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Michael Fuhlrott
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Crowdworker können Arbeitnehmer sein

Bundesarbeitsgericht entscheidet über moderne Arbeitsformen
(Stuttgart) Mit Urteil vom 1.12.2020 hat das Bundesarbeitsgericht den Arbeitnehmerstatus eines Crowdworkers bejaht.


Die aktuelle Entscheidung ordnet der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott ein.

Wer über eine Internetplattform angebotene, oft kleinteilige Arbeitsaufträge erledigt, wird als sogenannter Crowdworker beschäftigt. Nach einer Studie der Europäischen Kommission sollen bereits rund 5 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland auf diese Weise nebenberuflich tätig sein und sich so einen Zuverdienst sichern. Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr (Urt. v. 1.12.2020, Az.: 9 AZR 102/20 = Pressemitteilung BAG Nr. 43/20) entschieden, dass Crowdworker Arbeitnehmer sein können und damit den Schutz des Arbeitsrechts genießen.

- Was sind Crowdworker?

Das moderne Pendant zu dem klassischen Solo-Selbständigen, der als Subunternehmer ohne eigene Mitarbeiter Pakete ausliefert, ist in Zeiten moderner Arbeitsformen der so-genannte Crowdworker, der über eine Internetplattform vermittelte Aufgaben und Projekte bearbeitet. Oftmals handelt es sich dabei um Aufgaben von geringer Komplexität wie zum Beispiel Preisvergleiche, Adressrecherchen oder Testen von Apps. „Der Crowdworker ist dabei regelmäßig über eine Rahmenvereinbarung mit einer Internetplattform vertraglich verbunden. Dort kann er sich mittels App um Einzelaufträge bewerben. Be-kommt er einen Auftrag auf seine Bewerbung hin zugeteilt, muss dieser binnen kurzer Zeit erledigt werden. Nach erfolgreicher Bearbeitung wird eine Vergütung auf dem Nutzerkonto gutgeschrieben, die später ausgezahlt werden kann“, erläutert Prof. Dr. Michael Fuhlrott die Ausgestaltung derartiger Regelungen.

- Keine Arbeitnehmerrechte für Selbstständige

Eigene vertragliche Bindungen mit den eigentlichen Auftraggebern, also den Kunden der Vermittlungsplattform, hat der Crowdworker dabei zumeist nicht. Es besteht weiterhin keine Pflicht, in einem bestimmten Umfang tätig zu werden. Der Crowdworker kann daher auswählen, wann und ob er Aufträge annimmt. Danach soll der Crowdworker als Selbständiger tätig sein. „Der Schutz des Arbeitsrechts, insbesondere Kündigungsschutz, bezahlter Urlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall standen dem Crowdworker bislang damit nicht zu“, so Fuhlrott.

Damit der Schutz des Arbeitsrechts greift, muss das Beschäftigungsverhältnis als Arbeitsverhältnis qualifiziert werden. „Für Arbeitnehmer prägend ist insbesondere die persönliche Abhängigkeit, die sich durch eine Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die betrieblichen Abläufe und Organisation kennzeichnet“, erklärt der Arbeitsrechtler, der auch als Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius lehrt.

- Bundesarbeitsgericht: Ausreichende persönliche Abhängigkeit
Eine solche Eingliederung sah das Bundesarbeitsgericht in seiner aktuellen Entscheidung (Urt. v. 1.12.2020, Az.: 9 AZR 102/20) im Ergebnis als gegeben an und bejahte den Arbeitnehmerstatus eines Crowdworkers.

Dieser hatte sich zuvor auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses berufen. Er machte dabei geltend, dass durch die faktische Eingliederung und den Druck zum Tätigwerden, der durch die Einbindung in das Netzwerk entstehe, eine Weisungsgebundenheit gegeben sei. Mit dieser Argumentation war der Crowdworker indes noch vor den Vorinstanzen (ArbG München, Urt. v. 20.2.2019 – 19 Ca 6915/18 und LAG München, Urt. v. 4.12.2019 – 8 Sa 146/19) erfolglos, die dessen Kündigungsschutzklage abgewiesen hatten. Das Bundesarbeitsgericht sah aber nunmehr im Rahmen einer Gesamtbetrachtung eine ausreichende persönliche Abhängigkeit und entschied zu Gunsten des klagenden Crowdworkers. Der klagende Crowdworker habe in arbeitnehmertypischer Weise weisungsgebundene und fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet.

- Folgen für Crowdworking-Plattformen?

"Crowdworking-Plattformen werden damit ihr bisheriges Geschäftsmodell so nicht fortsetzen können", denkt Fuhlrott. „Enge Bindungen, die dem Crowdworker detaillierte Vorgaben zur Aufgabenerfüllung machen, werden künftig äußerst kritisch beurteilt werden. „Bei Annahme eines Arbeitsverhältnisses im Nachhinein stehen dem Crowdworker nicht nur Rechte wie Kündigungsschutz, Urlaub und betriebliche Mitbestimmung zu, insbesondere muss der Arbeitgeber auch im Nachhinein noch Sozialabgaben nachentrichten“, so der Professor und Fachanwalt für Arbeitsrecht.

- Gesetzgeber kündigt Tätigwerden an

Das Bundesarbeitsministerium hat zudem am 27.11.2020 – noch vor dem aktuellen Urteil - ein neues Eckpunktepapier zu „Fairer Arbeit in der Plattformökonomie“ veröffentlicht, das den Schutz von Crowdworkern stärken soll. Hiernach sollen diese unter anderem in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden, Zugang zur Unfallversicherung haben, bestimmte Mindestkündigungsfristen geschaffen werden oder eine Beweisverlagerung bei Prozessen zur Klärung des Arbeitnehmerstatus eingeführt werden. „Die Sache ist also bereits auf der politischen Agenda, auch wenn durch die aktuelle Entscheidung der Druck zum Tätigwerden vielleicht etwas abnehmen wird“, so Fuhlrott

Fuhlrott empfiehlt bei der Gestaltung derartiger Beschäftigungsverhältnisse oder bei Unklarheiten zum Arbeitnehmerstatus Rechtsrat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verweist.
Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
Prof. Dr. Michael Fuhlrott
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Professor an der Hochschule Fresenius

FHM Rechtsanwälte
Rothenbaumchaussee 5
20148 Hamburg
Tel.: 040 – 36 111 83 0
Fax: 040 – 36 111 83 33
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