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Michael Henn
Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte
Gerokstrasse 8
70188 Stuttgart


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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart



I.
Dynamik einer Verweisungsklausel nach Betriebsübergang
Bundesarbeitsgericht Beschluss vom 17.06.2015, Az. 4 AZR 61/14 (A)

Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um eine Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit seiner Auslegung von § 613a Abs. 1 BGB mit Unionsrecht ersucht. Dabei geht es um die Wirkung einer zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Arbeitnehmer einzelvertraglich vereinbarten Klausel, die dynamisch auf einen Tarifvertrag verweist, im Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber.
Der Kläger ist seit 1978 als Hausarbeiter in einem Krankenhaus beschäftigt. Im Arbeitsvertrag ist eine Verweisung auf den Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter/Arbeiterinnen gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31. Januar 1962 (BMT-G II) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge vereinbart. Träger des Krankenhauses war ursprünglich ein Landkreis, der Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) war. Im Jahr 1995 wurde das Krankenhaus privatisiert und nunmehr von einer GmbH betrieben, die ebenfalls Mitglied im KAV war. Mit Blick auf eine geplante Ausgliederung schlossen die GmbH, deren Betriebsrat und die K. FM GmbH i.G. im Jahr 1997 einen Personalüberleitungstarifvertrag. Danach sollten „der BMT-G II in der jeweils geltenden Fassung einschließlich der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge“ für die Arbeitsverhältnisse der Arbeiterinnen und Arbeiter „weiterhin“ bei dem Betriebserwerber Anwendung finden. Am 31. Dezember 1997 ging der Betriebsteil, in dem der Kläger beschäftigt war, auf die K. FM GmbH i.G. über, die nicht Mitglied im KAV war. In der Folgezeit wurde auf das Arbeitsverhältnis weiterhin der BMT-G II angewandt. Die K. FM GmbH gab allerdings die beiden tariflichen Lohnerhöhungen im Jahr 2004 nicht weiter. Mit Wirkung zum 1. Juli 2008 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die Beklagte über. Diese wandte auf das Arbeitsverhältnis weiterhin die Vorschriften des BMT-G II an. Mit seiner Klage hat der Kläger die Anwendung des TVöD-VKA und des TVÜ-VKA auf sein Arbeitsverhältnis begehrt. Er ist - anders als die Beklagte - der Auffassung, diese seien als den BMT-G II ersetzende Tarifverträge auf sein Arbeitsverhältnis dynamisch anwendbar. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.
Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts geht davon aus, dass der Erwerber eines Betriebsteils nach nationalem Recht aufgrund von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB an eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, die auf Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Bezug nimmt und deren Regelungen aufgrund privatautonomer Willenserklärungen zum Inhalt des Arbeitsvertrags gemacht hat (sog. dynamische Bezugnahmeklausel), vertraglich so gebunden ist, als habe er diese Vertragsabrede selbst mit dem Arbeitnehmer getroffen. Im Wege des Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV soll geklärt werden, ob dieser Auslegung des nationalen Rechts unionsrechtliche Vorschriften - insbesondere Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG und Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - entgegenstehen. Für deren Auslegung ist allein der EuGH zuständig.
Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Union ein weiteres Verfahren mit den gleichen Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (- 4 AZR 95/14 (A) -). Beklagte in dem dortigen Verfahren ist ein anderes Unternehmen desselben Konzerns.
In vier weiteren Verfahren (- 4 AZR 59/14 -, - 4 AZR 60/14 -, - 4 AZR 85/14 - und - 4 AZR 96/14 -) hat der Senat den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des EuGH in den Vorabentscheidungsverfahren - 4 AZR 61/14 (A) - und - 4 AZR 95/14 (A) - ausgesetzt.

Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2015&nr=18083&pos=0&anz=33&titel=Dynamik_einer_Verweisungsklausel_nach_Betriebs%FCbergang



II.
Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung - Betriebsübergang
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.3.2015, Az.2 AZR 783/13

Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&Datum=2015&nr=18056&pos=5&anz=93

III.
Betriebsbedingte Kündigung - Sozialauswahl
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.3.2015, Az. 2 AZR 478/13

Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&Datum=2015&nr=18029&pos=4&anz=93

IV.
Rechtsweg - Ausbildung - Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15.4.2015, Az.9 AZB 10/15

Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&Datum=2015&nr=18033&pos=2&anz=93

V.
Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 14 TVöD-AT - Vertretung
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.4.2015, Az. 6 AZR 242/14

Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&Datum=2015&nr=18078&pos=1&anz=93

VI.
Nicht vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung - Rechtsfolge
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.4.2015, Az. 9 AZR 883/13

Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&Datum=2015&nr=18059&pos=0&anz=93

VII.
Diskriminierungsschutz bei Scheinbewerbung?
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.06.2015, Az. 8 AZR 848/13 (A)

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dem Gerichtshof der Europäischen Union ua. folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist das Unionsrecht dahingehend auszulegen, dass auch derjenige „Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit“ sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können?

