Beklagte mit Schreiben vom 5. August 2016 gegenüber der Stadt L. unter anderem Kostenerstattungsansprüche für das Widerspruchsverfahren geltend.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 29. Oktober 2018 mahnte die RAK die Beklagte erfolglos wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz ab.
Zwar wies der BGH darauf hin, dass der Unterlassungsantrag der RAK nicht hinreichend bestimmt und mithin demnach unzulässig sei. Insoweit müsse – bei dem erstmaligen Auftreten derartiger Mängel des Klageantrags in der Revisionsinstanz, dem Grundsatz des Vertrauensschutzes einerseits sowie der Anspruch der Parteien auf ein faires Gerichtsverfahren andererseits, bedingen, dass von einer Abweisung als unzulässig abzusehen ist.
Der BGH wies allerdings für das weitere Verfahren auf das Folgende hin:
Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte spürbar gegen die Marktverhaltensregelung des § 3 RDG verstoßen hat, indem sie außergerichtliche Rechtsdienstleistungen erbracht hat, die weder nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz noch durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt sind. Die beanstandeten Tätigkeiten der Beklagten, nämlich die Vertretung der Grundstückseigentümer im Widerspruchsverfahren gegen die negative Bescheidung der Bauvoranfrage und die Geltendmachung entsprechender Kostenerstattungsansprüche, sind als Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 2 RDG zu bewerten, die gemäß § 3 RDG der Erlaubnis bedürfen. Es handele sich bei den Tätigkeiten der Beklagten um die Prüfung individueller, einzelfallbezogener Ansprüche, die zudem auch in konkreten fremden Angelegenheiten erfolgt seien.
Entsprechend konkrete Regelungen, die eine Befugnis der Architektin zur rechtlichen Vertretung der Grundstückseigentümer im Widerspruchsverfahren oder zur Geltendmachung von damit im Zusammenhang stehenden Kostenerstattungsansprüchen enthalten, seien weder nach dem einschlägigen Landes-Architektengesetz (§ 1 Abs. 5 Satz 1 und 2 Architektengesetz Rheinland-Pfalz) noch aus der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure entnehmen, die Rechtsdienstleistungen gestatten. Die innerhalb der jeweiligen Leistungsphasen zu erbringenden Leistungen (§ 34 Abs. 4 HOAI in Verbindung mit Anlage 10 Nr. 10.1) können lediglich bei der Frage Bedeutung erlangen, ob die Rechtsdienstleistungen nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt sind, weil sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Architektin gehören.
Auch aus den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs folge keine derartige Befugnis. Weder § 631 Abs. 1 BGB, noch aus § 650p BGB, der den Architekten verpflichtet, "die Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Planung und Ausführung des Bauwerks oder der Außenanlage erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen", enthalten die für ein Gesetz im Sinne von § 1 Abs. 3, § 3 RDG erforderliche hinreichend deutliche Erlaubnis zur Erbringung einer Rechtsdienstleistung.
Die Tätigkeiten der Beklagten seien auch keine erlaubten Nebenleistungen im Sinne von § 3 Fall 1, § 5 Abs. 1 RDG.
Erlaubt ist die Tätigkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG nur, wenn sie zum Berufs- oder Tätigkeitsbild desjenigen gehört, der die Rechtsdienstleistung erbringt, und wenn sie eine Nebenleistung zu einer Haupttätigkeit ist (BGH, GRUR 2011, 539 Rn. 34 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker). Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind (§ 5 Abs. 1 Satz 2 RDG). Der Schwerpunkt der Tätigkeit muss - soweit es sich nicht um Dienstleistungen von Angehörigen steuerberatender Berufe oder nach § 10 RDG registrierter Personen handelt - stets auf nichtrechtlichem Gebiet liegen (BGH, GRUR 2012, 405 Rn. 23 - Kreditkontrolle; vgl. auch BT-Drucks. 16/3655, S. 52).
Die Abgrenzungsfrage, ob erlaubte Nebendienstleistung oder Verstoß gegen das RDL stellt nicht nur in diesem Zusammenhang eine – möglicherweise die Existenz bedrohende – Fragestellung dar. Auch ansonsten wird im Immobilienbereich, beispielsweise im Bereich der Hausverwaltung oder in der Maklerei die Grenze nicht selten überschritten. Dass die eigene Berufshaftpflichtversicherung derartige rechtliche Grenzüberschreitungen sanktioniert, indem eine entsprechende Deckungszusage nicht erteilt werden wird, stellt nur ein weiteres Kriterium für die entsprechenden Dienstleister dar, welches aufmerksam machen sollte.
Filiz empfahl, dies zu beachten und bei Fragen zum Baurecht auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei sie in diesem Zusammenhang u. a. auch auf den VBMI - VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. - www.VBMI-Anwaltsverband.de - verwies.
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