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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
WEG: Kostentragungslast des Sondereigentümers
BGH, Urteil vom 28.10.2016, Az. V ZR 91/16
Wird einem Sondereigentümer in der Gemeinschaftsordnung eine Instandsetzungs- oder Instandhaltungspflicht übertragen, hat er im Zweifel auch die ihm dadurch entstehenden Kosten zu tragen.
II.
Wirtschaftliche Betrachtung bei Verlust des Transportgutes
BGH, Urteil vom 01.12.2016, Az: I ZR 128/15
a)Für die Beurteilung der Frage, ob ein Verlust des Transportguts eingetreten ist, ist eine wirtschaftliche Betrachtung maßgebend. Ein Verlust ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Frachtführer oder Verfrachter aus der Sicht des Geschädigten aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf unabsehbare Zeit außerstande ist, das Gut an den berechtigten Empfänger auszuliefern.
b) Beim multimodalen Transport eines zunächst auf dem Landweg und sodann auf dem Seeweg zu befördernden Guts sind die Lagerung eines mit Gütern bestückten Containers am Hafenterminal und die dort vorgenommene Stauung der Güter in Container Vorarbeiten für die Verfrachtung des Transportguts und daher regelmäßig der Seestrecke zuzuordnen. Das gilt auch, soweit dabei Waren aus einem für einen bestimmten Seehafen vorgesehenen Container ausgeladen und in einen für einen anderen Seehafen vorgesehenen Container eingeladen werden oder im Zuge der Verteilung der Sendungen auf die verschiedenen Container die Entladung von Gütern unterbleibt.
c) Nach § 452d Abs. 2 Nr. 1 HGB sind Formularvereinbarungen zulässig, die inhaltlich auf die Anwendung der allgemeinen landfrachtrechtlichen Vorschriften gerichtet sind und unter Durchbrechung des "network"-Systems eine Einheitshaftung auf der Grundlage des allgemeinen Frachtrechts vorsehen, sofern für die Haftung auf der Teilstrecke anstelle des an sich anwendbaren Rechts die Geltung der §§ 425 ff. HGB insgesamt vereinbart wird. Dies ist bei den Haftungsregelungen in Ziffer 22.1 bis 22.5, 23.1 und 23.1.3 der ADSp 2003 nicht der Fall.
d) Die von einem Container-Packunternehmen im Rahmen der Schnittstellenkontrolle bei der Entladung, Zwischenlagerung und Verladung der Transportgüter eingerichteten Kontrollmaßnahmen müssen geordnet, überschaubar und zuverlässig ineinandergreifen und sicherstellen, dass die theoretisch vorgesehenen Organisationsmaßnahmen auch praktisch durchgeführt werden. Ein handschriftlicher Vermerk des mit der Entladung eines Containers betrauten Mitarbeiters stellt keine ausreichende Kontrollmaßnahme dar, weil damit nicht wirksam verhindert wird, dass der Mitarbeiter aufgrund eines Augenblicksversagens das Begleitpapier abzeichnet, ohne die vollständige Entladung der Sendung überprüft zu haben.
III.
Anschlussverbot - Befristung - Befristungskontrollklage - Berufsfreiheit - Vertrauensschutz - Weiterbeschäftigung
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.11.2016, Az. 17a Sa 14/16
1. Das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG besteht zeitlich uneingeschränkt (wie BAG 13. Mai 2004 - 2 AZR 426/03 -; LAG Baden-Württemberg 21. Februar 2014 - 7 Sa 64/13 -; entgegen BAG 21. September 2011 - 7 AZR 375/10).
2. Ein Vertrauen auf den Fortbestand der Rechtsprechung des siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2011 zur eingeschränkten zeitlichen Reichweite des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist nicht schutzwürdig.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2016-11&nr=21926&pos=0&anz=3
IV.
Dienstvertragliche Kündigungsvorschriften, Laufzeitklausel
OLG Karlsruhe, Urteil vom 24. 03.2017, Az. 4 U 88/16
Auf einen Fernüberwachungsvertrag, bei dem die beim Kunden installierten Überwachungsgeräte auf eine rund um die Uhr besetzte Notruf- und Serviceleitstelle aufgeschaltet werden, sind die dienstvertraglichen Kündigungsvorschriften anwendbar.