Der Kläger hat 2001 die Ausbildung zum Volljuristen abgeschlossen und ist seither überwiegend als selbständiger Rechtsanwalt tätig. Die Beklagte, die zu einem großen Versicherungskonzern gehört, schrieb ein „Trainee-Programm 2009“ aus. Dabei stellte sie als Anforderung einen nicht länger als ein Jahr zurückliegenden oder demnächst erfolgenden sehr guten Hochschulabschluss und qualifizierte berufsorientierte Praxiserfahrung durch Ausbildung, Praktika oder Werkstudententätigkeit. Bei der Fachrichtung Jura wurden zusätzlich eine arbeitsrechtliche Ausrichtung oder medizinische Kenntnisse erwünscht. Der Kläger bewarb sich hierfür. Er betonte im Bewerbungsschreiben, dass er als früherer leitender Angestellter einer Rechtsschutzversicherung über Führungserfahrung verfüge. Derzeit besuche er einen Fachanwaltskurs für Arbeitsrecht. Weiter führte er aus, wegen des Todes seines Vaters ein umfangreiches medizinrechtliches Mandat zu betreuen und daher im Medizinrecht über einen erweiterten Erfahrungshorizont zu verfügen. Als ehemaliger leitender Angestellter und Rechtsanwalt sei er es gewohnt, Verantwortung zu übernehmen und selbständig zu arbeiten.

Nach der Ablehnung seiner Bewerbung verlangte der Kläger eine Entschädigung iHv. 14.000,00 Euro. Die nachfolgende Einladung zum Gespräch mit dem Personalleiter der Beklagten lehnte er ab und schlug vor, nach Erfüllung seines Entschädigungsanspruchs sehr rasch über seine Zukunft bei der Beklagten zu sprechen.

Aufgrund der Bewerbungsformulierung und des weiteren Verhaltens geht der Senat davon aus, dass sich der Kläger nicht mit dem Ziel einer Einstellung beworben hat. Das Bewerbungsschreiben steht einer Einstellung als „Trainee“ entgegen. Die Einladung zu einem Personalgespräch hat er ausgeschlagen. Damit ist der Kläger nach nationalem Recht nicht „Bewerber“ und „Beschäftigter“ iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG. Das Unionsrecht nennt jedoch in den einschlägigen Richtlinien nicht den „Bewerber“, sondern schützt den „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit“. Nicht geklärt ist, ob das Unionsrecht ebenfalls voraussetzt, dass wirklich der Zugang zur Beschäftigung gesucht und eine Einstellung bei dem Arbeitgeber tatsächlich gewollt ist. Ob für das Eingreifen des unionsrechtlichen Schutzes das Vorliegen einer formalen Bewerbung genügt, ist eine allein dem Gerichtshof überantwortete Auslegungsfrage.

Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2015&nr=18084&pos=0&anz=34&titel=Diskriminierungsschutz_bei_Scheinbewerbung?
 

VIII.
Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die rückwirkende Feststellung der Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen

Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 35/2015 vom 29. Mai 2015

Die rückwirkende Feststellung der Arbeitsgerichte, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen nicht tariffähig ist und daher keine wirksamen Tarifverträge abschließen kann, ist mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) vereinbar. Dies hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden. Die Gesetzesauslegung durch die Gerichte unterliegt nur ausnahmsweise dem Vertrauensschutz, etwa bei einer nicht vorhersehbaren Änderung der langjährigen ständigen Rechtsprechung. Eine solche Konstellation ist hier nicht gegeben.

