Keine Verhältnismäßigkeitsprüfung in Fällen irrtümlich übersehener Meldetermine
Nach einer Entscheidung des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen vom 18.12.2013 (L 13 AS 161/12) ist im Falle eines Meldeversäumnisses bei Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes eine zusätzliche Verhältnismäßigkeitsprüfung vor der durch das Jobcenter zu verhängenden Sanktion nicht erforderlich.
In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt wurde ein zum Zeitpunkt des Meldeversäumnisses 61-jähriger Langzeitarbeitsloser durch das beklagte Jobcenter zu einem Meldetermin zur Besprechung seiner Bewerbersituation eingeladen, wobei er über die Rechtsfolgen seines Ausbleibens belehrt wurde. Nachdem der Kläger zum Termin nicht erschienen war, erklärte er im Rahmen der durchgeführten Anhörung, dass er bislang allen Einladungen nachgekommen sei, er bei dem versäumten Meldetermin jedoch die Einladung aus unerklärbaren Gründen übersehen. Gegen die vom beklagten Jobcenter verhängte Sanktion, eine Minderung des Regelsatzes um 10 % für die Dauer von drei Monaten, legte der Kläger Widerspruch ein, der durch das beklagte Jobcenter als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die vom Kläger gegen den Sanktionsbescheid erhobene Klage zum Sozialgericht Oldenburg hatte Erfolg, so dass das Sozialgericht Oldenburg den Sanktionsbescheid aufhob.
Gegen diese Entscheidung legte das beklagte Jobcenter form- und fristgerecht Berufung ein.
Im Rahmen der Entscheidung über die erhobene Berufung erklärte das Landessozialgericht, dass der Bescheid des beklagten Jobcenters keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Die Voraussetzungen für eine Sanktionierung liegen unproblematisch vor.
Unstreitig sei, dass der Kläger einer Meldeaufforderung des beklagten Jobcenters nicht nachgekommen ist. Einen wichtigen Grund hierfür hat der Kläger nicht vorgetragen.
Gemäß § 32 SGB II ist in solchen Fällen als Sanktion eine Minderung um 10 % des maßgeblichen Regelbedarfes für die Dauer von drei Monaten zwingend vorgesehen. Einer weiteren Verhältnismäßigkeitsprüfung, insbesondere im Hinblick darauf, ob es sich um ein erstmaliges Meldeversäumnis handelt und ob die Sanktion insoweit verfassungsmäßig ist, bedürfe es nicht.
Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei schon dadurch Rechnung getragen, dass im Falle eines versäumten Meldetermins lediglich eine Absenkung des ALG II-Anspruches um 10 % über einen Zeitraum von drei Monaten vorgesehen sei, statt wie in anderen Fällen von 30 %.
Die Entscheidung des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen macht deutlich, dass schon ein erstmaliger Verstoß gegen eine Meldeaufforderung eine Absenkung des Regelbedarfs um 10 % rechtfertigt, ohne dass es insoweit zunächst einer Ermahnung des Leistungsempfängers bedarf. Leistungsbezieher von ALG II sollten Meldeaufforderungen des Jobcenters daher ernst zu nehmen und diesen dringend Folge leisten. Ausnahmen hiervon bestehen lediglich dann, wenn der Leistungsempfänger unaufschiebbare oder unvorhersehbare Verpflichtungen im familiären oder persönlichen Bereich hat, die eine Meldung beim Jobcenter unmöglich machen. Doch auch in diesem Fall sollte der Termin nicht ohne entsprechende Absage versäumt werden.
Es ist also dringend ratsam, für den Fall, dass ein Leistungsempfänger zu einem Termin nicht erscheinen kann, das zuständige Jobcenter umgehend hiervon und vom Grund des Ausbleibens zu informieren und sich zeitnah um einen neuen Termin zu bemühen. Nur so wird ein durchgängiger Bezug des ALG II ohne Sanktionierung gewährleistet.
Susanne Böhme
Rochlitz-Kretschmer-Vogel
Rechtsanwälte - Fachanwälte
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