10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten
zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Hinweis auf Wegfall des Eigenbedarfs
BGH, Urteil vom 09.12.2020, Az. VIII ZR 238/18
a) Hat der Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs ( § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ) gekündigt, hat er - zur Vermeidung eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens - den Mieter auf einen späteren Wegfall des Eigenbedarfs bis zum Ablauf der Kündigungsfrist hinzuweisen Dieser Zeitpunkt ist für das Bestehen einer Hinweispflicht grundsätzlich auch dann maßgebend, wenn die Parteien in einem (gerichtlichen) Räumungsvergleich einen späteren Auszugstermin des Mieters vereinbaren.
b) Der ersatzfähige (Kündigungsfolge-)Schaden eines Mieters nach einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter umfasst nicht die zum Zwecke des Eigentumserwerbs einer Wohnung angefallenen Maklerkosten .
II.
Wahrung der Schriftform durch Unterschrift des Gesellschafters
BGH, Urteil vom 06.11.2020, Az: LwZR 5/19
1.Ist im Rubrum eines für längere Zeit als zwei Jahre abgeschlossenen Landpachtvertrags als Vertragspartei eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ohne Angabe zu den Vertretungsverhältnissen aufgeführt und unterzeichnet für diese ein Gesellschafter ohne einen die alleinige Vertretung der Gesellschaft anzeigenden Zusatz wie etwa einen Firmenstempel, ist die in § 585a BGB vorgesehene Schriftform nicht gewahrt.
2.Der Vertrag kann daher unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfristen gekündigt werden
III.
Abstellen von Mietfahrrädern im öffentlichen Straßenraum (ohne Sondernutzungserlaubnis) unzulässig
Oberverwaltungsgericht Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.11.2020, Az. 11 B 1459/20
1. Die Nutzung der öffentlichen Straße durch Abstellen von Mietfahrrädern ("Call a Bike") ist Sondernutzung.
2. Das Abstellen von Mietfahrrädern dient nicht vorwiegend dem Zweck der späteren Wiederinbetriebnahme der Fahrräder, im Vordergrund steht vielmehr der mit dem abgestellten Mietfahrrad verfolgte Zweck, den Abschluss eines Mietvertrags zu bewirken.
3. Eine solche Nutzung unterscheidet sich nicht von sonstigem Straßenhandel, also dem Anbieten von Waren und Leistungen im öffentlichen Straßenraum, der regelmäßig als Sondernutzung zu qualifizieren ist.
IV.
Mietminderung wg. Coronabschränkungen
LG München I, Urteil vom 25. Januar 2021– 31 O 7743/20
1. Die in den Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen (BayIfSMV) aufgrund der Corona-Pandemie geregelten Beschränkungen für Hotelbetriebe begründen weder einen zur Minderung berechtigenden Mangel der Mietsache noch einen Fall der Unmöglichkeit, führen aber zu einer Störung der Geschäftsgrundlage.
2. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Höhe der zu zahlenden Miete im Rahmen der Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB herabzusetzen ist, bedarf neben dem Rückgriff auf allgemeine Wertungen zur Risikoverteilung zusätzlich einer konkreten Begründung anhand der Umstände des Einzelfalls; Art. 240 § 2 EGBGB entfaltet diesbezüglich keine Sperrwirkung.
V.
Kündigungsfrist bei Automatenaufstellvertrag
BGH, Urteil vom 07.10.2020, Az. XII ZR 145/19
a) Ob eine formularmäßige Vertragsklausel zur Mindestlaufzeit eines Automatenaufstellvertrags den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt, ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen, die alle Umstände des Einzelfalls und insbesondere das Wechselspiel mit anderen Vertragsklauseln und sonstigen Umständen berücksichtigt, wie etwa die gleichzeitige Gewährung eines Darlehens oder von Zuschüssen an den Gastwirt und die Ausgestaltung der Beteiligung des Gastwirts am Einspielerlös (im Anschluss an BGH Urteile vom 29. Februar 1984 - VIII ZR 350/82 - NJW 1985, 53 und vom 6. Oktober 1982 - VIII ZR 201/81 - NJW 1983, 159).
b) Die Kündigungsfrist eines auf unbestimmte Zeit geschlossenen Automatenaufstellvertrags richtet sich nach § 580 a Abs. 1 BGB
VI.
