10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten
zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Betriebsbedingte Kündigung - Sozialauswahl - Unterhaltspflichten
LAG Rheinland Pfalz, Urteil vom 29.01.2015, Az. 5 Sa 390/14
1.Ist dem Arbeitgeber bekannt, dass der Arbeitnehmer Vater von zwei Kindern im Kindergarten und Grundschulalter ist, lässt sich dessen Unterhaltspflicht im Rahmen der Sozialauswahl nicht mit der Erwägung verneinen, dass die Großeltern ihren Enkeln womöglich Zuwendungen gewähren.
2.Der Arbeitgeber kann nicht abweichend von § 1 Abs. 3 KSchG ohne ausreichende sachliche Kriterien die subsidiäre Enkelhaftung der Großeltern nach § 1606 BGB in seine Überlegungen zum Sozialindikator Unterhaltspflichten einfließen lassen.
II.
Auskunftspflicht des Geschäftsführers im Insolvenzfall
BGH, Beschluss vom 05.03.2015, Az: IX ZB 62/14
Wird gegen eine GmbH ein Insolvenzantrag gestellt, hat der Geschäftsführer über die rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse der von ihm vertretenen Gesellschaft einschließlich gegen Gesellschafter und ihn selbst gerichteter Ansprüche Auskunft zu erteilen. Er ist hingegen nicht verpflichtet, über seine eigenen Vermögensverhältnisse und die Realisierbarkeit etwaiger gegen ihn gerichteter Ansprüche Angaben zu machen.
III.
Nichtige Regelung über Sprunghaftung des Handelsvertreters
BGH, Urteil vom 12.03.2015, Az: VII ZR 336/13
Eine vertragliche Regelung in einem Handelsvertretervertrag über eine sog. Sprunghaftung, wonach dem Handelsvertreter ein Provisionsanspruch für von ihm vermittelte Zeitschriftenabonnementverträge nur dann zustehen soll, wenn der Kunde das Abonnement während der festgelegten Sprunghaftungsfrist voll bezahlt hat, ist wegen Verstoßes gegen § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB i.V.m. § 139 BGB nichtig. Der Handelsvertreter kann als Provision den üblichen Satz gemäß § 87b Abs. 1 HGB verlangen.
IV.
Verweigerung von Zahlungsansprüchen durch einen Staat
BGH, Urteil vom 24.02.2015, Az: XI ZR 193/14
Ein Staat kann die Erfüllung privatrechtlicher Zahlungsansprüche aus von ihm begebenen Schuldverschreibungen gegenüber Privatpersonen weder unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand noch wegen einer mit der Mehrheit der Gläubiger freiwillig zustande gekommenen Umschuldung verweigern.
V.
Wunsch der Arbeitnehmerin nach einer nur zeitlich begrenzten Beschäftigung
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 4.03.2015, Az. 2 Sa 31/14
1.Ein Wunsch der Arbeitnehmerin nach einer nur zeitlich begrenzten Beschäftigung kann die Befristung des Arbeitsverhältnisses gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG sachlich rechtfertigen.
2.Ein Wunsch liegt aber noch nicht vor, wenn die Arbeitnehmerin mit dem Arbeitgeberangebot eines befristeten Arbeitsvertrages lediglich einverstanden ist.
3.Von einem Wunsch kann allerdings dann gesprochen werden, wenn die Arbeitnehmerin nach einer langen Überlegungsfrist das Angebot ihres Arbeitgebers an seine leitenden Führungskräfte zur Umwandlung des unbefristeten Arbeitsvertrages in ein zum 60. Lebensjahr befristetes Arbeitsverhältnis zusammen mit attraktiven finanziellen Anreizen (Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung ab dem 60. Lebensjahr, Zahlung eines Einmalkapitals) annimmt.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber seinen leitenden Führungskräften das Angebot unter Hinweis auf Beratungsmöglichkeiten und der Einräumung einer 28-monatigen Überlegungsfrist unterbreitet und die Arbeitnehmerin dieses unbeeinflusst annimmt.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2015&nr=19244&pos=0&anz=6
VI.
Provisionsvorschusszahlungen
OLG Oldenburg, Urteil vom 30.03.2015, Az. 13 U 71/14
1.Gegen Vereinbarungen zwischen einem Handelsvertreter und einem Unternehmer, nach denen nicht „ins Verdienen“ gebrachte Provisionsvorschusszahlungen bei vorzeitiger Beendigung des Vertragsverhältnisses vom Handelsvertreter zurückzuzahlen sind, bestehen keine generellen Bedenken; auch nicht aus dem Gesichtspunkt der unzulässigen Kündigungserschwernis.
2.Die Frage, ob eine unzulässige, gemäß § 89 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 HGB, § 134 BGB unwirksame Kündigungserschwernis vorliegt, ist aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Dabei kommt es insbesondere auf die Höhe der gegebenenfalls zurückzuerstattenden Zahlungen an, ferner auf den Zeitraum, für den die Zahlungen zurückzuerstatten sein sollen.
