Angebotsausschluss wegen vorausgegangener außerordentlicher Kündigung
Muss ein Bauauftrag nach einer außerordentlichen Kündigung neu vergeben werden, ist der Auftragnehmer, dem der Auftrag gekündigt wurde, nicht von vornherein vom Wettbewerb um den neu zu vergebenden Auftrag ausgeschlossen.
Bezüglich der Frage, ob ein Bewerber fachlich geeignet ist, den Auftrag auszuführen, steht dem Auftraggeber ein gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Der Auftraggeber darf bei der Eignungsprüfung auch Erfahrungen einbeziehen, die er selbst mit einem Bieter in der Vergangenheit gemacht hat. Daher liegt es im Rahmen des Beurteilungsspielraums, wenn der Auftraggeber den Bewerber für unzuverlässig hält, weil er ihm zuvor aus wichtigem Grund gekündigt hat. Dabei müsse im Vergabenachprüfungsverfahren nicht geklärt werden, welche Rechtspositionen der Parteien in welchem Stadium zutreffend waren, sofern das übereinstimmende Vorbringen der Parteien belege, dass zwischen den Parteien schwerwiegende und nicht zu überbrückende Konflikte bestehen. Darauf weist Rechtsanwalt Dr. Andreas Hövelberndt unter Bezugnahme auf einen Beschluss des OLG München vom 05.10.2012 (Verg 15/12) hin.
I. Zum Sachverhalt
Der Auftraggeber hatte dem Bieter zunächst einen in zwei Bauabschnitten auszuführenden Auftrag zur Erweiterung, Umbau und Sanierung einer Schule erteilt. Nach erheblichen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf es sogar zu Strafanzeigen des Auftragnehmers wegen unwahrer Behauptungen des Auftraggebers kam, kündigte der Auftraggeber den Auftrag aus wichtigem Grund wegen Verzugs, Verletzung der Baustellenförderungspflicht, der Verweigerung der Beseitigung von Mängel etc. Im Anschluss schrieb der Auftraggeber die restlichen Bauarbeiten europaweit im Wege eines offenen Verfahrens nach der VOB/A neu aus. Um den Auftrag hatte sich u.a. der Auftragnehmer beworben, dem der Auftrag ursprünglich erteilt, jedoch später gekündigt wurde. Das Angebot dieses Bewerbers, das den ersten Platz belegte, schloss der Auftraggeber wegen schwerer Verfehlungen (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 c VOB/A) sowie mangels Zuverlässigkeit (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A) aus. Im Wesentlichen stützte er sich darauf, dass wegen der Gründe, die zur Kündigung geführt haben, keine günstige Prognose bezüglich der Vertragsabwicklung getroffen werden könne. Der Nachprüfungsantrag des Bieters vor der Vergabekammer hatte Erfolg. Daraufhin wendete sich der Auftraggeber im Wege der sofortigen Beschwerde mit Erfolg an das OLG.
II. Aus den Gründen
Das Gericht äußerte zunächst Zweifel daran, dass der Ausschluss des Bieters durch § 16 Abs. 1 Nr. 2 c VOB/A gedeckt war, wonach ein Bieteraus-schluss bei nachweislich schweren Verfehlungen zulässig ist. Die hohen Anforderungen, die an die An¬nahme einer schweren Verfehlung gestellt werden, lägen vermutlich nicht vor. Der Auftraggeber habe jedenfalls die Eignung des Bieters gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A ohne Rechtsfehler und im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums verneint.
An der diesbezüglichen Entscheidung war der Auftraggeber weder durch die Übersendung der Ausschreibungsunterlagen noch durch die Erteilung eines anderen Auftrags an den Bieter gehindert. Erstere enthalte keine abschließende Entscheidung über die Eignung des Bieters. Die Erteilung eines anderen Auftrags sei irrelevant, weil die Eignung stets auftragsbezogen zu beurteilen sei.
Die Frage, ob der Bieter die erforderliche Fach-kunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzt, um den Auftrag ordnungsgemäß auszuführen, ist das Ergebnis einer fachlich-tatsächlichen Prognose, die die Vergabestelle im Rahmen eines vom Gericht nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums überprüfe. Dieser sei nur dann überschritten, wenn ein vorgeschriebenes Verfahren nicht eingehalten werde, von einem nicht hinreichend überprüften Sachverhalt ausgegangen worden sei, der Entscheidung sachwidrige Erwägungen zugrungegelegen haben oder der Beurteilungsmaßstab fehlerhaft angewendet worden sei.