Akteneinsicht für Kommanditisten
BGH, Beschluss vom 15.10.2020, Az. IX AR(VZ) 2/19
a) Dem Kommanditisten kann Einsicht in die Akten des Insolvenzeröffnungsverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft nur gewährt werden, wenn er ein rechtliches Interesse hieran glaubhaft macht.
b) Stützt der Kommanditist sein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht auf eine mögliche Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter nach § 171 Abs. 2, § 172 Abs. 4 HGB, so genügt es, wenn er darlegt und glaubhaft macht, dass er entweder eine Einlage nicht vollständig erbracht oder Ausschüttungen von der Gesellschaft erhalten hat
VII.
Klausel über Arbeitnehmervermittlungshonorar
BGH, Urteil vom 05.11.2020, Az. III ZR 156/19
Eine in einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag enthaltene Vermittlungshonorarklausel ist wirksam, wenn das Honorar maximal zwei Bruttomonatsgehälter beträgt und sich entsprechend der Dauer der erfolgten Arbeitnehmerüberlassung für jeden vollen Monat um ein Zwölftel reduziert. Daran ändert nichts, dass zunächst der Verleiher das Arbeitsverhältnis mit dem Leiharbeitnehmer durch Kündigung beendet und dieser anschließend ein Arbeitsverhältnis mit dem (vormaligen) Entleiher begründet
VIII.
Außerordentliche Kündigung - Abmahnung - Verschleierung eines Vertragspflichtverstoßes - Unpünktlichkeit
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 03. Dezember 2020, Az. 6 Sa 494/20
Eine vom Arbeitgeber berechtigterweise ausgesprochene Abmahnung ist nicht geeignet, die Verschleierung des nächsten Vertragspflichtverstoßes zu rechtfertigen.
Die Tatsache, dass die vom Kläger falsch aufgeschriebene Arbeitszeit nur wenige Minuten von der real geleisteten Arbeitszeit abweicht, lässt den Vertragspflichtverstoß der Verschleierung des Fehlverhaltens nicht in einem milderen Licht erscheinen. Denn bei der Frage der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung geht es nicht um eine repressive Strafzumessung oder Sanktion für begangenes Unrecht in der Vergangenheit, sondern um die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses sowie um die Abwägung von Interessen im Zusammenhang mit der Frage, ob der Arbeitgeberin die Fortsetzung des Dauerschuldverhältnisses für die Zukunft zumutbar ist
IX.
Karenzentschädigung - Kommanditanteile - variable Entgeltbestandteile - vertragsmäßige Leistung
LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02. Dezember 2020 – 15 Sa 964/20
Variable Entgeltbestandteile sind bei der Bemessung der Karenzentschädigung nur dann zu berücksichtigen, wenn sie zu den zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen gemäß § 74 Abs. 2 HGB zu zählen sind. Dies ist nicht der Fall, wenn der Leistungszeitraum für diese Vergütungsbestandteile schon zuvor endete.
1.Nach § 74 Abs 2 HGB ist als Karenzentschädigung mindestens die Hälfte der von dem Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zu zahlen. Als vertragsgemäß im Sinne dieser Norm ist eine Leistung anzusehen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrages beruht und als Vergütung für die geleistete Arbeit erbracht wird. Hierzu zählen auch Jahresvergütungen, Gratifikationen, zusätzliche Urlaubsgelder, Tantiemen und ähnliche Sonderzuwendungen, selbst wenn sie der Arbeitgeber unter Ausschluss eines Rechtsanspruchs als freiwillige Leistung gewährt hat
2.Entscheidend ist, was der Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung zu dem maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich erhalten hat bzw. hätte erhalten müssen, auch wenn der Anspruch später fällig wird oder die Auszahlung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Unerheblich ist, was der Arbeitnehmer im selben Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt verdient hat. Maßgeblich ist allein, wie hoch der Verdienst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses war.
X.
Vorsicht bei Ausschlagung der Erbschaft
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.12.2020, Az. 3 Wx 13/20
Der potentielle gesetzliche Erbe, der die Erbschaft ohne Angabe von Gründen ausschlägt und sodann mit Blick auf die inzwischen festgestellte Werthaltigkeit des Nachlasses seine Ausschlagungserklärung anficht, weil er irrtümlich von einem überschuldeten Nachlass ausgegangen sei, macht nicht den Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft (Erbschaft), sondern einen bloßen unbeachtlichen Motivirrtum geltend, da er seine Ausschlagungserklärung ohne Kenntnis von der Zusammensetzung des Nachlasses und ohne Bewertung ihm etwa bekannter oder zugänglicher Fakten, nämlich auf spekulativer - bewusst ungesicherter - Grundlage abgegeben hat .
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Michael Henn
Rechtsanwalt
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