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Michael Henn
Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte
Gerokstrasse 8
70188 Stuttgart


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10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten

zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart



I.
Betriebliche Altersversorgung durch Versicherungsvertrag für einen GmbH-Geschäftsführer in der Insolvenz der GmbH:
BGH, Urteil vom 09.10.2014, Az. IX ZR 41/14

1.Erteilt der später in Insolvenz gefallene Arbeitgeber seinem Geschäftsführer in einem zum Zwecke der betrieblichen Altersversorgung geschlossenen Versicherungsvertrag ein eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht, kann das Bezugsrecht nicht widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen des Vorbehalts nicht gegeben sind.
2.Hat der Arbeitgeber seinem Geschäftsführer ein widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt, so erwirbt der Geschäftsführer den Anspruch gegen die Versicherung auf Zahlung der Versicherungssumme, wenn der Versicherungsfall nach Verfahrenseröffnung eintritt, ohne dass der Insolvenzverwalter das Bezugsrecht widerrufen hat.
3.Ermächtigt der Versicherungsnehmer nach Erlass eines Zustimmungsvorbehalts einen Dritten zum Einzug einer ihm zustehenden Versicherungsforderung, wird der Versicherer auch bei Gutgläubigkeit nicht durch die Zahlung an den Ermächtigten von seiner Verbindlichkeit befreit.

II.
Arbeitnehmerüberlassung im Konzern - Versuchsfahrer/Mechaniker - Werkvertrag
ArbG Stuttgart, Urteil vom 05.11.2014, Az. 11 Ca 8426/13

1.Das Recht eines Leiharbeitnehmers, einen Entleiher auf Feststellung in Anspruch zu nehmen, es bestehe zu ihm ein Arbeitsverhältnis kann auch vergangenheitsbezogen geltend gemacht werden, wenn ein entsprechendes Feststellungsinteresse gegeben ist. Das vergangenheitsbezogene Klagerecht verwirkt nicht, wenn der Kläger ununterbrochen und auch noch im Zeitpunkt der Klageerhebung für den Entleiher tätig war, auch wenn er in dieser Zeit mehrfach seinen Vertragsarbeitgeber/Verleiher gewechselt hat. Dieser Umstand steht auch der materiellrechtlichen Verwirkung des Rechts, sich auf die Entstehung eines Arbeitsverhältnisses zu berufen, entgegen.
2.Ein Versuchsfahrer erbringt regelmäßig tätigkeitsbezogene Leistungen, die Gegenstand eines Dienstverhältnisses oder Arbeitsverhältnisses sein können, wenn er vorgegebene Fahraufträge abarbeitet. Ein abgrenzbares und abnahmefähiges Werk wird nicht erstellt. Der dem zugrundeliegende Kooperations- bzw. Projektierungsvertrag zwischen zwei Unternehmen ist nicht als Werkvertrag zu qualifizieren, wenn der eine Vertragspartner im Wesentlichen nur die Verfügbarkeit von Fahrern zu gewährleisten hat.
3.Ein Fall der Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn die Konkretisierung der Vertragspflichten erst dadurch erfolgt, dass der "Besteller/Auftraggeber" Weisungen gegenüber den Erfüllungsgehilfen/Arbeitnehmern seines Vertragspartners hinsichtlich des Arbeitsvorgangs, des Arbeitsorts, der Zeiteinteilung usw. erteilt. Entsprechendes gilt auch für die Tätigkeiten eines Mechanikers zur Wartung und Reparatur von Erprobungsfahrzeugen, wenn die Leistungen nicht im Wesentlichen in dem zugrundeliegenden Vertrag festgelegt sind. Auf die Bezeichnung als "Werkvertrag" kommt es nicht an, sondern vorrangig auf die tatsächlichen Verhältnisse.
4.Sind die Vertragsbeziehungen mehrerer Unternehmen und einer Arbeitskraft danach als Arbeitnehmerüberlassung einzuordnen und liegen die Voraussetzungen für die erlaubnisfreie konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des § 1 Abs. 3 Ziff. 2 AÜG aF nicht vor, kommt ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande. Das Arbeitsverhältnis wird nicht dadurch beendet, dass der Arbeitnehmer in der Folgezeit bei unverändertem Einsatz ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber begründet, der über die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt. Mit Abschluss eines solchen Arbeitsvertrages übt der Arbeitnehmer kein Wahlrecht zugunsten eines neuen Arbeitsverhältnisses unter Aufgabe des kraft Gesetzes mit dem Entleiher zustandegekommenen aus.

III.
GmbHG
OLG Rostock, Beschluss vom 17.11.2014, Az. 1 W 53/14

Die Bildung einer Personenfirma bei einer GmbH unter Verwendung des Nachnamens eines Nicht-Gesellschafters oder Minderheitsgesellschafters verstößt weder gegen die Anforderung des § 4 GmbHG noch gegen das Irreführungsverbot aus § 18 Abs. 2 HGB.