Sachverhalt und Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerinnen sind insgesamt 18 Unternehmen der Zeitarbeitsbranche. Das Bundesarbeitsgericht hatte in einem anderen Verfahren, das nicht Gegenstand der vorliegenden Verfassungsbeschwerde ist, mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 festgestellt, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nicht tariffähig ist. Die vorliegend angegriffenen Entscheidungen betreffen die rückwirkenden Folgen dieser Rechtsprechung. Zum einen wenden sich die Beschwerdeführerinnen gegen Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2012 und des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Mai 2012, die die Tarifunfähigkeit der CGZP zu zurückliegenden Zeitpunkten in den Jahren 2004, 2006 und 2008 betreffen. Zum anderen wenden sie sich gegen einen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 23. Mai 2012, nach dem kein Grund mehr für die Aussetzung einer Klage auf Differenzlohn bestehe, da die Tarifunfähigkeit der CGZP nunmehr für die maßgeblichen Zeitpunkte in den Jahren 2003, 2005 und 2006 feststehe.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch die Arbeitsgerichte mit Wirkung für die Vergangenheit genügt den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG.
1.Im Rechtsstaatsprinzip sind die Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verankert. Daher ist eine echte Rückwirkung von Gesetzen verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Sie liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Höchstrichterliche Rechtsprechung ist jedoch kein Gesetzesrecht und erzeugt keine vergleichbare Rechtsbindung. Die über den Einzelfall hinausreichende Geltung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung beruht allein auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe, der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung kann daher in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung entstehen.
2.Davon ausgehend konnten die Gerichte für Arbeitssachen die Tarifunfähigkeit der CGZP mit Wirkung für die Vergangenheit feststellen, ohne gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes zu verstoßen.
a)Maßgebend sind auch hier die für die höchstrichterliche Rechtsprechung geltenden Grundsätze. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Feststellung der Tarifunfähigkeit einer Vereinigung nicht nur zwischen den Parteien, sondern für und gegen alle wirkt. Die richterliche Entscheidung betrifft dennoch im Einzelfall die Tariffähigkeit einer bestimmten Vereinigung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums.
b)Die besonderen Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise auch eine Änderung der Rechtsprechung den im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Vertrauensschutz verletzen kann, liegen nicht vor.
Die Beschwerdeführerinnen konnten nicht auf höchstrichterliche Rechtsprechung vertrauen, denn eine solche lag zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen nicht vor. Das Bundesarbeitsgericht hat die Tarifunfähigkeit der CGZP erstmals im Beschluss vom 14. Dezember 2010 festgestellt. Das entsprach nicht dem, was die Beschwerdeführerinnen für richtig hielten. Die bloße Erwartung, ein oberstes Bundesgericht werde eine ungeklärte Rechtsfrage in einem bestimmten Sinne beantworten, begründet jedoch kein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen.
An der Tariffähigkeit der CGZP bestanden von Anfang an erhebliche Zweifel. Gleichwohl haben die Beschwerdeführerinnen die Tarifverträge der CGZP angewendet und kamen damit in den Genuss niedriger Vergütungssätze. Mit der angegriffenen Entscheidung hat sich das erkennbare Risiko realisiert, dass später die Tarifunfähigkeit der CGZP festgestellt werden könnte. Allein der Umstand, dass die genaue Begründung des Bundesarbeitsgerichts für diese Entscheidung nicht ohne weiteres vorhersehbar war, begründet keinen verfassungsrechtlich zu berücksichtigenden Vertrauensschutz.
Ein schutzwürdiges Vertrauen der Beschwerdeführerinnen in die Wirksamkeit der CGZP-Tarifverträge lässt sich auch nicht mit dem Verhalten der Sozialversicherungsträger und der Bundesagentur für Arbeit sowie der Heranziehung dieser Tarifverträge durch das Bundesarbeitsgericht bei der Ermittlung der branchenüblichen Vergütung begründen. Denn die Entscheidung über die Tariffähigkeit einer Vereinigung obliegt allein den Gerichten für Arbeitssachen in einem besonders geregelten Verfahren.

Siehe:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2015/bvg15-035.html
Volltext Beschluss:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/04/rk20150425_1bvr231412.html;jsessionid=288F1AAC6AC154B74CEE8DA2FFD561EF.2_cid394

IX
Zur Frage, auf welche Gehaltsbestandteile der gesetzliche Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) anwendbar ist
Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.4.2015, 5 Ca 1675/15

Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/duesseldorf/arbg_duesseldorf/j2015/5_Ca_1675_15_Urteil_20150420.html

X.
Sonderzahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld) trotz Elternzeit
Landesarbeitsgericht Saarbrücken, Urteil vom 22.4.2015, Az. 2 Sa 103/14

1.Eine Sonderzahlung hat dann keinen reinen Entgeltcharakter, wenn in dem sie tragenden Regelwerk Rückzahlungs- oder Ausschlussklauseln für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. ausdrückliche Kürzungsregeln aufgenommen sind.

