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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Ersatz eines Personenschadens - Haftungsprivileg des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII
Bundesarbeitsgericht ,Urteil vom 28. November 2019, Az. 8 AZR 35/19
Zugunsten des Arbeitgebers greift gegenüber dem Schadensersatzverlangen eines Beschäftigten, der infolge eines Versicherungsfalls einen Personenschaden erlitten hat, das Haftungsprivileg nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ein, es sei denn, der Arbeitgeber hat den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg (Wegeunfall). Für die Annahme der vorsätzlichen Herbeiführung eines Versicherungsfalls ist ein „doppelter Vorsatz“ erforderlich. Der Vorsatz des Schädigers muss sich nicht nur auf die Verletzungshandlung, sondern auch auf den Verletzungserfolg beziehen.
Die Klägerin ist bei der Beklagten, die ein Seniorenpflegeheim betreibt, langjährig als Pflegefachkraft beschäftigt. Das Gebäude des Seniorenpflegeheims hat zwei Eingänge, einen Haupt- und einen Nebeneingang. An beiden Eingängen befinden sich Arbeitszeiterfassungsgeräte. Der Haupteingang ist beleuchtet, der Nebeneingang nicht. Im Dezember 2016 erlitt die Klägerin kurz vor Arbeitsbeginn um etwa 7:30 Uhr einen Unfall auf einem Weg, der sich auf dem Betriebsgelände des Seniorenpflegeheims befindet und dort zum Nebeneingang führt. Es war noch dunkel, als sie ihr Fahrzeug auf einem Parkplatz außerhalb des Betriebsgeländes abstellte und sich zu Fuß zum Nebeneingang begab. Kurz bevor sie diesen erreichte, rutschte sie auf dem Weg aus. Dabei erlitt sie eine Außenknöchelfraktur. Bei dem Unfall der Klägerin handelte es sich um einen Versicherungsfall iSv. § 7 SGB VII; die Klägerin erhielt Verletztengeld. Die Klägerin hat von der Beklagten Schmerzensgeld und Ersatz materieller Schäden verlangt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Die Revision der Klägerin hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Beklagte hatte den Versicherungsfall, der kein Wegeunfall war, sondern sich auf dem Betriebsgelände des Seniorenpflegeheims ereignete, nicht vorsätzlich herbeigeführt. Die dahingehende Würdigung des Landesarbeitsgerichts war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2019&nr=23552&pos=0&anz=43&titel=Ersatz_eines_Personenschadens_-_Haftungsprivileg_des_%A7_104_Abs._1_Satz_1_SGB_VII
II.
Unwirksame Versetzung - Schadensersatz – Reisekosten
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. November 2019, Az. 8 AZR 125/18
Kann ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber im Wege des Schadensersatzes Erstattung der Kosten verlangen, die ihm durch die Benutzung seines privaten PKW entstanden sind, können die Tatsachengerichte bei der Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO die Regelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) über den Fahrtkostenersatz heranziehen.
Der Kläger ist bei der Beklagten langjährig als Metallbaumeister beschäftigt. Nachdem er zunächst am Betriebssitz der Beklagten in Hessen gearbeitet hatte, versetzte diese ihn ab November 2014 „für mindestens 2 Jahre, ggf. auch länger“ in ihre Niederlassung in Sachsen. Hiergegen erhob der Kläger vor dem Arbeitsgericht Klage, kam allerdings der Versetzung nach. Im Mai 2016 erklärte das Landesarbeitsgericht die Versetzung für unwirksam. Gleichwohl arbeitete der Kläger in der Zeit von Juni bis September 2016 weisungsgemäß weiter in Sachsen. Für die wöchentlichen Fahrten zwischen seinem Hauptwohnsitz in Hessen und seiner Wohnung in Sachsen nutzte er seinen privaten PKW. Der Kläger hat die Beklagte mit seiner Klage ua. auf Ersatz der Fahrtkosten für die Monate Juni bis September 2016 in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung vertreten, er könne entsprechend den steuerrechtlichen Regelungen für jeden gefahrenen Kilometer ein Kilometergeld iHv. 0,30 Euro beanspruchen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage ua. wegen der Fahrkostenerstattung stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts insoweit teilweise abgeändert und dem Kläger Reisekosten lediglich iHd. nach der Trennungsgeldverordnung (TGV) zu erstattenden Kosten für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dies auch nur für Heimfahrten alle zwei Wochen zugesprochen. Mit der Revision verfolgt der Kläger ua. sein Begehren auf Zahlung eines Kilometergeldes iHv. 0,30 Euro pro gefahrenem Kilometer weiter.