3.Eine unzulässige Kündigungserschwernis ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn vereinbarungsgemäß Provisionsvorschusszahlungen von maximal 6.000 € monatlich für einen Zeitraum von 36 Monaten erbracht werden sollen, die vereinbarte Höhe der Vorschüsse auf den vom Handelsvertreter selbst mitgeteilten Umsatzerwartungen beruht und sämtliche monatlich abgerechneten Provisionen bis zum Ablauf von 36 Monaten zunächst in das Provisions-/Vorschusskonto eingestellt - also auch über 6.000 € monatlich hinausgehende Provisionen zunächst nicht an den Handelsvertreter ausgezahlt - werden (Abgrenzung zu Senatsurteil vom 26. November 2013, 13 U 30/13, NJW-RR 2014, 550 = IHR 2014, 109).
4.Der Anspruch auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen ist keine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB.
VII.
Anordnung einer täglichen Höchstarbeitszeit bei Kraftfahrern
VG Hamburg, Urteil vom 12.03.2015, Az. 17 K 3507/14
Die Begrenzung der werktäglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf maximal zehn Stunden in § 3 ArbZG gilt auch für angestellte Kraftfahrer, deren wöchentliche Arbeitszeit nach § 21a Abs. 4 ArbZG begrenzt ist.(Rn.24)(Rn.37)
VIII.
Kein Anspruch des einzelnen Mitglieds der Erbengemeinschaft auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung
Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26.02.2015, Az. 4 K 1323/12
1.Die Festsetzung der Grunderwerbsteuer gegen eine Erbengemeinschaft als Grundstücksveräußerer gemäß § 13 Nr. 1 GrEStG ist zulässig und verfahrensrechtlich geboten, weil eine Erbengemeinschaft Steuersubjekt im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn ist, wenn sie ein in ihrem Gesamthandseigentum befindliches Grundstück veräußert (vgl. BFH-Rechtsprechung) (Rn.23).
2.Der Anspruch aus § 16 GrEStG auf Aufhebung dieser Grunderwerbsteuerfestsetzung steht nicht dem einzelnen Mitglied der Erbengemeinschaft zu, sondern ausschließlich der Erbengemeinschaft als Steuersubjekt der Grunderwerbsteuer, gegen die der Steuerbescheid ergangen ist. Folglich ist die Erbengemeinschaft selbst - und nicht etwa ihre einzelnen Mitglieder - als Trägerin grunderwerbsteuerrechtlicher Rechte und Pflichten im Steuerprozess beteiligungsfähig (hier: unzulässige Klage einer an der Erbengemeinschaft beteiligten Person mangels Beschwer, mangels erfolglos gebliebenen Vorverfahrens und mangels Klagebefugnis; vgl. Rechtsprechung) (Rn.22) (Rn.23) (Rn.24) (Rn.26) (Rn.27) (Rn.31).
3.Sollten abweichend von dem verfahrensrechtlichen Regelfall, wonach Aufhebungsantrag bzw. Einspruch sachgerecht nur als im Namen der Erbengemeinschaft gestellt bzw. eingelegt angesehen werden können, Aufhebungsantrag und Einspruch auch im Namen einzelner Mitglieder der Erbengemeinschaft gestellt bzw. erhoben werden, um ggf. später beabsichtigten individuellen Klagen einzelner Mitglieder der Erbengemeinschaft den Boden zu bereiten, müsste ein hierauf gerichteter Wille eindeutig aus dem Antrag und dem Einspruch hervorgehen (Rn.25).
4.War nach erfolgter Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrags die bisherige Grunderwerbsteuerfestsetzung aufzuheben, so ist ein (behaupteter) Bekanntgabefehler, wonach die Bekanntgabe des Aufhebungsbescheids an den Insolvenzverwalter anstatt an die Erbengemeinschaft erfolgte, kein besonders schwerwiegender Fehler, der die Annahme der Nichtigkeit des Aufhebungsbescheids gebietet (Rn.33).
IX.
Ratenzahlungsvereinbarung
BGH, Beschluss vom 16.04.2015, Az. IX ZR 6/14
Die Bitte des Schuldners auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung ist, wenn sie sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält, als solche kein Indiz für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (im Anschluss an die ständige Rechtsprechung, zuletzt BGH, 10. Juli 2014, IX ZR 280/13, ZIP 2014, 1887, Rn. 28.
X.
Zulässigkeit des Eigenantrags; Pflicht des Schuldners zur Beibringung der erforderlichen Angaben
AG Essen, Beschluss vom 25.03.2015, Az. 166 IN 22/15
1.Bei einem nicht eingestellten Geschäftsbetrieb setzt die Zulässigkeit des Eigenantrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus, dass der Schuldner Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres macht.
2.Soweit verlässliche Zahlen nicht zur Verfügung stehen, sind die Angaben erforderlichenfalls zu schätzen, wobei die Grundlagen für die Schätzung darzulegen und zu erläutern sind.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
Rechtsanwalt
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