„Wer klaut, fliegt!“
Die Floskel hört man immer wieder.
Aber wie sieht es aus, wenn z.B. bei einem Diebstahl der Schaden des Arbeitgebers wirtschaftlich kaum meßbar oder garnicht vorhanden ist ?
Immer wieder wird uns daher die Frage gestellt, ob es eine Grenze gibt, unterhalb der eine fristlose Kündigung unzulässig ist.
In diesem Zusammenhang ist immer wieder von Bagatellgrenzen von 10 Euro die Rede.
Das Gegenteil ist der Fall.
Auch der „Diebstahl“ oder die Unterschlagung von praktisch wertlosen Dingen oder sogar Abfall ist in der Regel ein erheblicher Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten und rechtfertigt in fast allen Fällen eine fristlose Kündigung.
Diese strenge Linie wird entgegen anderslautender von den Gerichten immer wieder bestätigt.
So hat der Fall der Verkäuferin der Fa. Kaisers aus Berlin, die wegen 1,30 Euro Pfandbons fristlos gekündigt wurde, in den letzten Wochen für einige Aufmerksamkeit gesorgt. Folgende weiteren Beispiele, die sich alle tatsächlich zugetragen haben, möchten wir zur Veranschaulichung vorstellen:
1.Fristlose Kündigung wegen Privatpost mit weniger als 5 Euro Porto über Frankiermaschine des Arbeitgebers
Das Hessische Landesarbeitsgericht hatte den Fall eines Mitarbeiters eines Versicherungsbüros zu beurteilen, der ohne Erlaubnis der Geschäftsleitung die Frankiermaschine des Arbeitgebers benutzt hatte. In der Poststelle waren die handschriftlich adressierten Briefumschläge aufgefallen. Der "erschlichene" Portobetrag belief sich auf weniger als fünf Euro.
Dem Briefschreiber wurde wegen Diebstahlsversuchs fristlos gekündigt. Die Kündigungsschutzklage hatte in zwei Instanzen keinen Erfolg.
Das Landesarbeitsgericht hat dazu ausgeführt, daß auch der geringe Schadensbetrag der Kündigung nicht entgegenstehe und die Höhe des entstandenen Schadens unerheblich sei.
Mit seinem rechtswidrigen Verhalten habe der Arbeitnehmer "in erheblicher Weise das Vertrauen der Arbeitgebers in seine Redlichkeit gebrochen". Das Landesarbeitsgericht Frankfurt bestätigte damit die Entlassung mit dem Verweis auf arbeitsvertragliche "Nebenpflichten". Dazu gehöre es auch, eine private Nutzung von Betriebsmitteln des Arbeitgebers zu unterlassen.
Die Entscheidung macht deutlich, daß bei rechtswidrigem Verhalten wie Diebstahl oder Betrug stets mit einer fristlosen Kündigung gerechnet werden muß.
2.Fristlose Kündigung wegen Mitnahme von abgeschriebenem Fliesenbruch oder abgelaufenen Lebensmitteln
Nimmt ein Mitarbeiter, ohne Genehmigung oder gegen die ausdrückliche Anweisung des Arbeitsgebers, Ausschußware und sogar Abfälle mit, kann dies eine außerordentliche Kündigung, auch ohne vorherige Abmahnung, rechtfertigen.
Ein Mitarbeiter eines Baumarktes hatte zwei Kartons mit fehlerhaften und zum Teil defekten Fliesen, so genannten „Fliesenbruch“, ohne Genehmigung des Vorgesetzten und ohne zu bezahlen, mitgenommen. Zur Entschuldigung führte er an, er habe geglaubt, die Ausschußware sei für den Arbeitgeber wertlos.
Der Arbeitgeber hat das Arbeitsverhältnis mit dem seit dreieinhalb Jahren beschäftigten, schwerbehinderten und verheirateten Arbeitnehmer ohne vorherige Abmahnung fristlos gekündigt.
Der Arbeitgeber hatte zuvor alle Mitarbeiter, auch den Kläger darauf hingewiesen, daß Mitarbeiter auch „abgeschriebene Ware“ nur nach Zustimmung des Arbeitgebers mitnehmen dürfen.
Das Landesarbeitsgericht Köln hat den zuvor beschriebenen entschieden und die Kündigung für wirksam erachtet. Es hat die Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, daß jedes vollendete oder auch nur versuchte Eigentums- oder Vermögensdelikt zum Nachteil des Arbeitgebers an sich einen geeigneten Grund für eine fristlose Kündigung darstellt.
Dies gelte auch für geringwertige Sachen.
Der Arbeitgeber entscheidet demnach allein, was mit der in seinem Eigentum stehenden Ausschußware geschehen soll.
Der Arbeitgeber hat demnach ein berechtigtes und überwiegendes Interesse, in Diebstahlsfällen „hart durchzugreifen“, um die Betriebsdisziplin zu bewahren. Einer vorherigen Abmahnung bedufte es wegen des vorsätzlichen Eigentumsdelikts nach Ansicht des Gericht ausdrücklich nicht.
Eine vergleichbare Konstellation mit abgelaufenen und zur Vernichtung bestimmten Lebensmitteln aus Speisewagen der Bahn gab es auch in Hamburg mit gleichem Ausgang.
Es verbleibt also nur die Feststellung, daß der alte Spruch „wer klaut, fliegt“ tatsächlich uneingeschränkt zutreffend ist.
Und es ist auch nicht zu erwarten, daß das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung ändern wird. Wenn eine Änderung überhaupt mit einer geringen Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, dann kann diese nur von der Europäischen Ebene her kommen, z.B. vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
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