SexMobs in Köln und Hamburg
über die neue deutsche Sexualmoral, verklemmte Richter und fragwürdige Sexualgesetze
„Respektiert uns! Wir sind kein Freiwild selbst wenn wir nackt sind!!!“ - am vergangenen Freitag zierte eine Frau vor dem Kölner Dom die Titelblätter, welche lediglich ein Schild mit dieser Aufschrift trug.
Dass da eine nackte Frau vor einem der bekanntesten christlichen Wahrzeichen Deutschlands weder ihre Brüste noch ihre Genitalien bedeckte, störte anscheinend niemanden. Wegen des Straftatbestands des Exhibitionismus können sich nach deutscher Rechtslage ohnehin nur Männer, nicht hingegen Frauen strafbar machen. Hätte sich aber ein Mann mit demselben Schild vor den Kölner Dom in aller Öffentlichkeit hingestellt und dabei seinen Penis entblößt, es hätte aller Wahrscheinlichkeit nach ein strafrechtliches Nachspiel gehabt.
Es sollte doch hoffentlich längst unbestritten sein, dass Menschen kein Freiwild sind, ob angezogen oder nackt, ob Frau oder Mann. Und der „Sex-Mob-Skandal“ mag in dem Exzess wie er sich zum Jahreswechsel gezeigt hat ungeahnte Dimensionen angenommen haben, neu ist die Masche dagegen keineswegs, und sie trifft dabei mitnichten ausnahmslos Frauen. Auf der Hamburger Reeperbahn ist das obszöne Antanzen mit dem darauffolgenden „beherzten“ Griff zischen die Beine um sich dabei – die für das Opfer perplexe Situation ausnutzend – diverser Wertgegenstände wie Handys oder Geldbeutel zu bemächtigten, ein Jahrzehnte lang bekanntes Phänomen. Dabei traf es Frauen wie Männer gleichermaßen, deren Strafanzeigen entweder gar nicht erst aufgenommen oder die mangels zu ermittelnder Täter eingestellt wurden. Und wenn dann tatsächlich mal ein Täter ermittelt werden konnte, wurde er (lediglich) wegen Diebstahls verurteilt.
Was genau ist also neu an der gegenwärtigen erhitzten Debatte, das Politik, Massenmedien und jetzt auch noch die Rechtsradikalen nach härteren Strafen bei sexueller Belästigung, und – wenn man schon mal dabei ist – für die Vergewaltiger gleich mit, fordert?
Der differenzierte Jurist wird antworten müssen: Nichts. Nichts ist neu an der gegenwärtigen Debatte um Sex-Mobs, sexuelle Belästigung und der neuen politischen Lieblingsdisziplin des Sexismus. Dass jemand, der einen anderen angrapscht, um so an dessen Habseligkeiten zu kommen (nur) wegen Diebstahls bestraft werden kann, ist ebenso wenig Neu, als dass jemand der mit Gewalt einem anderen den Finger in den Körper einführt wegen Vergewaltigung bestraft wird.
Der kurze Griff an die (bekleidete) Scham wie etwa an den Po, an die Brust oder in den Schritt mag eine „sexuelle Belästigung“ darstellen, ein strafrechtlich relevantes Sexualdelikt stellt dieses Verhalten indes nach aktueller Gesetzeslage nicht dar. Denn diese fordert im Falle einer sexuellen Handlung die Überschreitung einer gewissen „Erheblichkeitsschwelle“ für deren Strafbarkeit als Sexualdelikt. Dies hat seinen Grund vor allem in der Höhe der Strafandrohung, denn das einzig in Frage stehende Sexualdelikt beim Begrapschen oder Antatschen oberhalb der Bekleidung, die „sexuelle Nötigung“, hat bereits ein Strafmaß von mindestens einem Jahr und bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe! Einen Straftatbestand für das was das „bloße“ Begrapschen darstellt, nämlich eine sexuelle Belästigung, gibt es aber im deutschen Strafrecht bisher (noch) nicht und das aus gutem Grund: Der Gesetzgeber fürchtete eine völlige Ausuferung der Strafbarkeit bloßer Anmachen und geschlechtlicher Anbahnungsversuche. Die nächtliche Bar-Bekanntschaft deren umarmende Hand beim Versuch seinem Gegenüber etwas näher zu kommen ein wenig zu weit von der Hüfte in Richtung Po gerutscht ist, sollte sich deshalb nicht gleich eines Strafverfahrens ausgesetzt sehen. Und da das deutsche Recht keine Strafe ohne Gesetz zulässt, bedeutet die mangelnde Kodifikation eines Straftatbestandes für sexuelle Belästigungen, dass auch der Sex-Mob-Täter, der sein Opfer (oberhalb der Bekleidung) begrapscht um durch dieses Ablenkungsmanöver letztlich nur an die Wertgegenstände zu gelangen auch tatsächlich nur wegen Diebstahls bestraft werden kann.