IV.
Konzertveranstalter können Konzerttickets als unbenannte qualifizierte Legitimationspapiere gestalten
LG Hamburg, Urteil vom 02.10.2014, Az. 327 O 251/14

1.Konzertveranstalter können Konzerttickets als unbenannte qualifizierte Legitimationspapiere gemäß § 808 BGB (sog. Rektapapiere) gestalten. Dem steht weder entgegen, dass es dem Erwerber überlassen bleibt, seinen Namen selbst in die dafür vorgesehene Zeile auf der Eintrittskarte einzutragen, noch, dass die materielle Anspruchsberechtigung des jeweiligen Karteninhabers nicht vor jedem Konzert und flächendeckend kontrolliert wird.
2.Eine Verfügungsbeschränkung auf dem Ticket dahin, dass der Aussteller die notwendige Zustimmung zur Abtretung der Rechte aus dem Veranstaltungsvertrag an Dritte nicht für Eintrittskarten erteilt, die für einen höheren als den aufgedruckten Preis weitergegeben worden sind, ist als AGB nur dann nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn ein schützenswertes Interesse des Verwenders an dem Abtretungsverbot nicht besteht oder die berechtigten Belange des Vertragspartners an der freien Abtretbarkeit vertraglicher Ansprüche das entgegenstehende Interesse des Verwenders überwiegen (vgl. BGB, NJW 2006. 3486, 3487, Tz 14 m. w. Nachw.).
3.Das Motiv, dem Konzertbesucher einen aus Sicht des Veranstalters bzw. Künstlers angemessenen Preis zu sichern und zu verhindern, dass ein Konzert binnen kürzester Zeit ausverkauft ist und Karten nur noch von gewerblichen Händlern zu Höchstpreisen erworben werden können, ist schützenswert. Auch den schützenswerten Interessen des Künstlers, seine Fans langfristig an sich zu binden und ihre Treue zu honorieren, wird durch die Chancengleichheit und diese Art der Preisgestaltung Rechnung getragen.
4.Die Gewinnerzielungsinteressen der Erwerber überwiegen nicht die zuvor geschilderten entgegenstehenden Interessen des Konzertveranstalters. Die freie Abtretbarkeit zu dem Erstabgabepreis zzgl. Vorverkaufs- und Systemgebühren ist ohnehin möglich, sodass die Interessen der Erwerber, die das Konzert krankheitsbedingt oder wegen sonstiger Verhinderung nicht besuchen können, gewahrt werden.

V.
Kurze Verjährung bei Verletzung vertraglich vereinbarter Betriebspflicht
OLG Frankfurt, Urteil vom 17.10.2014, Az. 2 U 43/14

Die kurze Verjährung aus § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB gilt auch für Schadensersatzansprüche des Vermieters wegen Verletzung der vertraglich vereinbarten Betriebspflicht.

VI.
Erbschaftsteuerrechtliche Anzeigepflicht eines inländischen Kreditinstituts mit Zweigniederlassung im EU-Ausland
EuGH, Vorlage vom 01.10.2014, Az. II R 29/13

Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, ex-Art. 43 EG) einer Regelung in einem Mitgliedstaat entgegen, nach der ein Kreditinstitut mit Sitz im Inland beim Tod eines inländischen Erblassers auch dessen Vermögensgegenstände, die in einer unselbständigen Zweigstelle des Kreditinstituts in einem anderen Mitgliedstaat verwahrt oder verwaltet werden, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer im Inland zuständigen FA anzuzeigen hat, wenn in dem anderen Mitgliedstaat keine vergleichbare Anzeigepflicht besteht und Kreditinstitute dort einem strafbewehrten Bankgeheimnis unterliegen?

Orientierungssatz
1.Fraglich ist vorliegend, ob sich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit auch aus dem Zusammenwirken der Vorschriften des Ansässigkeitsstaats (hier: Deutschland) und des Niederlassungsstaats (hier: Österreich) ergeben kann und welchem Staat diese Beschränkung zuzurechnen ist.
2.Wird eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit bejaht, könnte diese deshalb gerechtfertigt sein, weil mit der Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG auch die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen gewährleistet wird.
3.Az. des EuGH: C-522/14

VII.
Steuerliche Berücksichtigung von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastung
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.10.2014, Az. 4 K 1976/14

1.Unmittelbare Kosten der Ehescheidung können auch nach der neuen gesetzlichen Regelung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG, die ab dem Jahr 2013 gilt, als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden.
2.Demgegenüber sind Prozesskosten im Zusammenhang mit Scheidungsfolgesachen (Unterhalt, Ehewohnung und Haushalt, Güterrecht, Sorgerecht, Umgangsrecht) nicht abzugsfähig.

