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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Sonderkündigungsschutz Pflegezeit
LG Thüringen, Urteil vom 02.10.2014, Az. 6 Sa 345/13
1.Der Kündigungsschutz des § 5 PflegeZG ab Ankündigung einer Pflegezeit ist nicht zeitlich auf eine Höchstfrist vor deren Beginn begrenzt.
2.Dieser Sonderkündigungsschutz verstößt nicht gegen Grundrechte der Arbeitgeber.
3.Darlegungs- und beweispflichtig für eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung dieses Sonderkündigungsschutzes ist der beklagte Arbeitgeber.
a)Trägt der beklagte Arbeitgeber Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung des Sonderkündigungsschutzes vor, hat der Rechteinhaber, hier der klagende Arbeitnehmer, Zweifel an der Redlichkeit seiner Rechtsausübung durch konkreten Sachvortrag zu verstreuen. Das kann durch Offenlegung seiner der Rechtsausübung zu Grunde liegenden schutzwürdigen Eigeninteressen geschehen.
b)Zu dem der Beklagten obliegenden Vollbeweis des Rechtsmissbrauchs gehört die Widerlegung jenes Klägervorbringens.
II.
Rechte des Bieters bei Erteilung des Zuschlags auf ein von einem Kalkulationsirrtum beeinflusstes Angebot
BGH, Urteil vom 11.11.2014, Az. X ZR 32/14
Die Erteilung des Zuschlags auf ein von einem Kalkulationsirrtum beeinflusstes Angebot kann einen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des betreffenden Bieters darstellen. Die Schwelle zu einem solchen Pflichtenverstoß ist überschritten, wenn dem Bieter aus Sicht eines verständigen öffentlichen Auftraggebers bei wirtschaftlicher Betrachtung schlechterdings nicht mehr angesonnen werden kann, sich mit dem irrig kalkulierten Preis als einer auch nur annähernd äquivalenten Gegenleistung für die zu erbringende Bau-, Liefer- oder Dienstleistung zu begnügen (Weiterführung von BGH, Urteil vom 7. Juli 1998 - X ZR 17/97 , BGHZ 139, 177 ).
III.
Insolvenzverschleppung
BGH, Beschluss vom 18.12.2014, Az. 4 StR 323/14 und 4 StR 324/14
Der faktische Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann Täter einer Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 InsO sein.
Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=69961&pos=6&anz=462
IV.
Kommanditbeteiligung an einer Publikumsgesellschaft
OLG Nürnberg, Urteil vom 22.12.2014, Az. 14 U 2588/13
Auslegung des Gesellschaftsvertrags betreffend die Regelung über die Auszahlung von Liquiditätsüberschüssen als unverzinsliches Darlehen
Eine Regelung im Gesellschaftsvertrag einer Publikumskommanditgesellschaft, dass Auszahlungen von Liquiditätsüberschüssen den Kommanditisten als unverzinsliches Darlehen gewährt werden, ist im Einzelfall keine ausreichend klare Grundlage für Rückforderungen der Gesellschaft gegenüber Kommanditisten, die in Emissionsprospekt und Gesellschaftsvertrag vorgesehene Auszahlungen betreffen.
V.
Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes zum BEM
LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.12.2014, Az. 5 Sa 518/14
1.Es besteht keine grundsätzliche Pflicht des Arbeitgebers zu Gesprächen im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) einen Rechtsbeistand des Arbeitnehmers hinzuzuziehen.
2.Ob ein Arbeitgeber in extremen Ausnahmefällen verpflichtet sein kann, BEM Gespräche in Begleitung eines Rechtsbeistandes zu führen, kann vorliegend dahinstehen.
VI.
Abfindungsregelung
LG Freiburg, Urteil vom 01.12.2014, Az. 12 O 59/13
1.Ist eine Abfindungsregelung bei Ausscheiden aus wichtigem Grund aus einer GmbH unwirksam und enthält ein unmittelbar zwischen den Gesellschaftern abgeschlossener Kaufvertrag dieselbe Klausel zur Ermittlung des Kaufpreises, ist auch der Kaufvertrag insoweit wegen Umgehung nichtig.
2.Dasselbe gilt, wenn durch eine solche Regelung im Kaufvertrag das Kündigungsrecht eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund unzulässig erschwert wird.
3.Zur Bedeutung des so genannten Stuttgarter Verfahrens für die Unternehmensbewertung
VII.
Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung
Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 25.11.2014, Az. 2 U 58/13
1.Derjenige, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, trägt hierfür die Beweislast. Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen beraten bzw. aufgeklärt worden sein soll. Dem Anspruchsteller obliegt dann der Nachweis, dass diese Gegendarstellung nicht zutrifft (BGH, 24. Januar 2004, XI ZR 320/04).
2.Eine anlegergerechte Kapitalanlageberatung hat sich daran auszurichten, ob das beabsichtigte Anlagegeschäft der sicheren Geldanlage dienen soll oder spekulativen Charakter hat. Die empfohlene Anlage muss unter Berücksichtigung dieses Ziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten sein. Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen in der Person des Kunden gehören insbesondere dessen Wissensstand über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft.
3.Verwendet der Anlageberater einen Prospekt bei der Beratung, der einen Fehler enthält, steht fest, dass er falsch beraten hat. Er muss daher darlegen und beweisen, dass er den Fehler im Beratungsgespräch richtiggestellt hat (BGH, 19. Juli 2011, XI ZR 191/10).(Rn.26)
4.Ein freier, nicht bankmäßig gebundener Anlageberater hat jedenfalls dann keine Verpflichtung, ungefragt über eine von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Vergütung oder Provision aufzuklären, wenn der Anleger selbst keine Vergütung an den Berater zahlt und offen ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen werden, aus denen ihrerseits die Vertriebsprovisionen aufgebracht werden.(Rn.40)
VIII.
Gebrauchtwagenkauf
AG Pfaffenhofen, Urteil vom 10.12.2014, Az. 1 C 1030/14
Bei einem Gebrauchtwagenkauf stellt der Umstand, weder das Serviceheft sich vorlegen zu lassen, noch dieses eingesehen zu haben, eine grobe Fahrlässigkeit dar i.S.d. § 442 Abs. 1 BGB dar.
IX.
Unklarheitenregel bei Mietverträgen
LG Berlin, Urteil vom 11.12.2014, Az. 67 S 278/14
1.Kreuzen die Mietvertragsparteien im Mietvertrag bei den Regelungen zur Höhe und Zahlung der Nettokaltmiete keine der vorgesehenen Formularvarianten "monatlich", "vierteljährlich" und "jährlich" an, ist gemäß § 133, 157 BGB gleichwohl eine Pflicht zur monatlichen Mietzahlung vereinbart, wenn die Miethöhe - hier 680,00 EUR - für eine Quartals- oder Jahresmiete unüblich niedrig wäre und die Vertragsparteien zudem ausdrücklich die Zahlung einer monatlichen Betriebskostenpauschale vereinbart haben. Für die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Vermieters ist in einem solchen Falle kein Raum.
2.Zur Beweiserhebung und -würdigung von Indiztatsachen bei unstreitigem Abschluss eines schriftlichen Mietvertrages und einem vom Mieter behaupteten mündlichen Mietverzicht des Vermieters.
3.Bei der Bemessung der Räumungsfrist kann das Gericht gemäß § 721 ZPO den Ablauf der örtlichen Schulferien berücksichtigen, wenn in der Mietsache auch schulpflichtige Kinder des Mieters wohnen.
X.
Haftung des Versicherungsvermittlers, Hinweispflichten bei Wechsel der Lebensversicherung
BGH, Urteil vom 13.11.2014, Az. III ZR 544/13
1.Bei einem Wechsel der Lebensversicherung muss der Versicherungsvermittler (hier: Versicherungsvertreter) seinen Kunden (Versicherungsnehmer) insbesondere auf die Folgen und Risiken der vorzeitigen Kündigung einer bestehenden und des Abschlusses einer neuen Lebensversicherung hinweisen.(Rn.12)
2.Die Nichtbeachtung der Dokumentationspflicht des Versicherungsvermittlers nach § 61 Abs. 1 Satz 2, § 62 VVG kann zu Beweiserleichterungen zugunsten des Versicherungsnehmers bis hin zu einer Beweislastumkehr führen. Ist ein erforderlicher Hinweis von wesentlicher Bedeutung nicht, auch nicht im Ansatz, dokumentiert worden, so muss grundsätzlich der Versicherungsvermittler beweisen, dass dieser Hinweis erteilt worden ist.(Rn.18)
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Michael Henn
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