Umgekehrt wird aber ein Sex-Mob-Täter, der die oben beschriebene Erheblichkeitsschwelle überschreitet, weil er etwa mit Gewalt in die Hose seines Opfers hineingreift oder gar den Finger in die Vagina einführt, selbstverständlich auch nach der aktuellen Rechtslage wegen sexueller Nötigung oder Vergewaltigung verurteilt.
Woher also die für den Sex-Mob geforderten „harten Strafen“ herkommen sollen, wenn es dabei nach derzeitiger Rechtslage lediglich um einen einfachen Diebstahl geht, der entweder mit einer kleineren Geldstrafe bestraft oder oftmals (zumindest bei Ersttätern) sogar von den Staatsanwaltschaften eingestellt wird, ist schleierhaft. Mit den derzeitigen Gesetzen bleibt es bei der „Sex-Mob-Masche“ bei dem was es ist, einem Diebstahl. Den Straftatbestand der „sexuellen Belästigung“ gibt es indes nach derzeitigem Recht nicht. Es wäre an der Politik, einen solchen zu schaffen – immer unter Abwägung der oben beschriebenen Problematik hierdurch womöglich eine Vielzahl mehr oder weniger sozialadäquater Annäherungsversuche in der zwischenmenschlichen Partnersuche zu kriminalisieren.
Warum die Politik im Zuge der aktuellen Stimmungslage nun einmal mehr ausgerechnet den Tatbestand der sexuellen Nötigung / Vergewaltigung verschärfen will, stimmt noch bedenklicher, wenn jeder „Grabscher“ künftig für mindestens ein Jahr ins Gefängnis soll. Nicht nur, dass dann die Gefängnisse sehr bald überfüllt sein könnten, eine derart harte Bestrafung wäre zudem schlicht unverhältnismäßig. Nur zum Vergleich: Ein unvermittelter Schlag ins Gesicht ist als Körperverletzung im Mindestmaß mit bloßer Geldstrafe und im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren bedroht. Der überraschende Griff in den Schritt wäre dann um ein Vielfaches härter bestraft als der überraschende Schlag ins Gesicht.
Und dass die bisherige Ausformung des Vergewaltigungstatbestandes nicht „hart“ genug sei, muss bei objektiver Betrachtung stark angezweifelt werden:
Unter einer Vergewaltigung stellt sich der juristische Laie meist eine düstere Bahnhofsszenerie, eine schwach beleuchtete Tiefgarage oder eine einsame Bushaltestelle vor, wo der schwarz maskierte Brutalotyp dem ahnungslosen Opfer auflauert, um es mit plötzlicher körperlicher Gewalt zum Geschlechtsverkehr zu zwingen.
Solche Fälle machen aber in der Rechtswirklichkeit gerade einmal 3 Prozent aus. Der überwiegende Teil der angezeigten Vergewaltigungen findet – zumindest in Deutschland – in Bekannten- und Beziehungskreisen statt und hat oftmals nicht einmal einen tatsächlichen Geschlechtsakt zum Vorwurf.
Was viele nicht wissen: jedes Einführen in den Körper des Opfers, egal welchen Körperteils oder Objekts (also auch z.B. des Fingers), ist - wenn dies mit Gewalt oder der Androhung einer solchen für Leib oder Leben geschieht - ausreichend, um wegen Vergewaltigung verurteilt zu werden. Mit anderen Worten, wenn es den Täter sexuell anturnt, seinem Opfer mit Gewalt oder unter Drohung mit Schlägen etc. den Finger in die Nase zu stecken, stellt auch dies nach deutscher Rechtslage eine Vergewaltigung dar, die mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft werden kann.