Seine Revision hatte insoweit vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Kläger kann - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat - von der Beklagten als Schadensersatz die Erstattung der Kosten verlangen, die ihm durch die Benutzung seines privaten PKW für die wöchentlichen Fahrten zwischen seinem Hauptwohnsitz in Hessen und seiner Wohnung in Sachsen entstanden sind. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht mit der Heranziehung der Bestimmungen der TGV seiner Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO einen unrichtigen Maßstab zugrunde gelegt. Heranzuziehen waren vielmehr die Regelungen des JVEG über den Fahrtkostenersatz, wonach für jeden gefahrenen Kilometer ein Kilometergeld iHv. 0,30 Euro zu zahlen ist. Eine Vorteilsausgleichung war nicht veranlasst.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2019&nr=23549&pos=1&anz=43&titel=Unwirksame_Versetzung_-_Schadensersatz_-_Reisekosten
III.
Wirksamkeit einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung
Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil v. 20.02.2019, Az. 4 Sa 349/18
Unterbricht eine Reinigungskraft in erheblichem Umfang ihre Arbeit, um in den zu reinigenden Büros mit den dort installierten dienstlichen Telefonen privat zu telefonieren und ausgiebig Zeitschriften zu lesen, kann dies jedenfalls nach einschlägiger Abmahnung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. (Rn. 39 – 51)
Im Falle der ordentlichen Unkündbarkeit eines Arbeitnehmers aufgrund einer tariflichen Regelung ist im Rahmen der außerordentlichen Kündigung für die Frage der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf die fiktive Kündigungsfrist abzustellen, die ohne die ordentliche Unkündbarkeit zur Anwendung käme (Anschluss an BAG BeckRS 2016, 66796 Rn. 20; BeckRS 2016, 114684 Rn. 20; BeckRS 2017, 131400 Rn. 18). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Siehe:
https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2019-N-29727?hl=true&AspxAutoDetectCookieSupport=1
IV.
Betriebsrentenanpassungsprüfung - Ausschluss bei Pensionskassenrente mit Überschussbeteiligung
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. Dezember 2019, Az. 3 AZR 122/18
Im vorliegenden Verfahren ging es um die Frage, welche Vorgaben nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG)* erfüllt sein müssen, damit der Arbeitgeber von der Verpflichtung zu prüfen, ob Betriebsrenten nach § 16 Abs. 1 BetrAVG zu erhöhen sind, befreit ist.
Die Klägerin stand seit April 1983 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Im November 1983 erteilte die Beklagte eine Versorgungszusage, die über den Bankenversicherungsverein (BVV), eine Pensionskasse, durchgeführt wurde. Die Klägerin bezieht seit Oktober 2011 vom BVV eine Betriebsrente iHv. 920,07 Euro brutto monatlich. Mit ihrer am 12. Februar 2016 eingegangenen Klage hat sie deren Anpassung zum 1. Oktober 2014 begehrt. Die Beklagte hat eine Anpassung unter Hinweis auf § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG wegen der Absicherung über den BVV abgelehnt.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts war teilweise erfolglos, weil die Klägerin ihre Forderung falsch berechnet hatte. Im Übrigen führte die Revision zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht.
Das Betriebsrentengesetz sieht in § 16 Abs. 3 Nr. 2 vor, dass die grundsätzliche Pflicht des Arbeitgebers, im Abstand von drei Jahren zu prüfen, ob die Betriebsrente anzupassen ist, entfällt, wenn die Versorgung über eine Pensionskasse durchgeführt wird und ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallenden Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden. Die in dieser Ausnahmevorschrift genannten Voraussetzungen müssen aufgrund einer unabdingbaren vertraglichen Regelung bei Beginn der Betriebsrentenleistung rechtlich feststehen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, da es sich bei der Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Pensionskasse um einen Vertrag zugunsten Dritter handelt, der nicht ohne Zustimmung der Betriebsrentner geändert werden darf.
