Vererbt – verjährt – vergessen? Im Erbrecht drei- bis dreißigjährige Fristen beachten
ein Artikel von Rechtsanwalt und Notar Dr. Dieter Riemer, Bremerhaven
Anna Aschenbrödels Mutter starb bei Annas Geburt am 30. November 1989. Ihr Vater heiratete kurz darauf wieder, auch um jemand für Anna zu haben. Ihre Stiefmutter kümmerte sich nach der Geburt ihres eigenen Sohnes kaum noch um Anna. Am 1. Dezember 2010 - einen Tag, nachdem Anna 21 Jahre alt geworden war - verstarb ihr Vater. Die Stiefmutter war testamentarisch seine Alleinerbin und warf Anna Heiligabend aus dem Haus, welches ihr Vater bei ihrer Geburt von ihrer Mutter geerbt hatte. Kann Anna heute noch etwas gegen dieses Unrecht unternehmen?
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. Sie beginnt jedoch erst nach Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Berechtigte die Umstände einschließlich der Person des Verpflichteten kennt oder aber grob fahrlässig nicht kennt.
Als enterbte Tochter hat Anna Aschenbrödel beim Tod ihres Vaters gegen die böse Stiefmutter einen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils. Bei einem Halbbruder steht ihr im Regelfall 1/8 des väterlichen Nachlasses als Pflichtteil zu. Hatte der Vater während der 20 Jahre seiner Ehe mit der Stiefmutter dieser Geschenke gemacht, die über die üblichen Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke hinausgingen, kann Anna von jedem Geschenk 1/8 seines Wertes als Pflichtteilsergänzungsanspruch verlangen. Bei Schenkungen an den Halbbruder sind nur die der letzten zehn Jahre zu berücksichtigen, wobei für jedes vergangene Jahr vom Wert des Geschenks 10 % unberücksichtigt bleiben.
Da Anna Aschenbrödel spätestens Heiligabend 2010 von dem Testament ihres Vaters erfuhr, begann die Verjährung dieser Ansprüche am 1. Januar 2011 zu laufen und wird am 31. Dezember 2013 enden. Bis dahin muss sie ihre Ansprüche geltend gemacht haben. Wenn die Stiefmutter auf stur schaltet, mit Hilfe eines Mahnbescheides oder einer Klage.
Anna Aschenbrödel hat aber noch mehr Ansprüche. Als ihr Vater Alleinerbe seiner im Kindsbett verstorbenen Frau wurde, erwarb die gerade geborene Anna als einziges Kind einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1/4 des Nachlasses ihrer Mutter. Dieser Anspruch ist noch nicht verjährt und richtet sich jetzt gegen die Stiefmutter als Alleinerbin des Vaters. Die Verjährung aller Ansprüche von Kindern gegen ihre Eltern oder auch Stiefeltern beginnt erst mit dem 21. Geburtstag des Kindes. Derartige Ansprüche verjähren frühestens mit der Vollendung des 24. Lebensjahres. Wenn Anna weiß, dass das Haus ursprünglich ihrer Mutter gehörte, muss sie sich sputen und bis zu ihrem 24. Geburtstag am 30. November 2013 Klage eingereicht haben.
Ohne diese Kenntnis hätte sie noch Zeit. Dann könnte sie Ansprüche wegen des Nachlasses ihrer Mutter noch innerhalb von dreißig Jahren nach deren Tod bzw. ihrer eigenen Geburt geltend machen. Die dreißigjährige Verjährungsfrist gilt auch, wenn Anna bei ihrer Geburt Miterbin ihrer Mutter geworden wäre.
Der Autor ist Mitglied der DANSEF Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V.
Für Rückfragen steht Ihnen der Autor gerne zur Verfügung
Rechtsanwalt, Notar
Dr. phil. Dieter Riemer
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