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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Einstellung der Zwangsräumung wegen Gefahr für Leben und Gesundheit
Beschluss vom 16.06.2016, Az: I ZB 109/15
GG Art. 2 Abs. 2 Satz 1 , Art. 14 Abs. 1 A , Art. 19 Abs. 4
ZPO § 765a
Begründet die Einstellung der für den Schuldner lebensbedrohlichen Räumungsvollstreckung eine Gefahr für Leben und Gesundheit des Gläubigers, so ist im Rahmen der Entscheidung nach § 765a ZPO das Ausmaß der jeweiligen Gefährdung zu würdigen. Ist das mit einer Zwangsräumung verbundene Gefährdungspotential für den Schuldner deutlich höher zu bewerten als die mit einem weiteren Vollstreckungsstillstand für den Gläubiger bestehenden Gesundheitsgefahren, so kommt eine befristete Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht, mit der dem Schuldner auferlegt wird, durch geeignete Maßnahmen an einer Verbesserung seines Gesundheitszustands zu arbeiten.
II.
Anrechnung der laufenden Vergütung auf den künftigen Ausgleichsanspruch
Urteil vom 14.07.2016, Az: VII ZR 297/15
HGB § 89b Abs. 4 Satz 1
BGB § 134
Eine Vertragsbestimmung in einem Handelsvertretervertrag, wonach ein Teil der dem Handelsvertreter laufend zu zahlenden Vergütung auf den künftigen Ausgleichsanspruch angerechnet werden soll, verstößt im Zweifel gegen die zwingende Vorschrift des § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB und ist daher in der Regel gemäß § 134 BGB nichtig. Eine solche Vertragsbestimmung ist nur dann rechtswirksam, wenn sich feststellen lässt, dass die Parteien auch ohne die Anrechnungsabrede keine höhere Provision vereinbart hätten, als dem Teil der Gesamtvergütung entspricht, der nach Abzug des abredegemäß auf den Ausgleichsanspruch anzurechnenden Teils verbleibt. Die Beweislast dafür, dass diese Voraussetzung vorliegt, trifft den Unternehmer. Ist eine derartige Vertragsbestimmung hiernach nichtig, so ist der zur Anrechnung vorgesehene Teil der Vergütung als vom Unternehmer geschuldeter Teil der Gesamtvergütung anzusehen (Anschluss an BGH, Urteil vom 13. Januar 1972 - VII ZR 81/70 , BGHZ 58, 60 ).
III.
Rechtsnatur des Heimversorgungsvertrags
Urteil vom 14.07.2016, Az: III ZR 446/15
BGB § 280 Abs.1 ; ApoG § 12a Abs. 1
a)Der Heimversorgungsvertrag, den der Apotheker mit dem Heimträger nach § 12a Abs. 1 ApoG schließt, ist seiner Rechtsnatur nach ein der behördlichen Genehmigung unterliegender, privatrechtlicher, zugunsten der Heimbewohner wirkender Rahmenvertrag, der eine zentrale Versorgung der Heimbewohner durch die in dem Vertrag bestimmte Apotheke öffentlichrechtlich legalisiert.
b)Die gesetzliche Regelung in § 12a ApoG verfolgt eine doppelte Zielrichtung. Einerseits will der Gesetzgeber den Heimen im Sinne des § 1 HeimG einen sachkundigen Apotheker zur Seite stellen, der die "Heimapotheke" kostenlosführt. Andererseits soll der Apotheker für den nicht abgegoltenen Aufwand einen (potentiellen) finanziellen Ausgleich dergestalt erhalten, dass er die Heimbewohner im Rahmen eines auf längere Dauer angelegten Vertragsverhältnisses mit Arzneimitteln beliefert.
c)Eine Vertragspartei, die das Vertragsverhältnis unter Nichtbeachtung einer vereinbarten Kündigungsfrist kündigt, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB und begeht eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB (im Anschluss an BGH, Urteil vom 26. Januar 2009 - V ZR 133/08, NJW 2009, 1262).
IV.
Steuerfreie Nacharbeitszuschläge
BGH, Beschluss vom 29. Juni 2016, Az. VII ZB 4/15
Nachtarbeitszuschläge sind, soweit sie dem Schuldner von seinem Arbeitgeber steuerfrei im Sinne von § 3b EStG gewährt werden, als Erschwerniszulagen im Sinne von § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar.
