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Bundesarbeitsgericht zum Sozialplananspruch eines leitenden Angestellten

 (Stuttgart) Sprecherausschuss und Arbeitgeber können durch eine Vereinbarung nach § 28 Abs 2 Satz 1 SprAuG die unmittelbare und zwingende Wirkung einer von ihnen gemäß § 28 Abs. 1 SprAuG vereinbarten Richtlinie für die Arbeitsverhältnisse der leitenden Angestellten herbeiführen. Der hierauf gerichtete gemeinsame Wille muss sich aus der geschlossenen Vereinbarung deutlich und zweifelsfrei ergeben.

Dies, so der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VdAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, ist der Tenor eines soeben veröffentlichten Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 10.02.2009 (AZ.:  1 AZR 767/07).

In dem ausgeurteilten Fall stritten die Parteien über einen Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan. Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. März 1994 bis zum 30. Juni 2006 als kaufmännischer Leiter beschäftigt. Er war leitender Angestellter und einer der beiden Prokuristen der Beklagten. Seine Jahresbezüge betrugen zuletzt 117.497,49 Euro. Die Beklagte wurde 1991 gegründet, um den Aus- und Neubau der Bundesfernstraßen in den neuen Ländern zu koordinieren, zu optimieren und zu kontrollieren.

Am 21. Mai 2003 schlossen die Beklagte, der bei ihr gebildete Betriebsrat und der Sprecherausschuss für die leitenden Angestellten einen Interessenausgleich und einen Sozialplan für die bis 2011 geplante komplette Schließung des Beklagten, in dem es u. a. hieß: 

Die Notwendigkeit, um über einen Interessenausgleich zu beraten, ergibt sich aus dem beschränkten Aufgabenumfang der D. 

„Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bis zum 31.Dezember 2005 durch Eigenkündigung ausscheiden, haben keinen Anspruch auf Leistungen gemäß diesem Sozialplan.Ausnahme: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen D verbindlich mitgeteilt hat, dass sie bis 31.Dezember 2006 ausscheiden sollen. 

„Die wirtschaftlichen Nachteile sollen durch Zahlung von Abfindungen gemildert werden. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die nicht unter die Ausschlusskriterien des §2 fallen, erhalten beim Ausscheiden (zum letzten Tag des Beschäftigungsverhältnisses) folgende Zahlung... 

„Der Sozialplan gilt auch für die leitenden Angestellten der D." 

Mit Schreiben vom 29. November 2004 kündigte der Kläger seinen Dienstvertrag fristgerecht zum 30. Juni 2006, ohne hierüber zuvor mit der Beklagten gesprochen zu haben. Von der ihm vom Geschäftsführer der Beklagten eingeräumten Möglichkeit, bis Anfang Januar 2005 von seiner Kündigung Abstand zu nehmen, machte er keinen Gebrauch. Seit dem 1. Juli 2006 ist er arbeitslos gemeldet. Seine Stelle wurde von der Beklagten neu besetzt.

Der Kläger hat gestützt auf den Sozialplan u. a. einen (Grund-)Abfindungsanspruch in Höhe von 34.190,33 Euro geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, er habe seinen Arbeitsplatz wegen der Betriebsänderung verloren. Sein Anspruch folge außerdem aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, weil die Beklagte der Arbeitnehmerin T eine Abfindung gezahlt habe, obwohl auch diese selbst gekündigt und zuvor keine Mitteilung über ihr geplantes Ausscheiden erhalten habe.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch aus dem Sozialplan. Seine Eigenkündigung sei nicht betriebsbedingt. Hilfsweise hat sie im Wege der Aufrechnung die Rückzahlung der für das Jahr 2004 gezahlten Tantieme in Höhe von 10.225,84 Euro verlangt.

Nach unterschiedlichen Entscheidungen von Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hat das BAG nun die Klage endgültig abgewiesen, betont Henn.

Der Kläger habe keinen Abfindungsanspruch. Ein solcher folge insbesondere nicht aus dem Sozialplan.

Der Sozialplan sei nicht etwa von vornherein ungeeignet, unmittelbar Ansprüche leitender Angestellter zu begründen. Vielmehr ergebe seine Auslegung, dass die Beklagte und der Sprecherausschuss eine zu seiner unmittelbaren Anwendung auf leitende Angestellte führende Vereinbarung iSv. § 28 Abs. 2 Satz 1 SprAuG geschlossen haben.

Allerdings lag es nicht in der Regelungskompetenz des Betriebsrats, gemeinsam mit der Arbeitgeberin normativ Ansprüche leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG zu begründen. Auf diesen Personenkreis finde das Betriebsverfassungsgesetz gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG keine Anwendung. Auch gelten Vereinbarungen zwischen Sprecherausschuss und Arbeitgeber, insbesondere auch solche über Richtlinien nach § 28 Abs. 1 SprAuG, für die Arbeitsverhältnisse der leitenden Angestellten nicht unmittelbar und zwingend. Sie wirkten anders als Betriebsvereinbarungen, für welche dies ausdrücklich in § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG angeordnet ist, nicht normativ auf die Arbeitsverhältnisse ein, sondern bedürften, um überhaupt Ansprüche der leitenden Angestellten zu erzeugen oder Pflichten zu begründen, der Umsetzung in die einzelnen Vertragsverhältnisse.

Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 SprAuG könnten Sprecherausschuss und Arbeitgeber jedoch die unmittelbare und zwingende Geltung des Inhalts der von ihnen vereinbarten Richtlinien durch eine auf diese Wirkung gerichtete Vereinbarung herbeiführen. Dann wirkten die Richtlinien, ohne dass es noch einer Transformation bedürfte, normativ auf die Arbeitsverhältnisse der leitenden Angestellten ein. Eine Vereinbarung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 SprAuG müsse nicht notwendig gesondert getroffen oder in einer von der Vereinbarung nach § 28 Abs. 1 SprAuG getrennten Urkunde niedergelegt werden. Der gemeinsame Wille von Sprecherausschuss und Arbeitgeber, die unmittelbare und zwingende Wirkung einer Richtlinie herbeizuführen, müsse sich aber aus der geschlossenen Vereinbarung deutlich und zweifelsfrei ergeben.

Alleine die Mitunterzeichnung einer zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat geschlossenen Betriebsvereinbarung durch den Sprecherausschuss genüge  im Zweifel für eine Vereinbarung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 SprAuG nicht. Vielmehr müsse die normative Wirkung von Sprecherausschuss und Arbeitgeber erkennbar gewollt sein, was hier nach Ansicht des BAG der Fall war.

Dennoch wurde die Klage abgewiesen.

Denn Sinn und Zweck des vorliegenden Sozialplans sei, bei Eigenkündigungen einen Abfindungsanspruch nur dann vorzusehen, wenn dem Arbeitnehmer zuvor der Zeitkorridor für sein von der Arbeitgeberin geplantes Ausscheiden mitgeteilt wurde. Damit bestimme der Sozialplan indirekt, dass der Arbeitnehmer nur in einem solchen Fall berechtigterweise davon ausgehen könne, er komme mit seiner Eigenkündigung der andernfalls von der Arbeitgeberin auszusprechenden betriebsbedingten Kündigung nur zuvor. Dies ist angesichts des Gesamtkonzepts des Interessenausgleichs und des Sozialplans auch sachgerecht.

Henn empfahl dringend, das Urteil zu beachten und in allen Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. - www.vdaa.de - verwies.   

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