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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Auskunfts- und Herausgabepflicht der Mediaagentur
BGH, Urteil vom 16.06.2016, Az: III ZR 282/14
BGB §§ 666 , 667 Alt. 2 , § 675 Abs. 1
a)Mediaagenturverträge sind ihrer Rechtsnatur nach regelmäßig als Geschäftsbesorgungsverträge zu qualifizieren, bei denen sich der eine Teil (Mediaagentur) zur Ausführung einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Wahrung fremder Vermögensinteressen (insbesondere Mediaplanung und -einkauf) und der andere Teil (werbungtreibender Kunde) zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet.
b)Tritt die Mediaagentur bei den Mediabuchungen im eigenen Namen, aber für Rechnung des Auftraggebers auf, vereinnahmt sie zwar als Vertragspartnerin der Medien zunächst auch sämtliche Rabatte und sonstigen Vergünstigungen; wegen ihres Status als typische Geschäftsbesorgerin unterliegt sie jedoch den Auskunftsund Herausgabepflichten nach §§ 666 , 667 Alt. 2 BGB .
c)Der Umstand, dass ein Sondervorteil nicht unmittelbar an den Auftragnehmer, sondern an einen Dritten geleistet wird, schließt es nicht aus, dass der Auftragnehmer die Herausgabe schuldet. Entscheidend ist, ob eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls ergibt, dass der Beauftragte als der wirtschaftliche Inhaber des Vermögenswerts anzusehen ist (im Anschluss an BGH, Urteil vom 1. April 1987 - IVa ZR 211/85, NJW 1987, 1380).
II.
Nachträgliche Errichtung einer Photovoltaikanlage
BGH, Urteil vom 02.06.2016, Az: VII ZR 348/13
BGB § 634a Abs. 1 Nr. 2
Die (lange) Verjährungsfrist des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB von fünf Jahren für Arbeiten bei Bauwerken findet für die nachträgliche Errichtung einer Photovoltaikanlage auf dem Dach einer Tennishalle Anwendung, wenn die Photovoltaikanlage zur dauernden Nutzung fest eingebaut wird, der Einbau eine grundlegende Erneuerung der Tennishalle darstellt, die einer Neuerrichtung gleich zu achten ist, und die Photovoltaikanlage der Tennishalle dient, indem sie eine Funktion für diese erfüllt.
Eine auf dem Dach einer Tennishalle nachträglich errichtete Photovoltaikanlage erfüllt eine Funktion für die Tennishalle, wenn die Tennishalle aufgrund einer Funktionserweiterung zusätzlich Trägerobjekt einer Photovoltaikanlage sein soll. Unerheblich ist, dass die Photovoltaikanlage der Stromversorgung der Tennishalle nicht dient (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 - VII ZR 287/95, BauR 1997, 1018; Abweichung von BGH, Urteil vom 9. Oktober 2013 - VIII ZR 318/12 , NJW 2014, 845 = NZBau 2014, 558).
III.
Aufklärungspflicht eines Anlagevermittlers/-beraters bei Innenprovision
BGH, Urteil vom 23.06.2016, Az: III ZR 308/15
BGB § 675 Abs. 2
a)Die Pflicht eines Anlagevermittlers oder Anlageberaters zur Aufklärung über Innenprovisionen von mehr als 15 % besteht auch bei der Vermittlung einer Kapitalanlage in Form einer Eigentumswohnung.
b)Die Aufklärungspflicht des Anlagevermittlers oder Anlageberaters besteht unabhängig davon, ob die Kapitalanlage mittels eines Prospekts vertrieben wird oder nicht.
IV.
Wirksamkeit einer Bearbeitungsentgeltklausel in Unternehmerdarlehensvertrag
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 28.06.2016, Az: 4 S 230/15
Eine als Allgemeine Geschäftsbedingung in den Vertrag einbezogene Bearbeitungsentgeltklausel ist in einem mit einem Unternehmer (in Abgrenzung zum Verbraucher) geschlossenen Darlehensvertrag wirksam.
V.
Verbraucherdarlehensvertrag: Wirksamkeit einer Widerrufserklärung
OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.05.2016, Az: 17 U 175/15
1.Eine Widerrufsbelehrung, in der im Text zur Länge der Widerrufsfrist eine Frist von zwei Wochen und dahinter in Klammern eine solche von einem Monat genannt wird, genügt dem Deutlichkeitsgebot nicht. Ergibt sich - wie vorliegend - die erforderliche Klarheit auch nicht aus einer Fußnote, hat die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen.(Rn.16)
2.Es bedeutet keine unzulässige Rechtsausübung gem. § 242 BGB, wenn ein Verbraucher eine mangelhafte Widerrufsinformation und den damit nicht eingetretenen Fristbeginn dazu nutzt, sein Widerrufsrecht mit dem Ziel günstigerer Zinskonditionen auszuüben.(Rn.20)
3.Darüber hinaus spricht gegen die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung, dass trotz der Entscheidung des Gesetzgebers, den Widerruf an keine Begründung zu knüpfen, der Verbraucher sich in Zeiten fallender Zinsen zur Vermeidung der Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung zu seinen Motiven äußern müsste.(Rn.22)
VI.
Handelsrechtliche Mangelrüge entlang der Kaufvertragsverhältnisse
OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.07.2016, Az: 12 U 31/16
1.Beim Streckengeschäft hat die handelsrechtliche Mängelrüge grundsätzlich entlang der Kaufvertragsverhältnisse zu erfolgen (Anschluss an BGHZ 110, 130; Abgrenzung zu OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 21. Juni 2012, 15 U 147/11).