Noch schärfer wird das aktuelle Gesetz zum Vergewaltigungstatbestand indes, dass bereits das bloße Ausnutzen einer „schutzlosen Lage“ des Opfers zu einer Verurteilung führen kann, sprich, wenn das Opfer eine sexuelle Handlung nicht nur deshalb duldet, weil es vom Täter bedroht oder mit Gewalt traktiert wird, sondern weil es sich stattdessen dem Täter schutzlos ausgeliefert sieht! Auch dann kann ein Gericht bereits wegen Vergewaltigung verurteilen – ganz ohne Gewalt, ganz ohne Drohung und der Grund für die Schutzlosigkeit ist nach dem Wortlaut des Gesetzes dabei sogar noch völlig unerheblich. So soll es beispielsweise bereits ausreichen, wenn das Opfer alleine mit dem Täter in der Wohnung ist - was bei Geschlechtsverkehr, auch einvernehmlichem, quasi der Regelfall ist! Dabei gilt dies selbst dann, wenn das Opfer freiwillig mit dem Täter in die Wohnung gegangen ist.
Und ganz nebenbei bemerkt: Objektive Beweise zur Überführung eines Täters fordert das deutsche Recht – im Gegensatz zu den meisten ausländischen Staaten – nicht. Steht also beim Vorwurf einer Vergewaltigung Aussage gegen Aussage, was in fast allen angezeigten Fällen der Vergewaltigung der Fall ist, weil Sex eben selten unter Aufsicht von Zeugen stattfindet, dann darf der deutsche Richter sich frei entscheiden, wem er glaubt: dem vermeintlichen Opfer oder dem vermeintlichen Täter. Im amerikanischen Rechtssystem wäre das undenkbar!
Hinzu kommen Richter mit einer immens hohen Hemmschwelle, überhaupt über sexuelle Themen zu sprechen. Der Urteilsfindung liegen daher oft floskelhafte Begründungen in gewohnt korrekter Amtssprache zu Grunde: „Also dann hat er sie da unten, naja Sie wissen schon, unterhalb des Bauchnabels, also da in der Nähe zwischen Ihren Beinen berührt“ - so das Zitat eines oberbayerischen Richters für die Umschreibung des Begriffs „Vagina“.
Sieht man sich dann so manche Einzelfallentscheidungen von deutschen Gerichten hierzu an, so wird schnell klar, dass der Vorwurf einer Vergewaltigung wirklich JEDEN treffen kann: Schutzlosigkeit des Opfers (und damit der Vorwurf einer Vergewaltigung) liegt nach Ansicht der Rechtsprechung nämlich schon dann vor, wenn die Lage des Ortes an dem das Opfer mit dem Täter Sex hat entlegenen ist, bei mangelnder Erreichbarkeit von Hilfe (auch in der eigenen Wohnung), einer altersbedingten Einschränkung, sowie aufgrund schlechter körperlicher und psychischer Konstitution des Opfers - ohne das diese Begriffe näher definiert wären – dies alles wohlgemerkt ohne dass der Täter jemals Gewalt verübt oder mit einer solchen gedroht hätte!
Allein diese Beispiele zeigen, dass der bewussten oder unbewussten Falschbezichtigung durch angebliche Opfer bereits jetzt Tür und Tor geöffnet ist. Kaum ein Sexualkontakt findet nämlich in unmittelbarer Nähe hilfs- und eingriffsbereiter Personen statt. Beim Sex will man in der Regel ungestört sein, was zur Folge hat, dass nach obiger Definition letztlich jeder Sexualkontakt zugleich eine „schutzlose Lage“ darstellt und es einmal mehr den Gerichten überlassen ist, ein solch hartes und schwammiges Gesetz mal mehr mal weniger einschränkend auszulegen.
Mit anderen Worten, der Straftatbestand der sexuellen Nötigung / Vergewaltigung ist völlig ausreichend kodifiziert - er stellt sogar eines der strengsten Gesetzes-Ausformungen im weltweiten Vergleich dar und führt selbst dann zu einer Verurteilung wenn ein Täter nicht einmal Gewalt ausübt sondern lediglich damit droht oder gar eine schutzlose Lage des Opfers ausnutzt. Er muss nicht einmal den Geschlechtsverkehr ausüben, wie gezeigt ist z.B. das bloße Einführen eines Fingers in eine Körperöffnung ausreichend um wegen Vergewaltigung verurteilt zu werden.