Des Weiteren muss bei Eintritt des Versorgungsfalls durch die vertraglichen Regelungen sichergestellt sein, dass die Überschussanteile - falls solche anfallen - weder dem Arbeitgeber noch der Pensionskasse zustehen. Ob die Überschussanteile jeweils entsprechend den versicherungsrechtlichen Vorgaben angemessen und auch sonst richtig berechnet sind, betrifft nicht die Anwendung der betriebsrentenrechtlichen Ausnahmebestimmung, sondern das Verhältnis zwischen Betriebsrentner und Pensionskasse. Zudem muss bei Eintritt des Versorgungsfalls sichergestellt sein, dass die für die Überschussbeteiligung notwendige Abgrenzung der Versicherungsbestände verursachungsorientiert im Sinne des Versicherungsrechts erfolgt und auch bleibt. Änderungsklauseln in Versorgungsverträgen stehen den vorgenannten Erfordernissen nicht entgegen, da sie strukturelle Veränderungen nicht decken. Dazu gehören auch Neuabgrenzungen des Versicherungsbestandes, die dem Gesichtspunkt der Verursachungsorientierung nicht hinreichend gerecht werden.
Ferner muss bei Rentenbeginn gewährleistet sein, dass die Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden. Hierfür ist erforderlich, dass dauernde und ggf. vorübergehende Rentenerhöhungen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Der Anteil der nur befristeten Erhöhung der Betriebsrente darf nicht unangemessen hoch sein; diese Grenze ist bei einem Anteil von 25 vH eingehalten. Die den Betriebsrentnern aus den Überschussanteilen gewährten Leistungen müssen zudem betriebliche Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes darstellen; Sterbegeld gehört nicht dazu.
Aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts steht noch nicht fest, ob die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind.
Im Rechtsstreit wurde auch die Vereinbarkeit der zu § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG erlassenen Übergangsregelung in § 30c Abs. 1a BetrAVG** mit Verfassungs- und Unionsrecht problematisiert. Dazu musste der Senat beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens keine Stellung nehmen.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2019&nr=23567&pos=2&anz=46&titel=Betriebsrentenanpassungspr%FCfung_-_Ausschluss_bei_Pensionskassenrente_mit_%DCberschussbeteiligung
V.
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - Einheit des Verhinderungsfalls
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2019, Az. 5 AZR 505/18
Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist auch dann auf die Dauer von sechs Wochen beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue, auf einem anderen Grundleiden beruhende Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls). Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits zu dem Zeitpunkt beendet war, zu dem die weitere Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führte.
Die Klägerin war bei der Beklagten bis zum 31. Juli 2017 als Fachkraft in der Altenpflege beschäftigt. Seit dem 7. Februar 2017 war sie infolge eines psychischen Leidens arbeitsunfähig. Die Beklagte leistete Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis einschließlich 20. März 2017. Im Anschluss bezog die Klägerin auf der Grundlage von Folgebescheinigungen ihrer Hausärzte, die zuletzt am 5. Mai 2017 eine bis einschließlich 18. Mai 2017 fortbestehende Arbeitsunfähigkeit attestierten, Krankengeld. Am 19. Mai 2017 unterzog sich die Klägerin wegen eines gynäkologischen Leidens einer seit längerem geplanten Operation. Ihre niedergelassene Frauenärztin bescheinigte am 18. Mai 2017 als „Erstbescheinigung“ eine Arbeitsunfähigkeit vom 19. Mai 2017 bis zum 16. Juni 2017 und durch Folgebescheinigung eine fortbestehende Arbeitsverhinderung bis einschließlich 30. Juni 2017. Im Juli 2017 erbrachte die Klägerin im Hinblick auf ihr gewährten Urlaub und Überstundenausgleich keine Arbeitsleistungen mehr und begann eine Psychotherapie bei einem Neurologen.
Die Klägerin erhielt in der Zeit vom 19. Mai bis zum 29. Juni 2017 weder von der Beklagten Entgeltfortzahlung noch von ihrer Krankenkasse Krankengeld. Mit ihrer Klage hat sie für diesen Zeitraum von der Beklagten die Zahlung von 3.364,90 Euro brutto nebst Zinsen verlangt. Sie hat geltend gemacht, sie sei ab dem 19. Mai 2017 wegen eines neuen Leidens arbeitsunfähig gewesen. Die Arbeitsunfähigkeit wegen ihrer psychischen Erkrankung habe am 18. Mai 2017 geendet. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, den Umständen nach sei von einem einheitlichen Verhinderungsfall auszugehen. Die Klägerin habe deshalb nur einmal für die Dauer von sechs Wochen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchen können. Diesen Anspruch habe sie erfüllt. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Klage - nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von drei Ärzten - abgewiesen.