2.Vereinbarungen in einem Arbeitsvertrag, die ohne Differenzierung die Möglichkeit der ratierlichen Kürzung im Betrieb gewährter Sonderzahlungen ohne reinen Entgeltcharakter für angefallene Fehlzeiten und Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses vorsehen, sind als unangemessen benachteiligende Regelungen i.S.d. § 307 BGB unwirksam. Solche Bestimmungen erfassen nämlich auch Fehlzeiten als Folge von Beschäftigungsverboten nach §§ 3, 6 MuSchG, in welchen das Arbeitsverhältnis gerade nicht ruht.


3.Eine Kürzung des aufgrund betrieblicher Übung gewährten Urlaubsgeldes wegen Fehlzeiten im Zusammenhang mit von Beschäftigten genommener Elternzeit kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn das Urlaubsgeld als saisonale Sonderzahlung unabhängig von der tatsächlichen Urlaubsnahme im Betrieb gewährt wird.

Siehe:
http://www.rechtsprechung.saarland.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=sl&Art=en&Datum=2015&nr=5031&pos=9&anz=93

XI.
Teilzeitantrag einer Flugbegleiterin
Arbeitsgericht München, Urteil vom 22.4.2015, Az.9 Ga 61/15

1.Flugpläne einer Fluggesellschaft stellen ein zulässiges betriebliches Organisationskonzept dar (vgl. BAG, Urt. v. 15.8.2006, 9 AZR 30/06).
2.Steht eine Flugbegleiterin bei einer auf 25 Prozent der Regelarbeitszeit reduzierten Arbeitszeit in mehreren Monaten im Jahr nicht für fünftägige Flugketten (entsprechend dem Flugplan) zur Verfügung, steht ein entsprechender Teilzeitwunsch dem betrieblichen Organisationskonzept entgegen.
3.Die abstrakte Befürchtung, dass durch die Ausdehnung von Teilzeitmodellen im Umfang von 25 Prozent ein Mehraufwand dadurch entsteht, dass ein eigentlich noch möglich „letzter Flug“ (mit Übernachtung am Zielort) nicht mehr angetreten werden kann, reicht zur Darlegung einer wesentlichen Beeinträchtigung des Organisationskonzepts nicht aus. Es ist vielmehr weiter darzulegen, ob derartige (vorzeitige) Ablösungen durch organisatorische Vorkehrungen verhindert werden können und ggf. inwiefern ein damit verbundener Organisationsaufwand nicht mehr zumutbar wäre. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Flugplan in erheblichem Umfang auch Flugketten von weniger als fünf Tagen vorsieht.

Siehe:
http://www.lag.bayern.de/muenchen/entscheidungen/neue/29856/index.php

XII.
Betriebsratsarbeit keine Arbeitszeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG, Grenze aus § 3 ArbZG mittelbar bedeutsam

Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 20.04.2015, Az.12 TaBV 76/14
 
Leitsätze:
1.Betriebsratsarbeit ist keine Arbeitszeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG.
2.Nimmt ein Betriebsratsmitglied an einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit stattfindenden Betriebsratssitzung teil und ist es ihm deswegen unmöglich oder unzumutbar, seine vor oder nach der Betriebsratssitzung liegende Arbeitszeit einzuhalten, so hat es insoweit gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung (im Anschluss an BAG 07.06.1989, 7 AZR 500/88).
3.Eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne ist regelmäßig anzunehmen, wenn ansonsten bei Zusammenrechnung der für die Betriebsratstätigkeit aufgewendeten Zeiten mit den persönlichen Arbeitszeiten die werktägliche Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG überschritten werden würde.

Siehe:
http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=JURE150009253&st=null&showdoccase=1¶mfromHL=true#focuspoint

XIII.
Interessenausgleich Namensliste
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 07.05.2015, Az. 5 Sa 1321/14

Eine Teil Namensliste ist als integraler Bestandteil eines Interessenausgleiches gem. § 111 BetrVG jedenfalls dann eine ausreichende Basis für die Rechtswirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG, wenn der durch die Namensliste erfasste Bereich so deutlich abgrenzbar von dem nicht erfassten Bereich ist, dass die Sozialauswahl nicht beeinflusst werden kann und er darüber hinaus wesentlich größer ist.

