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Klaus-Dieter Franzen
FranzenLegal
Altenwall 6
28195 Bremen


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Hodenkniff und Busengrapsch: Das Bundesarbeitsgericht und die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

(Stuttgart) Die absichtliche Berührung primärer oder sekundärer Geschlechtsmerkmale eines anderen ist sexuell bestimmt i.S.v. § 3 Abs. 4 AGG (sexuelle Belästigung). Es handelt sich hierbei um einen körperlichen Übergriff auf die Intimsphäre. Auf eine sexuelle Motivation des Handelnden kommt es dabei nicht an.

Es reicht vielmehr aus, so der Bremer Fachanwalt für Arbeitsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz Klaus-Dieter Franzen, Landesregionalleiter „Bremen“ des VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 29. Juni 2017 (Az.: 2 AZR 302/16), wenn die Würde des Betroffenen verletzt ist.

Der Kläger war seit 23 Jahren in ei­nem Stahlwerk tätig. Am 22. Oktober 2014 arbeitete er mit zwei Leiharbeitnehmern zusammen. Einer der beiden Leiharbeitnehmer meldete zwei Tage später, der Kläger habe ihm von hinten schmerzhaft in den Genitalbereich gegriffen, Auf die Reaktion des Leiharbeitnehmers habe der Kläger sinngemäß geäußert: "Du hast aber dicke Eier. Will noch jemand?". Die Beklagte hörte den Kläger zu diesem Vorfall an, der den Vorwurf abstritt. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 7. November 2014 fristlos und mit Schreiben vom 12. November 2014 vorsorglich ordentlich zum 30. Juni 2015.

Die von dem Kläger erhobene Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht Bremen ab. Der Berufung des Klägers gab das Landesarbeitsgericht (LAG) Bremen statt (LAG Bremen vom 16. Dezember 2015 - 3 Sa 60/15). Zwar stelle das Verhalten des Klägers an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündi­gung dar, doch sei diese Maßnahme angesichts der langen unbeanstandeten Beschäftigungsdauer und des fehlenden Bewusstseins des Klägers, eine sexuelle Belästigung zu begehen, unverhältnismäßig, eine Abmahnung hätte als Reaktion ausgereicht. Das LAG ließ die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zu. Die Beklagte erhob von daher zunächst erfolgreich Nichtzulassungsbeschwerde. Das BAG hob dann die Entscheidung auf und verwies die Angelegenheit zurück an das LAG.

Nach Ansicht des BAG habe das LAG aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht davon ausgehen dürfen, dass es für die fristlose Kündigung an einem wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB fehle.

Die Bundesrichter sahen in dem Verhalten des Klägers gleich in zweifacher Hinsicht den Tatbestand der sexuellen Belästigung als erfüllt an, so Franzen.

Eine sexuelle Belästigung gem. § 3 Abs. 4 AGG sei gegeben, wenn ein unerwünschtes bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte Berührungen oder Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezwecke oder bewirke, dass die Würde der betreffenden Person verletzt werde. Jeder dürfe selbst über einen Eingriff in die Intimsphäre durch körperlichen Kontakt bestimmen. Die absichtliche Berührung primärer oder sekundärer Geschlechtsmerkmale eines anderen sei demnach bereits deshalb i.S.v. § 3 Abs. 4 AGG sexuell bestimmt, weil es sich um einen auf die körperliche Intimsphäre gerichteten Übergriff handele. Ob eine Handlung sexuell bestimmt sei, hänge damit nicht allein vom subjektiv erstrebten Ziel des Handelnden ab. Es sei daher auch keine sexuelle Motivation des Handelnden erforderlich. Bei sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz stehe häufig eher die Machtausübung im Vordergrund. Maßgeblich sei daher, ob das Verhalten die Würde des Betroffenen verletzt.
Diese Voraussetzungen sah das BAG vorliegend als erfüllt an.

