10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten
zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Unwirksamkeit von Schriftformheilungsklauseln
BGH, Urteil vom 11.04.2018, Az. XII ZR 43/17
a) Die Änderung der Miete, die auf einer Vertragsklausel beruht, wonach eine Vertragspartei bei Vorliegen einer bestimmten Indexänderung eine Neufestsetzung verlangen kann, unterfällt - anders als bei einer Anpassungsautomatik oder einem einseitigen Änderungsrecht - dem Schriftformerfordernis des § 550 Satz 1 BGB.
b) Die vertragliche Änderung der Miete stellt stets eine wesentliche und - jedenfalls soweit sie für mehr als ein Jahr erfolgt und nicht jederzeit vom Vermieter widerrufen werden kann - dem Formzwang des § 550 Satz 1 BGB unterfallende Vertragsänderung dar (im Anschluss an Senatsurteile vom 25. November 2015 - XII ZR 114/14 - NJW 2016, 311 und vom 27. September 2017 - XII ZR 114/16 - NJW 2017, 3772, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
c) Sogenannte Schriftformheilungsklauseln sind mit der nicht abdingbaren Vorschrift des § 550 BGB unvereinbar und daher unwirksam. Sie können deshalb für sich genommen eine Vertragspartei nicht daran hindern, einen Mietvertrag unter Berufung auf einen Schriftformmangel ordentlich zu kündigen (im Anschluss an Senatsurteil vom 27. September 2017 - XII ZR 114/16 NJW 2017, 3772, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
d) Die Umdeutung einer fristlosen in eine ordentliche Mietkündigung ist zulässig und angebracht, wenn - für den Kündigungsgegner erkennbar - nach dem Willen des Kündigenden das Vertragsverhältnis in jedem Falle zum nächstmöglichen Termin beendet werden soll (im Anschluss an Senatsurteil vom 24. Juli 2013 - XII ZR 104/12 - NJW 2013, 3361).
II.
BGH, Urteil vom 6. Februar 2018, Az. II ZR 17/17
Ein Anleger, der durch unrichtige Prospektangaben bewogen wurde, einer Anlagegesellschaft als Kommanditist beizutreten, kann im Rahmen des Vertrauensschadens entweder die Rückabwicklung seiner Beteiligung verlangen oder an seiner Anlageentscheidung festhalten und Ersatz des Betrages verlangen, um den er seine Beteiligung wegen der unrichtigen Prospektangaben zu teuer erworben hat (Fortführung von BGH, Urteil vom 3. Februar 2003 – II ZR 233/01, DStR 2003, 1494).
III.
Automatische Verlängerung eines Werbeflächenvertrages
BGH, Urteil vom 28.03.2018, Az. XII ZR 18/17
Eine Klausel zur automatischen Verlängerung eines Vertrags über Werbeflächen auf Kraftfahrzeugen ist wegen fehlender Transparenz unwirksam, wenn bei Vertragsbeginn nicht eindeutig feststeht, bis wann die Kündigung zur Abwendung der Verlängerung spätestens ausgesprochen werden muss (im Anschluss an Senatsurteil vom 25. Oktober 2017 - XII ZR 1/17 - NZM 2018, 125).
IV.
Verpflichtung des Heimbewohners zur Sicherheitsleistung
BGH, Urteil vom 05.04.2018, Az. III ZR 36/17
Vorformulierte Bestimmungen in einem Wohn- und Betreuungsvertrag über vollstationäre Pflege zwischen einem Versicherten der Pflegeversicherung (Verbraucher) und einer zugelassenen Pflegeeinrichtung ohne Pflegesatzvereinbarung (§§ 85, 91 Abs. 1 SGB XI), die eine Verpflichtung des Heimbewohners zur Sicherheitsleistung vorsehen, sind mit § 14 Abs. 4 Satz 1 WBVG vereinbar. Dies gilt auch gegenüber Verbrauchern, die berechtigt sind, Hilfe in Einrichtungen nach dem SGB XII in Anspruch zu nehmen.
V.