Siehe:
http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=JURE150009256&st=null&showdoccase=1¶mfromHL=true#focuspoint

XIV.
Arbeitsentgelt, Sittenwidrigkeit, Prozessvortrag, Verschwiegenheitspflicht, Verlustrisiko
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 21.04.2015, Az. 14 Sa 1249/14

1.Eine Vergütungsvereinbarung ist sittenwidrig, wenn der Arbeitnehmer mit dem Betriebs- oder Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers belastet wird, indem eine Beteiligung am Honorar der für Mandanten des Arbeitgebers erbrachten Leistungen davon abhängig gemacht wird, dass die Mandanten das Honorar bezahlen.
2.Die Verschwiegenheitspflicht eines als Steuerfachgehilfe beschäftigten Arbeitnehmers über die durch die Bearbeitung von Mandaten erworbenen Informationen aus dem Mandatsverhältnis hindert den Arbeitnehmer nicht daran, die zur Begründung seiner Forderung auf Arbeitsentgelt notwendigen Informationen aus dem Mandatsverhältnis im Prozess gegen seinen Arbeitgeber auch ohne Entbindung von der Schweigepflicht vorzutragen.

Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2015/14_Sa_1249_14_Urteil_20150421.html

XV.
Abgrenzung Praktikantinnenvertrag/Arbeitsvertrag einer psychologischen Psychotherapeutin in Ausbildung
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 9.04.2015, Az. 17 Sa 1615/14

Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2015/17_Sa_1615_14_Urteil_20150409.html

XVI.
Steuerlich und sozialversicherungsrechtliche Behandlung der unbefugten Nutzung eines Dienstwagens
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 27.04.2015, Az. 5 Sa 1020/14

Für die unbefugte Nutzung eines Dienstwagens durch den Arbeitnehmer fällt keine Lohnsteuer an, weil sie keinen Lohncharakter hat.
Für die unbefugte Nutzung eines Dienstwagens sind auch keine Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten.

Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2015/5_Sa_1020_14_Urteil_20150427.html
 
Neu eingestellte Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein
 
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Aktenzeichen
Gericht
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29.05.2015
5 Ta 73/15
LAG Schleswig-Holstein
Urteil, Berichtigung, Urteilsberichtigung, Tenor, Unrichtigkeit, offenbar, Rechenfehler, offenbarer Fehler, Multiplikand (offensichtlich falscher), Berechnungsformel, Änderung
N_5Ta73-15_24-03-2015.pdf
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29.05.2015
6 Ta 194/14
LAG Schleswig-Holstein
Streitwert, Gegenstandswert, Wertfestsetzung, Beschlussverfahren, Betriebsratswahlen, interne
N_6Ta194-14_24-03-2015.pdf
(123,3 KB)
29.05.2015
6 Ta 68/15
LAG Schleswig-Holstein
Aussetzung des Verfahrens, Vorgreiflichkeit, Ermessen, Kündigungsschutzverfahren, Kündigung
N_6Ta68-15_20-03-2015.pdf
(77,7 KB)
29.05.2015
3 Ta 74/15
LAG Schleswig-Holstein
Prozesskostenhilfe, Versagung, hinreichenden Erfolgsaussichten, Entschädigungsklage, Bewerbung, Schwerbehinderter, Diskriminierung, Vorstellungsgespräch, Einladung, unterlassene, Indizwirkung
N_3Ta74-15_20-04-2015.pdf
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XVII.
Keine Pflicht für Rechtsanwälte in Sozietäten zur Eintragung einer zusätzlichen Frist
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.05.2015, Az. VII ZB 60/14

Ein Rechtsanwalt, der Mitglied einer aus mehreren Rechtsanwälten bestehenden Sozietät ist, ist nicht verpflichtet, in Bezug auf die Berufungsbegründungsfrist eine von der üblichen Vorfrist unabhängige weitere Frist zu notieren, um die Bearbeitung der Sache durch ihn im Hinblick auf seinen anstehenden Jahresurlaub sicherzustellen.
 
Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=71249&pos=2&anz=485

XVIII.
Eingangsbestätigung nicht genereell notwendig
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.05.2015, Az. VII ZB 19/14

Eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle bei rechtzeitiger postalischer Versendung fristgebundener Schriftsätze setzt nicht generell die Einholung einer Eingangsbestätigung vor Streichung der Frist voraus.

Ordnet ein Rechtsanwalt die Einholung einer Eingangsbestätigung an, obwohl er hierzu nicht verpflichtet gewesen wäre, können Fehler, die ihm hierbei unterlaufen, die Versagung der Wiedereinsetzung nicht rechtfertigen.
 
Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=71272&pos=9&anz=484

 
 
 
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
 
Michael Henn
Rechtsanwalt/
Fachanwalt für Arbeitsrecht/
Fachanwalt für Erbrecht
VDAA - Präsident
 
 
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