Sowohl der zielgerichtete Griff des Klägers in die Genitalien des Leiharbeitnehmers als auch die anschließende entwürdigende Bemerkung sexuellen Inhalts stellten jeweils eine sexuelle Belästigung dar, die den Ausspruch einer fristlosen Kündigung begründen.

Auch sei hier eine Abmahnung nicht unbedingt als das mildere Mittel anzusehen. Das LAG hatte dem Kläger eine nicht-sexuelle Motivation zu Gute gehalten und ihm "ein situatives un­reflektiertes Verhalten" attestiert. Dafür gab es aber nach dem festgestellten Sachverhalt keine Tatsachengrundlage. Denn auch im gerichtlichen Verfahren hatte der Kläger den Vorwurf abgestritten und durchweg behauptet, er habe den Leiharbeitnehmer nur flüchtig und unab­sichtlich am Gesäß berührt. Dementsprechend konnte er sich gar nicht zu der Frage äußern, ob dem behaupteten Übergriff eine sexuelle Motivation zu Grunde lag oder nicht. Mangels fehlender Einsicht konnte deshalb nicht darauf geschlossen werden, dass sich der Kläger künftig pflichtgemäß verhält.

Auf den ersten Eindruck scheint diese Entscheidung im Gegensatz zu dem sog. „Busengrapscher-Fall“ zu stehen (BAG vom 20.11.2014 – 2 AZR 651/13).

In diesem Fall hatte sich ein seit 1996 bei dem Arbeitgeber beschäftigter Kfz-Mechaniker von einer Mitarbeiterin eines Reinigungsunternehmens „angeflirtet“ gefühlt. Er hat ihr gegenüber geäußert, dass sie „einen schönen Busen“ habe und diesen sodann berührt. Die Reinigungskraft gab zu verstehen, dass sie dies nicht wünsche. Daraufhin ließ der Kfz-Mechaniker sofort von ihr ab.

Nachdem dem Arbeitgeber der Sachverhalt bekannt geworden war, zeigte sich der Arbeitnehmer einsichtig. Er gestand den Vorfall ein und erklärte, er habe sich „eine Sekunde lang vergessen“, jedenfalls tue ihm die Sache „furchtbar leid“. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen. Nach Ausspruch der Kündigung entschuldigte sich der Arbeitnehmer schriftlich bei der Frau und zahlte ihr ein Schmerzensgeld.
Auch in dieser Entscheidung bejahte das BAG eine sexuelle Belästigung.

Allerdings fiel die Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers aus. Zu Gunsten des Arbeitnehmers sprach zunächst das langjährige beanstandungsfreie Arbeitsverhältnis. Ferner hat er sein Fehlverhalten trotz der „4-Augen-Situation“ als einmaliges Versagen eingestanden. Schließlich war er reuig. Damit hatte der Arbeitnehmer gezeigt, dass er in der Lage ist, sein Verhalten zu ändern. Deshalb sprach nach Ansicht des BAG in diesem Fall nichts dafür, dass sich ein solcher Sachverhalt wiederhole. Anders als in dem Bremer Fall konnte deshalb davon ausgegangen werden, dass eine Abmahnung als milderes Mittel genüge, um das Fehlverhalten des Arbeitnehmers zu sanktionieren.

Damit steht fest:

Jeder Eingriff in die körperliche Intimsphäre ist eine sexuelle Belästigung im Sinne des AGG und stellt eine Pflichtverletzung dar, die auf der ersten Prüfungsstufe einen wichtigen Grund für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung darstellt. Auf der zweiten Stufe kommt es neben der Dauer und Beanstandungsfreiheit des Arbeitsverhältnisses auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere auf das Verhalten des Arbeitnehmers nach der Tat an. Streitet der Arbeitnehmer den Vorwurf der sexuellen Belästigung ab, sollte er sich sicher sein, dass die Beweislage für ihn spricht. Andernfalls ist die Gefahr sehr groß, dass er seinen Arbeitsplatz verliert.

Franzen empfahl, dies zu beachten und riet er bei Fragen zum Arbeitsrecht Rechtsrat in Anspruch zu nehmen, wobei er u. a. auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.

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