Provisionen bei Fonds: Schadenersatzwelle rollt auf Banken und Anlageberater zu
Bisher hatte der Bundesgerichtshof sich nur zur Aufklärung über Provisionen bei Investmentfonds geäußert. In zwei aktuellen Entscheidungen hat der BGH (XI ZR 510/07; XI ZR 184/08) nun klargestellt, dass die Verpflichtung zur Aufklärung über Provisionsinteressen auch für geschlossene Fonds gilt. Die sehr grundsätzliche Begründung der Entscheidungen legt nahe, dass die Wertung des Gerichts unabhängig von der Art des jeweiligen Anlageproduktes Geltung beansprucht.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht von dem Grundsatz aus, dass ein Anlageberater ausschließlich im Interesse seines Kunden tätig ist. Dies entspricht auch der Vorstellung der Kunden, denen überwiegend (57 %) nicht bewusst ist, dass ihre Bank oder ihr Anlageberater von den Fondsanbietern Provisionen erhalten. 63 % sind deshalb auch völlig arglos und befürchten nicht, dass ihnen vor allem provisionsträchtige Anlageprodukte empfohlen werden, so eine repräsentative Umfrage aus dem Jahr 2007. Folgerichtig sieht die Rechtsprechung daher die Verpflichtung der beratenden Bank oder des Anlageberaters, den Kunden über bestehende Eigeninteressen am Zustandekommen des im Rahmen der Beratung empfohlenen Geschäfts aufzuklären. Ob es sich bei den Zuwendungen dabei um Kickbacks, Provisionen oder Rückvergütungen handelt, ist vor diesem Hintergrund von untergeordneter Bedeutung.
Die Entscheidung gilt für alle geschlossenen Fonds, ist aber darüber hinaus aber von viel grundsätzlicherer Bedeutung. Der BGH will das Vertrauen des Anlegers in die Neutralität seines Beraters schützen und sanktioniert die Verletzung dieses Vertrauensverhältnisses mit der Schadenersatzpflicht des Beraters. Wenn der BGH von einem allgemein anerkannten Grundsatz der Vermeidung von vertragswidrigen Interessenkonflikten spricht, ist zu erwarten, dass er dies letztlich völlig losgelöst vom jeweiligen Produkt auf alle Beratungsverhältnisse anzuwenden gedenkt. In der Konsequenz wäre dann auch bei einer Versicherungsberatung oder bei einer Finanzierungsberatung, bei der der Abschluss einer Versicherung oder eines Bausparvertrages als Bestandteil des Finanzierungskonzepts empfohlen wird, der Berater verpflichtet, auf die ihm zufließenden Provisionen hinzuweisen.
Die Entscheidungen betreffen Berater, nicht aber Vermittler. Die Abgrenzung von Anlageberatung und Anlagevermittlung fällt aber insbesondere den vor Ort tätigen Finanzdienstleistern schwer, die sich oftmals als bloße Vermittler sehen, obwohl sie im Rechtssinne Anlageberater sind. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Einordnung als Anlagevermittler oder Anlageberater ist, wie der Finanzdienstleister gegenüber dem Kunden auftritt. Bezeichnet er sich selbst als Vermögensberater, Finanzberater oder Finanzplaner und bringt so oder auf andere Weise besondere Sachkunde zum Ausdruck, wird der Kunde ihn als Berater wahrnehmen. Von einer Anlageberatung ist auch dann auszugehen, wenn der Finanzdienstleister mehr als nur ein einziges Produkt anbietet. Ebenfalls Anlageberater ist, wer eine Vermögensanalyse oder eine Berechnung über die wirtschaftlichen Auswirkungen der empfohlenen Investition für den Anleger erstellt. Was bleibt, sind Situationen, in denen tatsächlich nur ein Produkt angeboten wird.
Der Vermittler handelt nach außen als Vertreter eines bestimmten Produktgebers, dessen Produkte er „verkaufen“ möchte. Produkte anderer Anbieter werden von ihm nicht vorgestellt. Meist wird darauf hingearbeitet, einen Vertrag zu einem bestimmten Produkt abzuschließen, welches angeboten und empfohlen wird. Dabei steht der werbende und anpreisende Charakter der Aussagen für den Kunden erkennbar im Vordergrund. Dann, und nur dann, haben wir es mit einem Anlagevermittler zu tun, der erst dann über Provisionen aufklären muss, wenn sie größer als 15 Prozent und damit in den Augen des BGH nicht mehr marktüblich sind. Nichts desto trotz müssen auch die Angaben des Anlagevermittlers zur Höhe der anfallenden oder ihm zufließenden Provisionen, wenn er sie denn macht, zutreffen.
Von dieser Rechtsprechung sind rein rechtlich alle in den zurückliegenden 30 Jahren vertriebenen Anlageprodukte betroffen, soweit es sich nicht um Wertpapieranlagen gehandelt hat.
Mit der Neuregelung der Verjährungsvorschriften zu 1. Januar 2002 ist die ursprünglich 30-jährige Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung auf 10 Jahre verkürzt worden. „Altfälle“ aus der Zeit vor 2002 verjähren danach spätestens zum 31. Dezember 2011, wenn nach der alten Regelung nicht vorher Verjährung eingetreten wäre. Da die Anleger regelmäßig keine Kenntnis davon hatten, dass ihre Berater für den Abschluss des Investments Provisionen erhalten haben, kann die neue, kenntnisabhängige Verjährung hier außer Betracht bleiben.
Wenn ich nach unserer Erfahrung davon ausgehe, dass bis vor kurzem bei keinem Anlageprodukt die Zuwendungen offengelegt wurden, dann wage ich für geschlossene Fonds die Behauptung, dass in 99 % aller Fälle die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Tragen kommen wird. Der Gang zum qualifizierten Fachanwalt dürfte sich daher für die meisten Anleger lohnen.
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