Orientierungssatz
1.Unter Existenzgrundlage i. S. v. § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind nicht nur die materiellen, sondern auch die geistig-seelischen Bedingungen der menschlichen Existenz zu verstehen(Rn.34). Mithin dienen unmittelbar mit der Ehescheidung zusammenhängende Prozesskosten, mit denen die Beendigung der zerrütteten Ehe, einem Zustand mit verlorener seelischer Existenzgrundlage, angestrebt wird, der Sicherung der Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen und der Befriedigung seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen(Rn.30)(Rn.33).
2.Prozesskosten für Scheidungsfolgesachen sind keine Aufwendungen i. S. v. § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für die Führung eines Rechtsstreits ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen  Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen befriedigen zu können, auch wenn auf Antrag über die Scheidungsfolgesachen zusammen mit der Scheidung durch das Familiengericht entschieden wird(Rn.58)(Rn.60)(Rn.63).
3.Revision eingelegt, Az. des BFH: VI R 66/14.

VIII.
Außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung - Fremdvergabe eines Museumsshops
ArbG Stuttgart, Urteil vom 08.10.2014, Az. 11 Ca 2434/14

1.Die Entscheidung des öffentlichen Arbeitgebers, einen Museumsshop an einen externen Betreiber zu vergeben stellt eine unternehmerische Entscheidung dar, die nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen ist. Sie ist Bestandteil der durch Art. 12, 14, 2 Abs. 1 Grundgesetz geschützten unternehmerischen Freiheit. Eine solche Maßnahme ist geeignet, die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist eines Arbeitnehmers zu rechtfertigen, der aufgrund einer tarifvertraglichen Bestimmung ordentlich unkündbar ist. Das gilt in gleicher Weise für eine Änderungskündigung.
2.Bestehen alternative Beschäftigungsmöglichkeiten, ist vorrangig eine Änderungskündigung auszusprechen. Der besondere Kündigungsschutz wirkt sich auf die Darlegungslast des Arbeitgebers aus. Dieser hat gegenüber einer ordentlichen Änderungskündigung erheblich gesteigerte Bemühungen bei der Prüfung der Frage zu entfalten, welche Vertragsänderungen er dem Arbeitnehmer mit dem Änderungsangebot zumutet. Die Suche nach gleichwertigen Tätigkeiten beschränkt sich nicht auf den - vorliegend musealen - Bereich, in welchem der Arbeitnehmer bisher beschäftigt war. Die Prüfung von Beschäftigungs- und Einsatzmöglichkeiten erstreckt sich auf sämtliche Geschäftsbereiche des betreffenden öffentlichen Arbeitgebers im Rahmen seines gesamten territorialen Einflussbereichs. Hierzu hat der öffentliche Arbeitgeber von sich aus umfassend vorzutragen.

IX.
Arbeitszeitkonto, Korrektur aufgrund eines Eingabefehlers, Ausschlussfristen
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 09.10.2014, Az. 5 Sa 87/14

Sofern in einer Betriebsvereinbarung bestimmt ist, dass der Arbeitgeber monatliche Auswertungen der Arbeitszeitkonto zu erstellen und den jeweiligen Arbeitnehmern bekanntzugeben hat, stellt der Arbeitgeber in Erfüllung dieses Anspruchs die geleisteten Arbeitsstunden in die Arbeitszeitkonten der jeweiligen Arbeitnehmer ein. Will der Arbeitgeber sodann den im Arbeitszeitkonto ausgewiesenen und dem Arbeitnehmer mitgeteilten Saldostand aufgrund eines Eingabefehlers berichtigen, bedarf es eines entsprechenden Korrekturanspruchs, der den tariflichen Ausschlussfristen unterliegt.

X.
Eigenschaden des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlasster Nutzung des privaten PKW
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 22.10.2014, Az. 12 Sa 617/14

1.Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer den Unfallschaden an dessen Fahrzeug ersetzen, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt wird. Anders ist dies dann, wenn der Arbeitnehmer hierfür eine besondere Vergütung erhält.
2.Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer gemäß § 23 Abs. 3.1 TVöD-V i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 3 LKRG NW eine Wegstreckenentschädigung von 0,30 Euro je gefahrenem Kilometer erhält. Diese Wegstreckenentschädigung deckt gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 LRKG NW die Kosten einer Fahrzeugvollversicherung mit ab. Darin ist die Abrede zu sehen, dass der Arbeitnehmer im Schadensfall auf die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung verwiesen werden kann. Nimmt der Arbeitnehmer diese nicht in Anspruch, muss er die Reparaturkosten tragen, die nach Abzug des Selbstbehalts und des prognostizierten Rückstufungsschaden verbleiben, welche die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer erstattet hatte.
3.Die landesrechtliche Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 3 LRKG NW, wonach die Wegstreckenpauschale von 0,30 Euro auch die Kosten einer Fahrzeugvollversicherung abdeckt, ist wirksam (Anschluss an OVG Nordrhein-Westfalen 31.07.2008 – 6 A 4922/05, juris).
4.Die Anwendung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes führte im konkreten Fall zu keinem anderen Ergebnis.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

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