Die Revision der Klägerin hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Ist der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig und schließt sich daran in engem zeitlichen Zusammenhang eine im Wege der „Erstbescheinigung“ attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit an, hat der Arbeitnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren Arbeitsverhinderung geendet hatte. Dies ist der Klägerin nicht gelungen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Vernehmung der die Klägerin behandelnden Ärzte umfassend Beweis erhoben. Danach konnte nicht festgestellt werden, dass ein einheitlicher Verhinderungsfall nicht vorlag. Das gilt umso mehr als nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine Untersuchung der Klägerin durch den behandelnden Arzt bei der Feststellung der bis einschließlich 18. Mai 2017 attestierten Arbeitsunfähigkeit nicht erfolgte.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2019&nr=23570&pos=1&anz=46&titel=Entgeltfortzahlung_im_Krankheitsfall_-_Einheit_des_Verhinderungsfalls
VI.
Das Geschlecht der Lehrkraft als zulässige berufliche Anforderung im Sportunterricht?
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Dezember 2019, Az. 8 AZR 2/19
Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts kann nach § 8 Abs. 1 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung nur zulässig sein, wenn es um den Zugang zur Beschäftigung einschließlich der zu diesem Zweck erfolgenden Berufsbildung geht und ein geschlechtsbezogenes Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.
Der Kläger hatte sich im Juni 2017 ohne Erfolg bei dem Beklagten, einer genehmigten Privatschule in Bayern, auf die für eine „Fachlehrerin Sport (w)“ ausgeschriebene Stelle beworben. Mit seiner Klage verlangt er von dem Beklagten eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG* mit der Begründung, der Beklagte habe ihn entgegen den Vorgaben des AGG wegen seines Geschlechts benachteiligt. Der Beklagte meint, die Nichtberücksichtigung des Klägers im Stellenbesetzungs-verfahren sei nach § 8 Abs. 1 AGG** zulässig gewesen. Das Schamgefühl von Schülerinnen könnte beeinträchtigt werden, wenn es bei Hilfestellungen im nach Geschlechtern getrennt durchgeführten Sportunterricht zu Berührungen der Schülerinnen durch männliche Sportlehrkräfte komme bzw. diese die Umkleideräume betreten müssten, um dort für Ordnung zu sorgen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat der Beklagte nicht den Vorgaben des AGG und des Unionsrechts entsprechend dargetan, dass für die streitgegenständliche Stelle ein geschlechtsbezogenes Merkmal eine wesentliche und entscheidende sowie angemessene berufliche Anforderung iSv. § 8 Abs. 1 AGG ist. Über die Höhe der Entschädigung konnte der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht selbst entscheiden. Dies führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2019&nr=23639&pos=0&anz=48&titel=Das_Geschlecht_der_Lehrkraft_als_zul%E4ssige_berufliche_Anforderung_im_Sportunterricht?
VII.
Rechtskraft eines eine Kündigungsschutzklage abweisenden Urteils - Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Dezember 2019, Az. 8 AZR 511/18
Die Rechtskraft einer Entscheidung, mit der eine Kündigungsschutzklage abgewiesen wurde, schließt grundsätzlich etwaige Ansprüche des Arbeitnehmers auf Ersatz entgangenen Verdienstes sowie entgangener Rentenansprüche aus. Etwas anderes kann ausnahmsweise bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung iSv. § 826 BGB durch den Kündigenden in Betracht kommen.
Der katholische Kläger war langjährig bei der beklagten Kirchengemeinde (Beklagte zu 1.) als Organist, Chorleiter und Dekanatskantor beschäftigt. Im Jahr 1994 trennte er sich von seiner Ehefrau und ging eine neue Partnerschaft ein, aus der ein Kind hervorging. Nachdem die Beklagte zu 1. hiervon erfahren hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. März 1998 mit der Begründung, der Kläger habe gegen den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe verstoßen und seine Loyalitätsobliegenheiten ihr gegenüber grob verletzt. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. In diesem Verfahren trat das beklagte Bistum (Beklagter zu 2.) auf Seiten der Beklagten zu 1. als Streithelfer bei. Das durch mehrere Instanzen geführte Verfahren endete im Jahr 2000 mit einer Klageabweisung. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Klägers nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an.
Im Jahr 2003 erhob der Kläger beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Individualbeschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland. Mit Urteil vom 23. September 2010 stellte der EGMR einen Verstoß gegen Art. 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) fest und sprach dem Kläger mit Urteil vom 28. Juni 2012 gemäß Art. 41 EMRK eine Entschädigung iHv. 40.000,00 Euro zu. Eine von diesem im Jahr 2010 erhobene Restitutionsklage gegen die Entscheidung im Kündigungsschutzprozess blieb sowohl vor dem Landesarbeitsgericht als auch vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos. Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde des Klägers nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an. Eine vom Kläger im Jahr 2013 erhobene Klage auf Wiedereinstellung blieb ebenfalls in allen Instanzen erfolglos.