Nutzungsausfallentschädigung für Motorrad
BGH, Urteil vom 23.01.2018, Az. VI ZR 57/17
a) Der vorübergehende Entzug der Gebrauchsmöglichkeit eines Motorrads, das dem Geschädigten als einziges Kraftfahrzeug zur Verfügung steht und nicht reinen Freizeitzwecken dient, stellt einen Vermögensschaden dar und kann einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung begründen.
b) Der Umstand, dass der Geschädigte das Motorrad nur bei günstigen Witterungsbedingungen nutzt, spielt erst im Rahmen der konkreten Schadensbetrachtung bei der Frage eine Rolle, ob der Geschädigte - auch im Hinblick auf die Wetterlage zur Nutzung willens und in der Lage war.
VI.
Rückforderung überzahlter Honorare nach Feststellung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 30.10.2017, Az. 11 Sa 66/16
1. Die Veränderung des rechtlichen Status eines Mitarbeiters vom Selbständigen zum Arbeitnehmer führt nicht ohne Weiteres zur Unwirksamkeit einer getroffenen Vergütungsvereinbarung.
2. Wird der Arbeitnehmerstatus rückwirkend festgestellt, ist Voraussetzung für einen Rückforderungsanspruch wegen überzahlter Honorare, dass bei dem Dienstberechtigten unterschiedliche Vergütungsordnungen für freie Mitarbeiter und für Arbeitnehmer gelten.
3. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Mitarbeiter selbst kein Arbeitsverhältnis wollte.
4. Nehmen die Parteien fälschlich an, zwischen ihnen bestehe ein freies Mitarbeitsverhältnis, kommt ein Wegfall der Geschäftsgrundlage allein deshalb, weil der Arbeitgeber Beiträge zur Sozialversicherung entrichten muss, nicht in Betracht.
VII.
Konkludente Vertragsänderung; Verzugspauschale
Arbeitsgericht Freiburg, Urteil vom 26.10.2017, 8 Ca 82/17
1. Durch jahrelange vorbehaltlose monatliche Zahlung einer von einer Zielvereinbarung abhängigen variablen Vergütung ohne Vorliegen von Zielvereinbarungen können die Parteien auf das Erfordernis des Abschlusses einer Zielvereinbarung konkludent verzichten.
2. Der Anspruch auf eine Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB besteht regelmäßig nur einmal pro Abrechnungszeitraum auch wenn in einem Monat mehrere Vergütungsbestandteile zu Unrecht nicht gezahlt wurden.
VIII.
Kündigungsschutzklage während der Wartezeit
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 2.03.2018 - 6 Sa 958/17
Die Zurückweisung einer Kündigungserklärung nach § 174 BGB kommt nur in Betracht, wenn ausdrücklich das Fehlen der Originalvollmacht gerügt wird. Das allgemeine Bestreiten der Wirksamkeit der Kündigung und das Bestreiten der Vertretungsmacht des Kündigenden sind nicht ausreichend.
IX.
Unwirksame Aufrechnungsklausel in Sparkassen-AGB
BGH, Urteil vom 20.03.2018, Az. XI ZR 309/16
Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Sparkasse enthaltene Bestimmung
"Nummer 11 Aufrechnung und Verrechnung (1) Aufrechnung durch den Kunden Der Kunde darf Forderungen gegen die Sparkasse nur insoweit aufrechnen, als seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind." ist im Verkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
X.
Haftung des Erwerbers für die Sonderumlage
Der Erwerber von Wohnungs- oder Teileigentum haftet für eine nach dem Eigentumswechsel fällig werdende Sonderumlage, auch wenn deren Erhebung vor dem Eigentumswechsel beschlossen wurde (Fortführung von Senat, Beschluss vom 21. April 1988 - V ZB 10/87, BGHZ 104, 197).
Die anteiligen Beiträge der Wohnungseigentümer zu einer Sonderumlage werden erst mit Abruf durch den Verwalter fällig. Sollen die Beiträge abweichend von § 28 Abs. 2 WEG sofort fällig werden, bedarf es einer ausdrücklichen Regelung in dem Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Schriftleiter mittelstandsdepesche
Rechtsanwälte Dr. Gaupp & Coll.
Kronprinzstr. 14
70173 Stuttgart
Tel.: 0711/ 30 58 93-0Fax: 0711/ 30 58 93-11
E-Mail: henn@drgaupp.dewww.drgaupp.de
« zurück