Die Verwendung einer Laufzeitklausel von 72 Monaten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines solchen Vertrages kann auch gegenüber einem Geschäftskunden eine unangemessene Benachteiligung darstellen und nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Klausel führen.
V.
Krankheitsbedingte Kündigung, fehlerhaftes BEM - abgestufte Darlegungs- und Beweislast - Berücksichtigung der Zustimmung des Integrationsamts in der Verhältnismäßigkeitsprüfung
ArbG Ulm, Urteil vom 20.01.2017, Az. 5 Ca 346/16
1. Hat der Arbeitgeber entgegen seiner gesetzlichen Pflicht kein ordnungsgemäßes BEM durchgeführt, hat er von sich aus die objektive Nutzlosigkeit eines BEM darzulegen und zu beweisen, mithin dass dem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers weder durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen noch durch eine Maßnahme der Rehabilitation hätte entgegengewirkt werden können. Sowohl in Bezug auf innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen als auch in Bezug auf Maßnahmen der Rehabilitation kommt dem Arbeitgeber eine Abstufung seiner Darlegungs- und Beweislast zugute, falls ihm die Krankheitsursachen unbekannt sind (vgl. BAG 20.11.2014 - 2 AZR 755/13, juris Rn. 50).
2. Ist das Integrationsamt nach eingehender Prüfung unter Hinzuziehung des Betriebsrats, der Schwerbehindertenvertretung und der sonstigen erforderlichen Beteiligten zu dem Ergebnis gelangt, es bestehe keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer, ist dies im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen
VI.
Grunderwerbsteuer bei Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt
BFH, Beschluss vom 09.02.2017, Az. II B 38/15
1. NV: Wird bei einer Grundstücksschenkung ein Nießbrauch zugunsten des Schenkers (Auflage) eingeräumt und ist der Nießbrauch bei der Schenkungsteuer abziehbar, unterliegt die Grundstücksschenkung hinsichtlich des Werts des Nießbrauchs der Grunderwerbsteuer(Rn.10).
2. NV: Der Wert des Nießbrauchs ist nach den für die Grunderwerbsteuer geltenden Vorschriften zu ermitteln. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG gebietet es nicht, den Nießbrauch bei der Schenkungsteuer und bei der Grunderwerbsteuer nach übereinstimmenden Maßstäben zu bewerten. Insoweit liegt keine Abweichung von der Entscheidung des BVerfG vom 15. Mai 1984 1 BvR 464/81 (BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608) vor(Rn.3)(Rn.8).
3. NV: Die Rechtsfrage, ob bei Auflagenschenkungen gemäß § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG unter bestimmten Voraussetzungen die Steuerbefreiung gemäß § 13c ErbStG und der Freibetrag gemäß § 16 ErbStG, soweit sie sich bei der Schenkungsteuer nicht ausgewirkt haben, von der nach den Vorschriften des GrEStG ermittelten Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer in Abzug zu bringen sind, bedarf keiner Klärung. Die Festsetzung von Schenkungsteuer einerseits und von Grunderwerbsteuer andererseits haben verfahrensrechtlich und materiell-rechtlich grundsätzlich unabhängig voneinander nach den jeweils geltenden Vorschriften zu erfolgen (BFH-Urteil vom 12. Juli 2016 II R 57/14, BFHE 254, 81, BStBl II 2016, 897)(Rn.14)(Rn.15)(Rn.16).
VII.