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger von den Beklagten die Zahlung der Vergütung, die ihm aufgrund der Kündigung zum 31. März 1998 entgangen ist, sowie einen Ausgleich entgangener Rentenansprüche als Schadenersatz. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, im Kündigungsschutzprozess sei ein klares Fehlurteil gefällt worden, weil der geltend gemachte Kündigungsgrund von der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GrO), die hier allein maßgeblich sei, offensichtlich nicht umfasst sei. Dies sei seit deren Inkrafttreten für jedermann offensichtlich gewesen. Die Beklagten hätten durch ihr Verhalten und Vorbringen im Kündigungsschutzprozess in sittenwidriger Weise bewirkt, dass die Kündigungsschutzklage abgewiesen worden sei.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Steht eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtskräftig fest, können Schadensersatzansprüche, die auf den Ersatz entgangenen Entgelts sowie entgangener Rentenansprüche gerichtet sind, allenfalls bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung iSv. § 826 BGB durch den Kündigenden in Betracht kommen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass die Voraussetzungen des § 826 BGB nicht vorliegen, war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2019&nr=23636&pos=1&anz=48&titel=Rechtskraft_eines_eine_K%FCndigungsschutzklage_abweisenden_Urteils_-_Schadensersatz_wegen_vors%E4tzlicher_sittenwidriger_Sch%E4digung_
VIII.
Selbstablehnungsanzeigen aller Richter/innen eines Arbeitsgerichts
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.11.2019, Az. 1 SHa 42/19
§ 49 Abs. 2 ArbGG ist auch und gerade auf die Fallgestaltung anwendbar, dass sämtliche Richter/innen eines Gerichts wegen Befangenheit Selbstablehnungsanzeigen erstatten. Sind diese begründet, so hat das Landesarbeitsgericht nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ein anderes Arbeitsgericht als zuständiges Gericht zu bestimmen.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2019&Seite=0&nr=29810&pos=1&anz=43
IX.
Wettbewerbsverbot, einstweilige Verfügung
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 7.10.2019, Az. 18 SaGa 49/19
1) Es bleibt offen, ob es bei angestellten Vertriebsmitarbeitern grundsätzlich geboten ist, die Vorschrift des § 90a Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz HGB analog an-zuwenden und die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots nur für den zugewiesenen Verkaufsbezirk oder den Kundenkreis zuzulassen. Ein weiterreichendes Tätigkeitsverbot dient jedenfalls dann dem berechtigten Interesse des Prinzipals, wenn der Außendienstmitarbeiter nicht nur durch das Ausnutzen persönlicher Kontakte in die Kundenbeziehungen einbrechen kann, sondern wenn er über die Kundenkontakte hinaus weitere Kenntnisse besitzt, an deren Verwertung bei der Konkurrenz der Prinzipal ein berechtigtes Interesse besitzt. Zu solchen Kenntnissen des Außendienstmitarbeiters zählen auch Kenntnisse über Preisspannen, Preisuntergrenzen und die Verkaufspräferenzen des Prinzipals.
2) Das schützenswerte Interesse der Verfügungsklägerin lässt sich über die Vereinbarung einer Kundenschutzklausel nicht effektiv absichern, falls der Prinzipal nicht lediglich mit einem kleinen, gleichbleibenden Kreis von Großkunden Geschäfte tätigt, sondern mit einer Vielzahl von wechselnden Kunden. Dann müsste eine Kundenschutzklausel ständig neu gefasst und an den sich verändernden Kundenstamm angepasst werden. Das wäre unpraktikabel, stets von der Zustimmung des Handlungsgehilfen abhängig und daher für den Prinzipal unzumutbar.
Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2019/18_SaGa_49_19_Urteil_20191007.html
X.
Rückforderung von Fortbildungskosten; Auslegung einer Rückforderungsklausel; Beendigung des Arbeitsverhältnisses "auf Wunsch" des Arbeitnehmers
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 11.10.2019, Az. 1 Sa 503/19
Die "auf Wunsch des Mitarbeiters" zurückgehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses meint die unterschiedslose Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Knüpft daran eine Klausel zur Rückzahlung von Fortbildungskosten an, differenziert diese nicht ausreichend und ist unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB.
Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2019/1_Sa_503_19_Urteil_20191011.html
XI.
