Ist der Preis das alleinige Zuschlagskriterium, dürfen Nebenangebote nicht gewertet werden
Ist in einem Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte der Preis das alleinige Zu-schlagskriterium, dürfen nach Auffassung des Bundesgerichtshofes Nebenangebote grundsätzlich nicht zugelassen und gewertet werden.
I. Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Ist in einem Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte der Preis das alleinige Zu-schlagskriterium, dürfen Nebenangebote grundsätzlich nicht zugelassen und gewertet werden.
Die für Nebenangebote vorzugebenden Mindestanforderungen brauchen i.d.R. nicht alle Einzelheiten der Ausführung zu erfassen, sondern dürfen einen hinreichenden Spielraum für die Ausarbeitung von Alternativvorschlägen lassen und sich darauf beschränken, abgesehen von technischen Spezifikationen, in allgemeiner Form den Standard und die wesentlichen Merkmale zu vermitteln, die eine Alternativausführung aufweisen muss (BGH, Beschl. v. 07.01.2014 – X ZB 15/13).
II. Aus den Gründen
Das Gericht stellt klar, dass in einem Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte Nebenangebote grundsätzlich nicht zugelassen und gewertet werden dürfen, wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist.
§ 8 EG Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b VOB/A 2012 enthalte zwar lediglich die Vorgabe, dass öffentliche Auftraggeber bei Zulassung der Einreichung von Nebenangeboten in den Vergabeunterlagen Mindestanforderungen festlegen müssen, denen die Nebenangebote zu genügen haben, um gewertet werden zu können. Eine wettbewerbskonforme Wertung der Nebenangebote sei aber nicht gewährleistet, wenn für den Zuschlag nur der Preis maßgeblich sei. Sei z.B. ein den Mindest-anforderungen genügendes Nebenangebot geringfügig billiger als das günstigste Hauptangebot, bleibe es aber überproportional hinter dessen Qualität zurück und erweise sich bei wirtschaftlicher Betrachtung deshalb gerade nicht als das günstigste Angebot, müsste es mangels geeigneter Zuschlagskriterien, mit denen diese Diskrepanz in der Wertung erfasst werden könne, dennoch den Zuschlag erhalten. Eine solche Wertungspraxis wäre nach Ansicht des BGH unvereinbar mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsprinzip (§ 97 Abs. 2 GWB) und mit dem aus § 97 Abs. 5 GWB folgenden Gebot, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen.
Dieser Mangel könne auch durch ungeschriebene Wertungskriterien nicht ausgeglichen werden, insb. nicht durch die Anforderung, dass zuschlagsfähige Nebenangebote über die Erfüllung der Mindestanforderungen hinaus mit dem Amtsvorschlag gleichwertig sein müssen. Eine Gleichwertigkeitsprüfung, für die es keine benannten Bezugspunkte gebe, genüge nicht den Anforderungen an transparente Wertungskriterien, da für die Bieter bei der Angebotsabgabe nicht hinreichend klar voraussehbar sei, welche Varianten die Vergabestelle bei der Wertung noch als gleichwertig anerkennen werde.
Im Interesse eines möglichst breiten Vergabewettbewerbs wäre es allerdings unzweckmäßig, zu fordern, dass die Mindestanforderungen für Nebenangebote den Vergabegegenstand in allen Details beschreiben müssten. Wie detailliert die Beschreibung sein müsse, lasse sich insbesondere angesichts der Vielfältigkeit der auszuschreibenden Leistungen aber nicht allgemein festlegen, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Gesamtumstände, vor allem der Komplexität des einzelnen Vergabegegenstands. Geboten, aber im Interesse des Transparenzgebots auch ausreichend sei, dass den Bietern – neben den technische Spezifikationen – als Mindestanforderungen der Standard und die wesentlichen Merkmale deutlich gemacht würden, die eine Alternativausführung aus Sicht des Auftraggebers aufweisen müsse. Im Ergebnis seien aussagekräftige, auf den jeweiligen Auftragsgegenstand bezogene Zuschlagskriterien zu definieren, die die Vergabestelle in die Lage versetzen, das Qualitätsniveau von Nebenangeboten und deren Wert mit dem für die Hauptangebote nach dem Amtsvorschlag vorausgesetzten Standard zu vergleichen.
III. Konsequenzen
Aus der Entscheidung ergibt sich deutlich, dass bei der Zulassung von Nebenangeboten neben dem Preis weitere Zuschlagskriterien zu benennen sind. Die Schwierigkeit für öffentliche Auftraggeber besteht darin, Kriterien zu finden, die einerseits so offen formuliert sind, dass sie den Bietern Spielraum für Alternativlösungen lassen, andererseits so konkret gefasst sind, dass sie eine rechtssichere Wertung der Angebote ermöglichen. Bei einem Bauauftrag könnte man z.B. daran denken, neben dem Angebotspreis den technischen Wert mit den Unterkriterien Bauverfahren und Bauablauf als Kriterium zu benennen. Im Interesse der Transparenz sollte jedoch auch die Gewichtung näher beschrieben werden (vgl. z.B. VK Bund, Beschl. v. 14.01.2014 - VK 2-118/13).
Die Entscheidung des BGH bezieht sich zwar explizit auf Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte. Da das Gericht seine Auffassung auf das vergaberechtliche Wettbewerbsprinzip und das Gebot, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, stützt, also auf Grundsätze, die auch im Anwendungsbereich der VOB/A gelten (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2, 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A), sprechen allerdings gute Argumente dafür, die Entscheidung auch bei (Bau-)Vergabeverfahren unterhalb der EU-Schwellenwerte zu berücksichtigen.
Falls die Vergabestelle in einem Vergabeverfahren, bei dem der Preis alleiniges Zuschlagskriteri-um ist, dennoch Nebenangebote zugelassen hat, muss im Falle einer Rüge das Vergabeverfahren nicht zwingend aufgehoben bzw. in das Stadium der Bekanntmachung zurückversetzt werden. Der BGH-Rechtsprechung kann dadurch Rechnung getragen werden, die abgegebenen Nebenangebote nicht zu werten. Da das Gericht dies aus dem Umstand folgert, dass im konkreten Fall nicht vorgetragen sei, dass die Hauptangebote anders kalkuliert worden wären, wenn Nebenangebote von vornherein ausgeschlossen worden wären, kann je nach Fallgestaltung aber auch eine Aufhebung oder Zurückversetzung des Vergabeverfahrens geboten sein.
Herr Dr. Hövelberndt empfiehlt die o.g. Entscheidung zu beachten und weist darauf hin, dass diese Mitteilung lediglich allgemeine Informationen zu rechtlichen Themen enthält. Trotzt der sorgfältigen Recherche gibt sie die Rechtsentwicklung nur auszugsweise wieder und kann eine individuelle, am konkreten Sachverhalt orientierte Beratung nicht ersetzen. Für Rückfragen steht Ihnen Rechtsanwalt Dr. Hövelberndt gerne zur Verfügung.
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