Oberlandesgericht Stuttgart entscheidet zur Wirksamkeit einer aus wichtigem Grund ausgesprochenen Kündigung eines Bauvertrages im Zusammenhang mit Stuttgart 21
(Kiel) Der u.a. für Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Bauverträgen zuständige 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat entschieden, dass die fristlose Kündigung des Bauvertrags zwischen der Wolff & Müller Spezialbau GmbH und Co. KG (im Folgenden: Wolff & Müller) und der DB Station und Service GmbH über den Neubau des Technikgebäudes und des Abbruchs des Nordflügels des Hauptbahnhofs Stuttgart durch ein Schreiben der DB Station und Service AG vom 28. November 2011 nicht aus wichtigem Grund erfolgt ist.
Darauf verweist die Frankfurter Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht Helene – Monika Filiz, Präsidentin des VBMI - VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Oberlandesgerichts Stuttgart zu seinem Urteil vom 30. Januar 2018 – Az. 10 U 84/17.
Die Baufirma Wolff & Müller schloss mit der Beklagten, einem Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG, im Frühjahr 2010 einen Bauvertrag im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt „Stuttgart 21“. Vertragsgegenstand war der Abbruch des Nordflügels des Stuttgarter Hauptbahnhofs und der Bau des Technikgebäudes des neuen Durchgangsbahnhofs unterirdisch im Bereich des Parkplatzes vor dem Nordeingang. Die vertragliche Gesamtvergütung betrug knapp 5,5 Mio. €.
Wegen der Proteste gegen „Stuttgart 21“ hatte die Klägerin mehr Bewachungsdienstleistungen im Hinblick auf das Baugelände zu erbringen als von den Parteien bei Vertragsschluss vorgesehen. Über die Höhe der deswegen von der Bahn zu zahlenden Mehrvergütung entstand zwischen den Parteien Streit. Weil die Beklagte aus Sicht der Klägerin deren Mehrforderungen nicht in der berechtigten Höhe erfüllt hatte, kündigte Wolff & Müller mit Schreiben vom 23. November 2011 eine teilweise Einstellung ihrer Arbeiten an. Deswegen und wegen zahlreicher weiterer zwischen den Parteien strittiger Sachverhalte kündigte dann die DB Station und Service GmbH mit Schreiben vom 28. November 2011 den Bauvertrag aus wichtigem Grund.
Wolff & Müller machte daher mit der bereits im Jahr 2011 erhobenen Klage Zahlungsansprüche für erbrachte Leistungen und eine Vergütung für nicht erbrachte Leistungen wegen einer Auftragsentziehung ohne wichtigen Grund aus dem Bauvertrag geltend. In einem sog. Zwischenfeststellungsverfahren beantragt die Klägerin Wolff & Müller daher die Feststellung, dass die Kündigung nicht als Kündigung aus wichtigem Grund zulässig und wirksam, sondern (lediglich) als sogenannte „freie“ Kündigung wirksam war. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben.
Mit dem heute verkündeten Urteil hat das Oberlandesgericht Stuttgart die Berufung der DB Station & Service GmbH als unbegründet zurückgewiesen. Auch der Senat sah in allen von der Bahntochter zur Kündigung herangezogenen 25 Sachverhalten weder einzeln betrachtet noch in der Gesamtschau ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund.
Der Senat ließ es dahingestellt, ob die Mehrforderungen der Klägerin wegen aufgrund von Protesten aus der Bevölkerung zusätzlich erforderlich gewordener Bewachungsdienstleistungen berechtigt waren. Denn selbst wenn unterstellt würde, dass die Mehrforderungen nicht berechtigt waren, ließe sich nicht feststellen, dass die Klägerin wegen der teilweisen Arbeitseinstellung nach den Vorschriften der VOB/B mit ihrer Leistung in Verzug gewesen wäre. Eine Berechtigung zur Kündigung aus sonstigem wichtigem Grund war wegen der teilweisen Arbeitseinstellung von Wolff & Müller ebenfalls nicht gegeben. Denn nach den Gesamtumständen war der Beklagten trotz der teilweisen Arbeitseinstellung die Fortsetzung des Vertrages nicht unzumutbar. Das Oberlandesgericht konnte im Wesentlichen keine Versäumnisse der Baufirma feststellen, die bei der Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistungen behindert wurde. Insofern konnte die DB Station und Service GmbH nicht nachweisen, dass sie der Baufirma die notwendigen planerischen Vorgaben gemacht hatte.
Somit handelte es sich bei der Kündigung der Beklagten um eine sogenannte „freie“ Kündigung. Die gegen eine solche Auslegung des Kündigungsschreibens vom 28. November 2011 gerichteten Angriffe der DB Station & Service GmbH waren erfolglos.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weshalb der Beklagten gegen das heutige Urteil allein die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof offensteht.
Wenn das Urteil rechtskräftig wird, müssen die Parteien sich vor dem Landgericht Stuttgart weiter über die Höhe der eingeklagten Ansprüche der Klägerin für die erbrachten Leistungen und die Vergütung für die aufgrund der Kündigung ohne wichtigen Grund nicht erbrachten Leistungen auseinandersetzen. Einem bislang gerichtlich nicht geltend gemachten Anspruch der DB wegen Mehrkosten, die die Fertigstellung des Abbruchs Nordflügel und des Technikgebäudes durch einen anderen Unternehmer verursacht haben, ist nach der heutigen Entscheidung des OLG Stuttgart die rechtliche Grundlage entzogen.
Filiz empfahl, dies zu beachten und bei Fragen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei sie in diesem Zusammenhang u. a. auch auf den VBMI - VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. - www.VBMI-Anwaltsverband.de - verwies.
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Helene – Monika Filiz
Rechtsanwältin / Fachanwältin für Familienrecht /
Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
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