Zulässigkeit der Berufung, Berufungsbegründung, "unechtes" Versäumnisurteil
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 9.10.2019, Az. 6 Sa 1131/19
Für die im Rahmen der Berufungsbegründung erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung ist nicht ausreichend, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht zu wiederholen, mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen und auch dieses lediglich zu wiederholen.
Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2019/6_Sa_1131_19_Urteil_20191009.html
XII.
Leitender Angestellter; stellvertretender Marktleiter; Zustimmungsverweigerung
Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 10.10.2019, Az. 6 TaBV 6/19
Die Definition des "leitenden Angestellten" in § 14 Abs. 2 KSchG ist durch ihre Typologie enger als diejenige in § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG
Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2019/6_TaBV_6_19_Beschluss_20191010.html
XIII.
Wahlanfechtung - Aufsichtsrat - Arbeitnehmervertreter - öffentliche Stimmauszählung - Verhinderung
Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 9.10.2019, Az. 5 TaBV 5/19
1. Bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat hat grundsätzlich der gesamte Betriebswahlvorstand die Stimmen öffentlich auszuzählen und die Gültigkeit der Stimmzettel zu prüfen.
2. Die Notwendigkeit, dass der gesamte Betriebswahlvorstand anwesend sein muss, besteht nicht, wenn einzelne Mitglieder des Betriebswahlvorstands entschuldigt fehlen. Hiervon ist bei einer Verhinderung auszugehen. Eine Verhinderung ist gegeben, wenn ein Betriebswahlvorstandsmitglied aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben. Dies ist etwa bei Urlaub oder Arbeitsunfähigkeit der Fall.
3. Die Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ist anfechtbar, wenn nicht der gesamte Betriebswahlvorstand während der gesamten Dauer der öffentlichen Auszählung anwesend und kein Verhinderungsgrund gegeben ist. Auf die Dauer der unentschuldigten Abwesenheit kommt es nicht an.
Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2019/5_TaBV_5_19_Beschluss_20191009.html
XIV.
unbezifferter Leistungsantrag (hier bzgl. Nachteilsausgleichs)
LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.12.2019, Az. 26 Ta (Kost) 6092/18
1. Bei einem unbezifferten Leistungsantrag (hier bzgl. Nachteilsausgleichs) ist der Streitwert am angemessenen Betrag auszurichten, wenn die klagende Partei die Festlegung des Betrags in das Ermessen des Gerichts gestellt hat.
Ggf. hat das Gericht den Streitwert im Hinblick auf einen ihm angemessen und billig erscheinenden Betrag auch höher festzusetzen, als dies einer angegebenen Größenvorstellung der klagenden Partei entspricht (vgl. BGH 30. April 1996 – VI ZR 55/95, zu II b der Gründe; zum Streitstand ausführlich: OLG Saarbrücken 26. November 2009 – 4 W 343/09, Rn. 9, mwN).
2. Die in § 1a Abs. 2 KSchG festgelegte Höhe des gesetzlichen Abfindungsanspruchs nach § 1a Abs. 1 KSchG kann wegen der hierin ausgedrückten gesetzgeberischen Wertung als Berechnungsgrundlage beim Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG, § 83 TVPV herangezogen werden (vgl. BAG 7. November 2017 – 1 AZR 186/16, Rn. 35 - 38).
Diese Grundsätze können auf § 83 TVPV übertragen werden.
3. Wie nach § 1a Abs. 2 Satz 3 KSchG ist bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses bei einem Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden.
Maßgeblich ist der Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.
4. Wird der Nachteilsausgleichsanspruch als Hilfsantrag geltend gemacht, kommt es für die Bewertung auf den Zeitpunkt an, zu dem über den Antrag entschieden wird. Das gilt auch für die Angabe der klagenden Partei zu einem Mindestbetrages im Rahmen des unbezifferten Leistungsantrags.
5. Werden im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens Auskünfte im Zusammenhang mit einem behaupteten Betriebsübergang gefordert, sind diese mit einem halben Bruttomonatsverdienst angemessen bewertet.
Dienen die Auskünfte bei verständiger Auslegung des Antrags allein der Schlüssigmachung der Klage bzw. der Ergänzung des Vortrags im Rahmen des Rechtsstreits gegen den Veräußerer oder einen zugleich mitverklagten Erwerber, entspricht das der Konstellation bei der Stufenklage, § 44 GKG (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 6. September 2019 - 6012/19, Rn. 45). Eine Zusammenrechnung findet dann nicht statt.
Siehe:
http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/1at3/bs/10/page/sammlung.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1207&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE190016546&doc.part=K&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint
XV.
LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.11.2019, Az. 7 TaBV 1728/19
1. Der Betriebsrat hat nach § 9 Abs. 3 Arbeitssicherheitsgesetz kein Mitbestimmungsrecht, insbesondere kein Initiativrecht, zur Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit.
2. Ist eine Rechtsfrage - wie hier - umstritten und die Frage noch nicht vom Bundesarbeitsgericht geklärt, ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig.
Siehe:
http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/dqn/bs/10/page/sammlung.psml?doc.hl=1&doc.id=JURE190016545&documentnumber=2&numberofresults=1207&doctyp=juris-r&showdoccase=1&doc.part=K¶mfromHL=true#focuspoint
XVI.
Streitwert, Wertfestsetzung, Vergleich, Vergleichsmehrwert, Freistellung von der Arbeit, Zeugnis
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.09.2019, Az. 6 Ta 89/19
Im Beschwerdeverfahren wendet sich die Beklagte gegen die Streitwertfestsetzung des Arbeitsgerichts.
-2 -6 Ta 89/19ImHauptsacheverfahren stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Im Gütetermin am 11.01.2019 schlossen sie einen verfahrensbeenden den Vergleich.
Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/44C816F4ECC47361C12584CF00358950/$file/Beschluss-6-Ta-89-19-09-09-2019.pdf
XVII.
Prozesskostenhilfe, Versagung, Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, Prozesskostenhilfeantrag, Fehlen eines Antrages, Bewilligung, keine rückwirkende, Beendigung der Instanz
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15.11.2019, Az. 6 Ta 109/19
Die Klägerin wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Zahlung, Abrechnungs-und Zeugniserteilung. Am 15.05.2019 erhob die Klägerin beim Arbeitsgericht Klage auf Zahlung und Abrechnung und stellte zugleich einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Ferner kündigte sie an, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachzureichen. Mit Schriftsatz vom 17.06.2019 erweiterte die Klägerin ihre Klage und verlangte Erteilung eines Zeugnisses. Diesen Antrag modifizierte sie mit Schriftsatz vom 12.08.2019.
Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/338435178CE6B260C12584C8003939FB/$file/Beschluss-6-Ta-109-19-15-11-2019.pdf
XVIII.
Berufung, unzulässig verworfen, Berufungsbegründung, Fristversäumnis, Wiedereinsetzungsantrag, Rechtsanwalt, Organisation, Fristenkalender, Überwachung, Ausgangskontrolle
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14.11.2019, Az. 3 Sa 192/19
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung, die auf einem Interessenausgleich mit Namensliste basiert. Es sind diverse Parallel-rechtsstreitigkeiten beim Landesarbeitsgericht anhängig, in denen die Kläger/innen von der Kanzlei des hiesigen Prozessbevollmächtigten vertreten werden
Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/F4FF838478EB62FBC12584C8003939FC/$file/Beschluss-3-Sa-192-19_14-11-2019.pdf
XIX.
Zahlungsklage, objektive Klagehäufung, Streitgegenstand, Zulässigkeit, Willkommensprämie, Zulässigkeit, Benachteiligung, unangemessene, Bruttoforderung, Aufrechnung
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.09.2019, Az. 1 Sa 108/19
Die Parteien streiten über wechselseitige Zahlungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis und insbesondere die Rückzahlung einer „Willkommensprämie“.
Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/6BA47D6FBA65623FC12584C00026747C/$file/Urteil-1-Sa-108-19-24-09-2019.pdf
XX.
Prozesskostenhilfe, Versagung, Berufungsverfahren, Prozessvergleich, Prozessvollmacht, Beschränkung
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 30.09.2019, Az. 5 Sa 157/19
Die Antragstellerin (künftig: Klägerin) begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Durchführung eines Berufungsverfahrens. Im erstinstanzlich durch Urteil abgeschlossenen Hauptsacheverfahren stritten die Parteien um die Rechtswirksamkeit eines Prozessvergleichs mit welchem ein Kündigungsrechtsstreit beendet wurde. Die 44-jährige Klägerin war seit März 2012 bei der Beklagten, die einen ambulanten Pflegedienst betreibt, geringfügig als Pflege-und Haushilfe zu einem Monatsgehalt von 450,00 € beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.10.2018 zum 31.12.2018. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Kündigungsschutzklage (2 Ca 1448 a/18).
Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/C8058551D2AA93ECC12584C0002681BF/$file/Beschluss-5-Sa-157-19-30-09-2019.pdf
XXI.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Oktober 2019, Az. II ZR 386/17
Ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der mit einem oder mehreren anderen Gesellschafter-Geschäftsführern 50% der Geschäftsanteile hält und selbst nicht mit einem nur unbedeutenden Geschäftsanteil an der Gesellschaft beteiligt ist, ist keine arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des §17 Abs.1 Satz2BetrAVG
Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=5&nr=101039&pos=167&anz=490
XXII.
Rechtsanwalts-AGB auf dem Prüfstand / Vier Minuten Arbeit rechtfertigen nicht die Abrechnung eines vollen Stundensatzes
Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 04.11.2019, Az. 17 U 44/18
Ein Streit um die Rechtmäßigkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Rechtsanwaltskanzlei ist nun rechtskräftig beendet. Die Rechtsanwaltskammer Köln hatte eine Kölner Kanzlei vor dem Landgericht Köln erfolgreich darauf verklagt, zahlreiche AGB-Klauseln nicht mehr zu verwenden. Nachdem die Kanzlei die zunächst beim Oberlandesgericht Köln dagegen eingelegte Berufung zurückgenommen hat, ist der Rechtsstreit nun rechtskräftig beendet.
Das Landgericht hatte in seinem Urteil zahlreiche Klauseln für unzulässig erklärt. Das betraf etwa eine Regelung, nach der die Kanzlei stets mit einer gerichtlichen Interessenwahrnehmung beauftragt werden sollte, auch wenn der Mandant den Auftrag eigentlich auf eine außergerichtliche Tätigkeit beschränkt hatte. Durch diese Klausel werde die Entscheidungsfreiheit der Mandanten unzulässig eingeschränkt.
Ebenfalls unzulässig sei eine Regelung, wonach die Vergütungsvereinbarung für sämtliche, auch zukünftige Mandate gelten sollte. Die Voraussetzungen, dass AGB zwischen Parteien gelten, müssten bei jedem einzelnen abzuschließenden Vertrag neu erfüllt werden.
Schließlich sei auch die Klausel unwirksam, wonach der vereinbarte Stundensatz in Viertelstundenschritten abgerechnet werde und ein Viertel des vereinbarten Stundensatzes für jede angefangenen 15 Minuten berechnet werde. Diese Regelung verstoße gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und sei daher sowohl gegenüber Verbrauchern als auch gegenüber Unternehmern unwirksam. Bei Anwendung der Klausel könne es dazu kommen, dass auch im Falle einer Tätigkeit von 4 x 1 Minute der komplette Stundensatz fällig werde. Regelmäßig erfordere die anwaltliche Tätigkeit neben aufwändiger rechtlicher Prüfung und zeitintensiver Wahrnehmung von Terminen auch kurze Telefonate u.s.w., so dass in einer Vielzahl von Fällen die Vergütung der Kanzlei, gerechnet auf die Minute, deutlich über dem vereinbarten Stundensatz liege. Im Hinblick auf die Möglichkeiten moderner Zeiterfassung sei eine genauere Zeittaktung auch zumutbar und möglich. Für die Kanzlei ergebe sich zudem der Anreiz, Tätigkeiten über den Tag zu verteilen, anstatt diese innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraumes zu erbringen. Die Klausel ermögliche eine wissentliche Aufblähung des Zeitaufwandes und führe dazu, dass dem Mandanten deutlich höhere Gebühren in Rechnung gestellt werden könnten als dies dem vereinbarten Stundensatz entspreche.
In seiner Entscheidung hatte das Landgericht auch klargestellt, dass die Rechtsanwaltskammer gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Unterlassungsklagegesetz gegen ihre eigenen Mitglieder vorgehen kann. Zu den Aufgaben der Rechtsanwaltskammer gehöre auch die Abwehr von Gesetzesverletzungen und Wettbewerbsverstößen.
Nach der Rücknahme der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil hatte der 17. Zivilsenat nur noch über die Kosten und den Streitwert zu entscheiden.
Urteil des Landgerichts Köln vom 24.01.2018 - Az. 26 O 453/16 - veröffentlicht in www.nrwe.de. Die Entscheidung finden Sie hier .
Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 04.11.2019 - Az. 17 U 44/18.
Hinweis der Pressestelle: Die Zulässigkeit von Abrechnungen im 15 Minutentakt ist Gegenstand mehrerer Entscheidungen. Gegen eine ähnliche Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 05.06.2019 - Az. 15 U 319/18 - wurde Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt (dort Az. IX ZR 140/19).
Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/JM/Presse/presse_weitere/PresseOLGs/04_12_2019_/index.php
Mit besten kollegialen Grüßen
Ihr
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
VDAA – Präsident
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