Gesprächsmitschnitte als Beweismittel ungeeignet?
Ist zum Beispiel ein Arbeitsplatz durch nachhaltiges Bossing oder Mobbing beschädigt, lohnt es sich im Regelfall unschönen Gesprächen aus dem Weg zu gehen, um weiteren Schaden von sich abzuwenden. Hilft alles nichts und nimmt eine voraussichtlich wie immer so gut wie unvermeidbare Unterhaltung mit dem Arbeitgeber einen diskriminierenden, beleidigenden, nötigenden oder gar bedrohlichen Charakter an, sollte man sich nicht scheuen, derartige Gespräche aufzunehmen.
In Zeiten modernster IT-Technologie verfügt so gut wie jedes Handy über eine Aufnahmefunktion, mit welcher Gesprächsmittschnitte ermöglicht sind. Die Frage ist nun, ob man Beteiligten, die sich streiten oder in Notsituationen gekommen sind, empfehlen kann, Gespräche mit der Gegenseite (ohne deren Einverständnis) aufzuzeichnen.
Hier bei ist aus anwaltlicher Vorsicht zunächst stets auf die drohende Rechtswidrigkeit hinzuweisen, die Bild oder auch Tonaufnahmen besitzen können. Immerhin ist der Persönlichkeitsschutz im Deutschen Recht stark geschützt.
Die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes steht immerhin unter Strafe:
§ 201 StGB hat folgenden Wortlaut: Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt
1. das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder
2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt
1. das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört oder
2. das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt.
Die Tat nach Satz 1 Nr. 2 ist nur strafbar, wenn die öffentliche Mitteilung geeignet ist, berechtigte Interessen eines anderen zu beeinträchtigen.
Sie ist nicht rechtswidrig, wenn die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wird.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter die Vertraulichkeit des Wortes verletzt (Absätze 1 und 2).
(4) Der Versuch ist strafbar.
(5) Die Tonträger und Abhörgeräte, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.
Die Frage ist, ob sich derjenige, der sich also der Gefahr einer Strafbarkeit des Aufnehmens eines Gespräches überhaupt sicher sein kann, dass später ein Gericht diese heimliche Aufnahme ggf. überhaupt anhört und ein insoweit zu beantragender richterlicher Augenschein zur gewünschten Beweisaufnahme führt oder nicht vom Gericht durchgeführt wird.
So finden sich vor allen Dingen in der Vergangenheit wenig erfreuliche Leitsätze. So hat der Bundesgerichtshof unter anderem mit Entscheidung vom 13.10.1987 (- VI ZR 83/87) folgende Leitsätze aufgestellt:
Die Unzulässigkeit des heimlichen Mitschneidens von (Telefon-)Gesprächen gilt prinzipiell auch für Besprechungen über geschäftliche Angelegenheiten.
und:
Die Widerrechtlichkeit eines Eingriffs in das Recht zur Selbstbestimmung über das gesprochene Wort entfällt nicht schon durch das Interesse des Verletzers (also dessen der aufnimmt), die ungenehmigte Tonaufzeichnung in einem Rechtsstreit zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche zu verwenden, womit Unterlassungsansprüche des Abgehörten, mit welchem sich dieser gerichtlich gegen denjenigen, der mitgeschnitten hat, erfolgreich begründet werden können.
Auf der anderen Seite stellte kürzlich das Bundesarbeitsgericht in seiner (Entscheidung vom 20.6.2013, 2 AZR 546/12) u .a wie folgt klar:
Die Zivilprozessordnung kennt für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein - ausdrückliches - prozessuales Verwendungs- bzw. Verwertungsverbot.
Aus § 286 ZPO iVm. Art. 103 Abs. 1 GG folgt im Gegenteil die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - Rn. 60, BVerfGE 106, 28; BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 37; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356).
Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots, das zugleich die Erhebung der angebotenen Beweise hindern soll, einer besonderen Legitimation in Gestalt einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - aaO; Musielak/Foerste ZPO 10. Aufl. § 284 Rn. 23; MünchKommZPO/Prütting 4. Aufl. § 284 Rn. 64).
Im gerichtlichen Verfahren tritt der Richter den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Er ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 mwN, BVerfGE 117, 202). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 94 mwN, aaO).
Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - aaO; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht gewährleistet nicht allein den Schutz der Privat- und Intimsphäre, sondern trägt in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch den informationellen Schutzinteressen des Einzelnen Rechnung (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378; BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 28).
Es gewährleistet die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Diesem Schutz dient auch Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) (BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).