Rückzahlungsanspruch: Prozessführungsbefugnis eines Erben; Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich einer Testierunfähigkeit; Schenkungseinwand gegenüber einem Rückzahlungsanspruch aus einem Darlehensvertrag
OLG Hamm, Urteil vom 07.12.2016, Az. 11 U 41/07
1. Der vom Kläger vorgelegte Erbschein entfaltet keine Beweiskraft für dessen Erbenstellung, so dass er grundsätzlich die von ihm behauptete Stellung als Alleinerbe, also das vom Beklagten bestrittene wirksame Zustandekommen des Testaments der Erblasserin und früheren Klägerin als Anspruchsvoraussetzung darzulegen und zu beweisen hat.(Rn.207)
2. Die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins (§ 2365 BGB) greift im Falle eines Rechtsstreits zwischen Erbanwärtern nicht.(Rn.209)
3. Da nach ganz allgemeiner Auffassung ein Erblasser so lange als testierfähig anzusehen ist, bis die Testierunfähigkeit zur vollen Gewissheit des Gerichts feststeht, gehen Zweifel insoweit zu Lasten desjenigen, der sich auf eine Testierunfähigkeit beruft - vorliegend zu Lasten des Beklagten - (vgl. u.a. BayObLG, Beschluss vom 31. Januar 1991, BReg 1 a Z 37/90).(Rn.210)
4. Kann eine Testierfähigkeit nicht mehr mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, hat das Gericht von einer Testierfähigkeit der früheren Klägerin im Zeitpunkt der Einsetzung des jetzigen Klägers als Alleinerbe auszugehen.(Rn.218)
5. Wird gegenüber einem behaupteten Rückzahlungsanspruch aus einem Darlehensvertrag in schlüssiger Weise Schenkung eingewandt, trägt der Anspruchsteller die volle Beweislast für das Bestehen eines Darlehensvertrages (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10. Februar 1993, 33 U 112/92, NJW-RR 1994, 770).(Rn.239)
VIII.
Klausel "Übertragungen von Rechten und Pflichten“
OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.03.2017, Az. 7 U 115/16
Beim Handel mit gebrauchten Fahrzeugen hält die Klausel "Übertragungen von Rechten und Pflichten des Käufers aus dem Kaufvertrag bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Verkäufers" gegenüber Verbrauchern der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand.
IX.
Buchauszugsanspruch, Verjährungsbeginn, Abrechnungszeitraum
OLG Hamm, Urteil vom 30.01. 2017, Az. I-18 U 94/16
1. Der Buchauszugsanspruch nach § 87c Abs. 2 HGB entsteht in der für den Verjährungsbeginn gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB maßgeblichen Weise mit der Abrechnung der Provisionen (wie BGH, Urteil vom 8. Juli 2008, XI ZR 230/07).
2. Ist eine Abrechnung - wie es regelmäßig der Fall ist - für einen Abrechnungszeitraum als abschließend zu werten, wird der Buchauszugsanspruch betreffend alle in den Buchauszug aufzunehmenden Geschäfte aus dem Abrechnungszeitraum fällig (wie OLG Stuttgart, Urteil vom 17. Februar 2016, 3 U 118/15).
3. Die subjektiven Voraussetzungen der kenntnisabhängigen Verjährung, § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, beziehen sich auf den Buchauszugsanspruch als Kontrollrecht selbst und nicht auf den zugrundeliegenden Provisionsanspruch.
X.
Steuerberaterhaftung: Bilanzierung nach Fortführungswerten bei bestehendem Insolvenzgrund; Prüfungspflichten des mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragten Steuerberaters; Hinweispflichten im Hinblick auf einen möglichen Insolvenzgrund
BGH, Urteil vom 26.01.2017, Az. IX ZR 285/14
1. Besteht für eine Kapitalgesellschaft ein Insolvenzgrund, scheidet eine Bilanzierung nach Fortführungswerten aus, wenn innerhalb des Prognosezeitraums damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen noch vor dem Insolvenzantrag, im Eröffnungsverfahren oder alsbald nach Insolvenzeröffnung stillgelegt werden wird.(Rn.27)
2a. Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater ist verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Hingegen ist er nicht verpflichtet, von sich aus eine Fortführungsprognose zu erstellen und die hierfür erheblichen Tatsachen zu ermitteln (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 7. März 2013, IX ZR 64/12, WM 2013, 802 und BGH, Urteil vom 6. Juni 2013, IX ZR 204/12, WM 2013, 1323).(Rn.19)
2b. Eine Haftung des Steuerberaters setzt voraus, dass der Jahresabschluss angesichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft objektiv zu Unrecht von Fortführungswerten ausgeht.(Rn.23)
3. Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater hat die Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist (teilweise Aufgabe von BGH, Urteil vom 7. März 2013, IX ZR 64/12, WM 2013, 802).
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
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