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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
arglistige Täuschung in einem Krankenversicherungsantrag
OLG Dresden, Beschluss vom 04. November 2019, Az. 4 U 2299/19
Eine arglistige Täuschung in einem Krankenversicherungsantrag, die den Versicherer zur Anfechtung berechtigt, liegt auch dann vor, wenn der Versicherungsnehmer die Frage nach "Zahlungsrückständen" verneint, weil er annimmt, hiermit seien lediglich Beitragsrückstände gemeint.
II.
Persönliche Voraussetzungen eines GmbH Geschäftsführers
BGH, Beschluss vom 03.12.2019, Az. II ZB 18/19
a) Das Registergericht hat die Eintragung eines Geschäftsführers einer GmbH von Amts wegen im Handelsregister zu löschen, wenn eine persönliche Voraussetzung für dieses Amt gemäß § 6 Abs. 2 GmbHG nach der Eintragung entfällt.
b) Auch wer nicht als Täter (§ 25 StGB), sondern als Teilnehmer (§§ 26, 27 StGB) wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG rechtskräftig verurteilt worden ist, kann nicht Geschäftsführer einer GmbH sein.
III.
Begriff des Saison- und Kampagnenbetriebes; Arbeitszeitverlängerung bei erhöhtem Arbeitsaufkommen im Rahmen der Erbringung saisonaler Dienstleistungen; Veranstaltungsunternehmen als Saison- oder Kampagnenbetrieb
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. Dezember 2019, Az. 6 A 10942/19
1. Zum Begriff des Saison- und Kampagnebetriebes im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG).(Rn.18)(Rn.28)
2. Eine Arbeitszeitverlängerung nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG kommt dann in Betracht, wenn das erhöhte Arbeitsaufkommen aufgrund des Jahreslaufs eintritt und nicht lediglich das Ergebnis unternehmerischer Entscheidungen darstellt.(Rn.18)
3. Bei saisonalen Dienstleistungen muss die Kundennachfrage der jeweiligen Jahresperiode geschuldet sein. Sie darf hingegen nicht allein auf unternehmerischen Entscheidungen und Angeboten bzw. deren bewusster Konzeption beruhen.(Rn.18)
4. Ein Veranstaltungsunternehmen, dessen Betriebszweck in der Planung, Organisation und ganzjährigen Durchführung von Großveranstaltungen für elektronische Musik besteht, ist kein Saison- oder Kampagnebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG.(Rn.22)(Rn.29)
IV.
Grundbuchberichtigung bei Tod eines BGB-Gesellschafters
OLG München, Beschluss vom 07. Januar 2020, Az. 34 Wx 420/19
Die Berichtigung des durch den Tod eines Gesellschafters bürgerlichen Rechts unrichtig gewordenen Grundbuchs setzt neben dem Nachweis des Versterbens eines bisherigen Gesellschafters und des Nachweises der Erbfolge einen Nachweis des Inhalts des Gesellschaftsvertrags voraus. Wurde dieser privatschriftlich errichtet, kann die Vorlage dieses nicht in der grundbuchrechtlichen Form entsprechenden Gesellschaftsvertrags genügen.
V.
Pflichtmitgliedschaft Industrie- und Handelskammer
VG Karlsruhe, Urteil vom 06. Dezember 2019, Az. 10 K 8270/18
Atypisch stille Gesellschaften sind Mitglieder der Industrie- und Handelskammern und als solche beitragspflichtig.
VI.
Ausgleichsanspruch für Vertragshändler?
OLG München, Urteil vom 05. Dezember 2019, Az. 23 U 2136/18
1. Für eine analoge Anwendung des § 89b HGB auf einen Vertragshändler ist erforderlich, dass sich der Vertragshändler für den Vertrieb der Erzeugnisse des Herstellers wie ein Handelsvertreter einzusetzen hat und Bindungen unterliegt, wie sie für einen Handelsvertreter typisch sind. Entscheidend ist, ob der Vertragshändler mit der Übernahme der Vertragspflichten sich eines bedeutenden Teils seiner unternehmerischen Freiheit begeben hat. Dies ist durch eine Abwägung im Einzelfall zu bestimmen.
2. Gegen eine mit einem Handelsvertreter vergleichbare Stellung spricht, wenn der Händler nicht lediglich die vom Hersteller erworbenen Produkte an seine Kunden weiterverkauft, sondern er darüber hinaus auch Produkte des Herstellers nach eigenen Bedürfnissen verändert und sodann unter eigener Marke vertreibt, wobei es dem Händler überlassen ist, Art und Umfang dieses Geschäftsteils selbst zu bestimmen.