Aber es wäre ja auch nicht das erste Mal, dass eine auf Stimmenfang basierende Politik einen durch zwielichtige Frauenverbände und reißerische Berichterstattung angeheizten Wähler mit dem Ruf nach noch strengeren Gesetzen und noch härteren Strafen bei Laune hält. Nicht zuletzt sorgte ja die „Edathy-Affäre" für ausreichend Aktionismus eines sonst eher blass wirkenden Bundesjustizministers, nach dessen Gesetzesentwurf die bloße Nacktheit kriminalisiert werden sollte, wenn es plötzlich nur noch „Berechtigten“ gestattet sein sollte, einfache Nacktaufnahmen von Kindern, sei es beim Strandurlaub oder im Schwimmbad, zu besitzen – ohne überhaupt darüber nachzudenken, wer alles hierzu eigentlich berechtigt sein sollte: die Eltern, die Großeltern, Onkel, Tanten, Schwippschwager? Was, wenn beim obligatorischen Urlaubsfoto ein unbekleidetes Kind im Hintergrund zu sehen ist? Es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, dass eine Vielzahl gedemütigter Kinder die von ihren Eltern in den unzähligen Fotoalben liebevoll eingeklebten Nacktaufnahmen in der Badewanne oder am Strand unter Androhung einer entsprechenden Strafanzeige loswerden hätten werden können, um sich künftig die drohenden peinlichen Momente zu ersparen, wenn die Eltern bei Familienfesten einmal mehr die Alben mit den beschämenden Bildern zücken.
Bei der neu entbrannten Sexismus-Debatte wird eines aber wieder einmal deutllich: Ob Sex-Mobs oder Nacktbilder: Sexualstrafrecht hat keine Lobby. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema findet schlicht nicht statt. Seit Abschaffung des „Schwulen-Paragraphen“, der vor 20 Jahren ausschließlich Männer mit bis zu 5 Jahren Gefängnis abstrafte, hat sich das Sexualstrafrecht stets und konsequent verschärft.
Dies mit der leidvollen Konsequenz, dass das deutsche Sexualstrafrecht zunehmend groteskere Ausmaße annimmt:
So darf nach deutschem Recht ein 99-Jähriger mit einer 14-Jährigen ganz legal den härtesten Sex betreiben, so lange der Sex freiwillig geschieht.
Ein 18-Jähriger dürfte aber seiner 17-jährigen Freundin keinen Pornofilm zeigen, denn dies ist mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht!
Der soeben vierzehn Jahre alt gewordene Junge, der mit seiner nur eine Woche jüngeren Freundin bisher regelmäßig einvernehmlichen Geschlechtsverkehr hatte, darf die Woche bis zum vierzehnten Geburtstag seiner Freundin keinen Sex mit ihr haben, um sich nicht in diesem Zeitraum des (schweren) sexuellen Missbrauchs einer 13-Jährigen strafbar zu machen.
Andererseits ist das Spannen auf Toiletten, in Umkleidekabinen oder an Stränden völlig straffrei.
Gleiches gilt – wie oben gezeigt - bislang für das Betatschen der weiblichen Brust oder des Pos, solange man den anderen damit nicht beleidigen will.
Wenn ein Mann sich aber in der Öffentlichkeit nackig macht und man dabei seinen Penis sieht, gilt er schnell als Exhibitionist und wird dafür mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft. Tut dies dagegen eine Frau, ist das nicht strafbar: Exhibitionismus gilt halt – sowie der Schwulen-Paragraph früher auch – nur für Männer.
Selbst wenn die Gefahr besteht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit behinderte Kinder zu zeugen, dürfen behinderte Menschen so viel Sex miteinander haben wie sie wollen - zu Recht, weil nach der Meinung des Grundgesetzes die Würde des Menschen unantastbar ist. Geschwister hingegen dürfen wegen der bloß abstrakten Gefahr der Zeugung behinderter Kinder (die gerade nicht wissenschaftlich bewiesen ist und z.B. durch Verhütung auch ausgeschlossen wäre), keinen Geschlechtsverkehr haben, das ist strafbar.
Und wer mit seiner Ehefrau Sex hat, nachdem sie eingeschlafen ist, wird mit mindestens 2 und bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft.
Nach den Ereignissen rund um die Silvesternacht in Köln und Hamburg stellen sich nach alledem zwei Fragen:
Kann es in Deutschland überhaupt noch zu sexuellen Anbahnungen kommen, ohne dass man(n) sich vorher am besten schriftlich und wenig romantisch gegen Strafanzeigen, Anklagen oder gar Verurteilungen wegen eines Sexualdeliktes absichert?
Und wie geht man mit neuen Erscheinungsformen sexualisierter Übergriffe, wie etwa den sogenannten „Sex-Mobs, um?
Die Antwort muss lauten: MAßVOLL. Wie schade, dass unser Bundesjustizminister, der dieses Wort doch schon im Namen trägt, so weit davon entfernt ist.
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