2.Im Fall einer erkannten und genehmigten Falschlieferung besteht für den Käufer Anlass, im Rahmen des § 377 HGB besonders sorgfältig zu untersuchen, ob die gelieferte Ware in den vertragswesentlichen Eigenschaften der bestellten entspricht (Fortführung BGH ZIP 2016, 722).
3.Fragt der Käufer aufgrund eines Mangelverdachts beim Hersteller nach und gibt ihm der Hersteller eine falsche Auskunft, entlastet das den Käufer mit Blick auf die Mängelrüge nach § 377 HGB gegenüber dem Verkäufer nicht. Die Auskunft des Herstellers ist dem Verkäufer grundsätzlich nicht zuzurechnen.
VII.
Kapitalanlageberatung: Bedeutung von Risikohinweisen in Beratungsprotokollen und in Rundschreiben für den Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung, Gegenbeweis der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens
OLG Celle, Urteil vom 23.06.2016, Az: 11 U 9/16
1.Ein Anleger muss sich grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorhalten lassen, wenn er die knapp und übersichtlich zusammengefassten Risikohinweise in einem ihm zur Unterschrift vorgelegten Beratungsprotokoll nicht liest.
2.Gleiches gilt, wenn der Anleger nicht bemerkt, dass seine Anlageziele und seine Mentalität in einem Beratungsprotokoll deutlich abweichend vom Tatsächlichen dargestellt sind.
3.Räumt ein als Zeuge vernommener Anlageberater bestimmte Beratungslücken im Allgemeinen - glaubhaft - ein, kann diese Aussage zur Erbringung des Beweises eines oder mehrerer Beratungsfehler im konkreten Einzellfall genügen, wenn nicht die in Anspruch genommene Beratungsgesellschaft sodann konkrete Anhaltspunkte dafür benennt, warum der Berater gerade den klagenden Kunden besser beriet.
4.Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens muss durch einen Vollbeweis widerlegt werden.
VIII.
Insolvenzanfechtung: Gläubigerkenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bei hohen Zahlungsrückständen in laufender Geschäftsbeziehung und Angebot eines Ratenzahlungsplans mit unbestimmtem Beginn
BGH, Urteil vom 16.06.2016, Az: IX ZR 23/15
Kündigt der Schuldner dem Gläubiger einer in den Vormonaten deutlich angewachsenen fälligen Forderung an, im Falle des Zuflusses neuer Mittel die Verbindlichkeit nur durch eine Einmalzahlung und zwanzig folgende Monatsraten begleichen zu können, offenbart er dem Gläubiger seine Zahlungsunfähigkeit.
IX.
Rechtsschutzversicherung: Reichweite des Ausschlusstatbestandes "nichteheliche Lebensgemeinschaft"; Bestimmung des Versicherungsfalls
OLG München, Beschluss vom 03.06.2016, Az: 25 U 1054/15
1.Die Ausschlussklausel § 3 Abs. 4 lit. b ARB-RU-2007 setzt einen ursächlichen Zusammenhang des zwischen nichtehelichen Lebenspartner geführten Rechtsstreits, für den Deckungsschutz begehrt wird, mit der nichtehelichen Lebensgemeinschaft voraus. Der Versicherungsschutz darf nicht weiter verkürzt werden als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Als Risikoausschlussklausel ist die Klausel grundsätzlich eng auszulegen.(Rn.1)
2.Ein bloßer zeitlicher Zusammenhang genügt jedenfalls nicht. Der Konflikt, der zu dem Rechtsstreit zwischen den nichtehelichen Lebenspartnern führt, muss seine Ursache in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft haben. Dies ist nicht der Fall bei Rechtsgeschäften zwischen Lebenspartner bzw. ehemaligen Lebenspartnern, wie sie typischerweise auch mit Dritten abgeschlossen werden.(Rn.3)
3.Ob die vom Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung beabsichtigte Interessenwahrnehmung dem Leistungsversprechen des Rechtsschutzversicherers unterfällt und ob sie von einem Leistungsausschluss für die Wahrnehmung bestimmter rechtlicher Interessen erfasst wird, ist vom Versicherungsfall her zu bestimmen. Dabei ist es für die Bestimmung des Versicherungsfalls unerheblich, was der Anspruchsgegner des Versicherungsnehmers gegen dessen Begehren einwendet. Andernfalls hätte dieser es - als mit Blick auf den Rechtsschutzversicherungsvertrag Außenstehender - selbst bei Verfolgung grundsätzlich versicherter vertraglicher Ansprüche in der Hand, allein schon durch die Wahl seiner Verteidigung dem Versicherungsnehmer den Rechtsschutz zu entziehen.(Rn.4)
X.
Vor- und Nacherbschaft, Freigabe eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks durch den Nacherben
OLG Hamm, Beschluss vom 13.05.2016, Az: 15 W 594/15
1.Durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen dem Vorerben und dem Nacherben kann ein zum Nachlass gehörendes Grundstück aus der Verfügungsbeschränkung der angeordneten Nacherbfolge entlassen werden.(Rn.14)
2.Es bedarf dann nicht der Zustimmung von Ersatznacherben zur Löschung eines eingetragenen Nacherbenvermerks.(Rn.14)
3.Ein Nacherbe kann einzelne Nachlassgegenstände freigeben und so die Bindung des Vorerben hinsichtlich dieser Nachlassgegenstände aufheben. Eine solche Freigabe kann jedenfalls durch ein vertragliches Zusammenwirken von Vor- und Nacherbe bewirkt werden.
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Michael Henn
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