3. Die für eine Analogie des weiteren erforderliche vertragliche Pflicht zur Überlassung des Kundenstamms kann auch konkludent vereinbart werden; davon ist regelmäßig nicht auszugehen, wenn der Händler zwar Kundendaten an den Hersteller übermittelt, er aber ein entsprechendes Ansinnen des Herstellers hätte ablehnen können, ohne sich vertragswidrig zu verhalten, auch wenn das für ihn bedeutet hätte, keine weiteren Rabatte zu erzielen.
VII.
Klagebefugnis einer Gewerkschaft gegen die Bewilligung von Sonntagsarbeit für ein Logistikunternehmen im vorweihnachtlichen Spitzenhoch
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Dezember 2019, Az. 4 A 738/18
1. Die Vorschriften der §§ 9, 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG sind zu Gunsten von Gewerkschaften drittschützend. Der Gesetzgeber hat mit den dort bestimmten Voraussetzungen, unter denen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise aufgrund behördlicher Anordnung beschäftigt werden dürfen, den auch der Stärkung subjektiver kollektiver Grundrechte dienenden verfassungsrechtlichen Schutzauftrag, der sich aus der Sonn- und Feiertagsgarantie ergibt, einfach-gesetzlich ausgestaltet.
2. "Besondere Verhältnisse" im Sinne von § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG müssen durch Umstände verursacht sein, die von außen auf das betreffende Unternehmen einwirken, sie dürfen also weder von diesem Unternehmen geschaffen sein (z. B. Arbeitsorganisation) noch in unternehmensbezogenen Sondersituationen (z. B. Um-satzschwäche) bestehen. Es muss sich also um solche Umstände handeln, die von außen verursacht worden sind und auf die das antragstellende Unternehmen keinen Einfluss nehmen kann.
3. Für die Annahme "besonderer Verhältnisse" kommt es nicht darauf an, ob diese vorhersehbar waren oder nicht. Daher können "besondere Verhältnisse" im Sinne von § 13 Abs. 3 Nr. 2 b) ArbZG grundsätzlich auch wegen eines saisonalen Spitzenbedarfs - wie beim Weihnachtsgeschäft - vorliegen.
4. Ein Unternehmen muss auch und bereits im Zuge der Festlegung seines Geschäftskonzeptes dem Gewicht des Sonn- und Feiertagsschutzes angemessen Rechnung tragen, sobald sich abzeichnet, dass die anfallende Arbeit an Werktagen nicht bewältigt werden kann.
5. Mit dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität ist es nicht vereinbar, dass der Staat diejenigen Unternehmen durch eine Ausnahmebewilligung begünstigt, die ohne Rücksicht auf ihre Kapazitätsgrenzen unrealistische Lieferzusagen abgeben, und gerade ihnen hierdurch gegenüber realistisch agierenden Marktteilnehmern einen sachlich nicht zu rechtfertigenden Wettbewerbsvorteil verschafft.
VIII.
Restschuldbefreiung bei einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung
BGH, Urteil vom 19. Dezember 2019, Az. IX ZR 53/18
Eine Verbindlichkeit des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung wird von der Restschuldbefreiung erfasst, wenn der Gläubiger die Forderung nicht unter Angabe des Rechtsgrundes bis spätestens zum Schlusstermin zur Tabelle angemeldet hat; dies gilt auch für den Fall, dass der Schlusstermin im schriftlichen Verfahren durchgeführt wird.
IX.
Abzug von Nutzungsvorteilen beim deliktischen Schadensersatz im sogenannten „Abgasskandal“
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 13. Januar 2020, Az. 15 U 190/19
Für den Fall, dass der Fahrzeug- bzw. Motorenhersteller dem Fahrzeugkäufer aufgrund einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung Schadensersatz schuldet, kann ein Abzug von Nutzungsvorteilen (gefahrene Kilometer) im Wege der Vorteilsausgleichung aus Gründen der Billigkeit nur bis zu dem Zeitpunkt angezeigt sein, zu dem der Fahrzeugkäufer den Hersteller erstmals zur „Rückabwicklung“ des Fahrzeugkaufs aufgefordert hat.
X.
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen per WhatsApp
Landgericht Hamburg, Urteil vom 03.09.2019, Az. 406 HK O 56/29
Das Ausstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen per WhatsApp verstößt gegen das ärztliche Berufsrecht.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
Rechtsanwalt
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Schriftleiter mittelstandsdepesche
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