V.
Satzungsänderung bei der GmbH einer sog. Einheitsgesellschaft
OLG Celle, Beschluss vom 06. Juli 2016, Az. 9 W 93/16
1. Für die Satzungsänderung bei der GmbH einer sog. Einheitsgesellschaft ist grundsätzlich deren Alleingesellschafterin, die Kommanditgesellschaft, zuständig; diese handelt im Regelfall durch ihre Organe, d.h. die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH selbst in vertretungsberechtigter Anzahl.
2. Dieser Grundsatz gilt nicht, wenn die Kommanditgesellschaft in ihrer Satzung die Zuständigkeit zur Wahrnehmung der Gesellschafterrechte bei der GmbH anders geregelt hat, z.B. einem Beirat übertragen hat.
VI.
Kündigung des Mietverhältnisses wegen unbefugter entgeltlicher Gebrauchsüberlassung
LG Berlin, Beschluss vom 27. Juli 2016, Az. 67 S 154/16
Die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen unbefugter entgeltlicher Gebrauchsüberlassung einer vom Mieter über ein Internetportal ("a...") angebotenen Mietwohnung an Touristen ist - ebenso wie die darauf gestützte ordentliche Kündigung - grundsätzlich nur dann wirksam, wenn der Vermieter den Mieter vor Ausspruch der Kündigung erfolglos abgemahnt hat.
VII.
Einwendungen des Mieters gegen eine Betriebskostenabrechnung
AG Hamburg, Urteil vom 06. Juli 2016, Az. 49 C 6/16
Pauschale Einwendungen des Mieters gegen eine Betriebskostenabrechnung sind unbeachtlich, soweit sich diese durch eine Belegeinsicht ggf. ausräumen lassen. Vor Erhebung einer Einwendung hat eine Belegeinsicht zu erfolgen, wenn diese eine Klärung der offenen Fragen ermöglicht (Anschluss an OLG Düsseldorf ZMR 2003, 57; AG Wedding GE 2014, 945; AG Wetzlar GE 2012, 1235; AG Hanau, Urteil vom 11. April 2012, 37 C 244/10 bei juris; AG Tempelhof-Kreuzberg GE 2010, 1351).
Soweit der Vermieter eine Belegeinsicht verweigert, besteht die Möglichkeit, dem Nachzahlungsanspruch im Wege des Zurückbehaltungsrechtes entgegenzutreten, wobei nach Gewährung der Belegeinsicht Einwendungen regelmäßig binnen einer Frist von 3 Monaten zu erheben sind.
VIII.
Erbenermittlungsvertrag
BGH, Urteil vom 19. Mai 2016, Az. III ZR 274/15
Erbenermittlungsvertrag: Wirksamkeit einer formularmäßigen Regelung über die Abhängigkeit einer weiteren Ermittlungstätigkeit von dem Erhalt einer Vollmacht und einem Honorarvertrag sämtlicher ermittelter Erben; Darlegungs- und Beweislast für den Eintritt der aufschiebenden Bedingung; Pflicht zur Auskunft und Rechenschaft
1.Die formularvertragliche Regelung, wonach ein Erbenermittler seinem Kunden gegenüber erst dann zu (weiteren) Tätigkeiten verpflichtet ist, wenn er von allen ermittelten Erben Vollmacht und Honorarvertrag erhalten hat, ist wirksam.
2.Die Darlegungs- und Beweislast für den Eintritt dieser aufschiebenden Bedingung trifft den Kunden.
3.Vor Begründung einer Betätigungspflicht ist der Erbenermittler grundsätzlich nicht gehalten, seinem Kunden Auskunft und Rechenschaft zu geben.
IX.
Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds: Anforderungen an den Verkaufsprospekt hinsichtlich der sog. Weichkosten
BGH, Urteil vom 21. Juni 2016, Az. II ZR 331/14
Der Prospekt eines geschlossenen Immobilienfonds informiert den Anlageinteressenten zutreffend über den Anteil der Kosten, die nicht in das Fondsgrundstück fließen (sog. Weichkosten), wenn der Interessent den im Prospekt angegebenen Anteil dieser Kosten an den Gesamtkosten mittels eines einfachen Rechenschritts in den Anteil an der Anlagesumme umrechnen kann.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
Rechtsanwalt
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