Die gesetzlichen Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung im BDSG konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe in dieses Recht zulässig sind (vgl. für das Datenschutzgesetz NRW BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16). Dies stellt § 1 BDSG ausdrücklich klar.
Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nach dem Gesamtkonzept des BDSG nur zulässig, wenn eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift diese erlaubt. Fehlt es an der danach erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Dieser das deutsche Datenschutzrecht prägende Grundsatz ist in § 4 Abs. 1 BDSG kodifiziert (Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 4 Rn. 3; ErfK/Franzen 13. Aufl. § 4 BDSG Rn. 1; Simitis/Sokol BDSG 7. Aufl. § 4 Rn. 1).
Dann wird allerdings folgendes klargestellt:
Sowohl die Gerichte für Arbeitssachen als auch die ordentlichen Gerichte sind befugt, Erkenntnisse zu verwerten, die sich eine Prozesspartei durch Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht verschafft hat, wenn eine Abwägung der beteiligten Belange ergibt, dass das Interesse an einer Verwertung der Beweise trotz der damit einhergehenden Rechtsverletzung das Interesse am Schutz der Daten überwiegt.
Das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, reichen dabei für sich betrachtet nicht aus, dem Verwertungsinteresse den Vorzug zu geben (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 29). Dafür bedarf es zusätzlicher Umstände. Sie können etwa darin liegen, dass sich der Beweisführer mangels anderer Erkenntnisquellen in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befindet (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 22; jeweils mwN).
Also sollten Mitschnitte erfolgen, mit welcher eine solche Notwehrsituation beweisbar wiedergeben.
Die besonderen Umstände müssen gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt ausweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - aaO).
Demzufolge ist die Antwort einfach: Wird man von demjenigen, mit dem man das Gespräch aufnimmt diskriminiert, beleidigt, bedroht oder genötigt, ist die Aufnahme im Regelfall verwertbar.
Wird man hingegen vom Gesprächspartner bloß „blöd angegangen“ und liegt noch keine Diskriminierung, Nötigung oder Beleidigung oder Bedrohung vor, kann eine Verwertung des Gesprächsmittschnittes ggf. durch das Gericht nicht erfolgen, da dann die Aufnahme eben voraussichtlich nicht durch eine notwehrähnliche Situation gerechtfertigt ist.
Da Gesprächsverlaufe und deren Inhalte im Regelfall nicht vorherbar sind, ist also Vorsicht beim Mitschnitt von Gesprächen weiterhin geboten.
Sieht sich ein Betroffener aber in einer Notwehrsituation, weil ihm im Rahmen von Vieraugengesprächen wiederholt diskriminierende, beleidigende, drohende oder nötigende Verbalattacken drohen, ist der Mitschnitt dieser Gesprächsinhalte ein auch aus Sicht der Rechtsprechung probates Mittel Beweise zu schaffen, die den anderen in einem Rechtstreit überführen können.
Erwischen lassen sollte man sich beim Aufnehmen aber trotzdem nicht, da sonst die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen droht. Auch dem Gegenüber nach erfolgreicher Aufnahme mit der Verwertung des Gesprächsmittschnittes zu drohen, empfiehlt sich nicht.
Man sollte im Gegenteil, den Verlauf eines Prozesses abwarten und sich vorbehalten zusätzliche Beweisanträge zu stellen. Als weiteres Mittel kann schließlich, soweit sich die Gegenseite nicht wahrheitsgemäß im Rechtstreit einlässt, eine spätere Anzeige wegen versuchten Prozessbetruges überdacht werden.
MJH Rechtsanwälte, Martin J. Haas meint: Erfolgt ein psychologische Kriegsführung, die die obig genannten Grenzen durchbrechen ist die erste Empfehlung: Meiden Sie Situationen, in den Sie sich Verbalattacken ausgesetzt sehen. Ist zum Beispiel ein Arbeitsplatz durch nachhaltiges Bossing oder Mobbing beschädigt, lohnt es sich im Regelfall unschönen Gesprächen aus dem Weg zu gehen, um weiteren Schaden von sich abzuwenden. Hilft alles nichts und nimmt eine voraussichtlich wie immer so gut wie unvermeidbare Unterhaltung mit dem Arbeitgeber einen diskriminierenden, beleidigenden, nötigenden oder gar bedrohlichen Charakter an, sollte man sich nicht scheuen, derartige Gespräche aufzunehmen. Hier ist allerdings nicht das subjektive Gefühl, sondern der objektive Tatbestand der Verletzungshandlung maßgeblich, ob die Rechtsprechung später von einer Notwehrsituation ausgeht, oder aber nicht. Es entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Wann welche Grenze durchbrochen ist, prüft der Anwalt Ihres Vertrauens.
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