Die Prognoseentscheidung muss auf gesicherten Erkenntnissen des Auftraggebers beruhen, was jedoch nicht heißt, dass er seiner Entscheidung nur unstreitige Aspekte zugrundelegen darf bzw. solche, die er im Nachprüfungsverfahren zur Überzeugung des Gerichts beweisen kann.
Geeignete Grundlage der Prognoseentscheidung des Auftraggebers können hierbei nicht nur einge-holte Informationen aus seriösen externen Quellen, sondern auch gesicherte eigene Erkenntnisse des Auftraggebers sein. D.h., der Auftraggeber darf bei der Eignungsprüfung Erfahrungen einbeziehen, die er selbst mit einem bestimmten Bieter in der Vergangenheit gemacht hat.
Die Grenze des Beurteilungsspielraums sei daher nicht überschritten, wenn der Auftraggeber den Bewerber für unzuverlässig halte, weil er ihm rechtmäßig aus wichtigem Grund gekündigt habe und es um die (Neu-)Vergabe des gekündigten Auftrags gehe. Umstände, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, tragen in der Regel auch die Prognose, dass der Bewerber das Werk bei erneuerter Beauftragung nicht ordnungsgemäß vollendet.
Im konkreten Fall war zwar umstritten, ob für die von dem Auftraggeber ausgesprochene Kündigung hinreichend wichtige Gründe vorlagen. Im Vergabenachprüfungsverfahren müsse jedoch nicht festgestellt werden, ob die außerordentliche Kündigung berechtigt war. Die Annahme, der Bewerber sei unzuverlässig, sei nicht nur bei offenkundigen Vertragsverletzungen berechtigt, sondern auch bei Umständen, die die Besorgnis rechtfertigen, dass eine reibungslose Auftragsabwicklung nicht zu erwarten sei. Diese Voraussetzungen hat das Gericht bejaht. Der Auftraggeber verweise auf persönliche Angriffe des Bewerbers gegen ihre Mitarbeiter. Insoweit dürfe er sich auf die Angaben der eigenen Mitarbeiter stützen, zumal diese von den beiden auf der Baustelle eingesetzten Architekten bestätigt würden. Im Übrigen stütze sich der Auftraggeber auf von dem Bewerber zu vertretende Verzögerungen und Blockaden sowie vielfältige Konfliktpunkte. Einen gewissen zeitlichen Verzug habe der Auftraggeber wohl selber zu verantworten. Allerdings beweise die vorgelegte Korrespondenz, dass es laufend zu massiven Streitigkeiten über Behinderungen, bindende Fristen, Verzögerungen und Ausführungspflichten gekommen sei. Gleiches gelte für Mängel, zu denen beide Parteien umfangreiche Gutachten vorgelegt haben. Auch seien auf der Baustelle zwei Unternehmen tätig gewesen, die dem Auftraggeber nicht gemeldet wurden. Gegen diese habe der Zoll Verdachtsmomente gehabt; erst während des Nachprüfungsver-fahrens habe die Bewerberin ein Schreiben vorgelegt, wonach die Ermittlungen eingestellt wurden.
Es müsse im Vergabenachprüfungsverfahren nicht mittels einer umfangreichen Beweisaufnahme geklärt werden, welche Rechtspositionen der Parteien in welchem Stadium zutreffend waren. Das übereinstimmende Vorbringen der Parteien belege jedenfalls, dass zwischen den Parteien schwerwiegende und nicht zu überbrückende Konflikte bestehen. Zwar seien gewöhnliche Meinungsverschiedenheiten der Beteiligten über Sach- und Rechtsfragen ebenso wenig geeignet, die Eignung eines Bewerbers zur Ausführung eines Auftrags zu verneinen, wie ein anhängiger Gerichtsprozess. Im vorliegenden Fall würden die Konflikte der Beteiligten und die damit verbundene Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses weit über das übliche Maß an Meinungsverschiedenheiten hinausgehen.
III. Fazit
Die Entscheidung macht deutlich, dass öffentliche Auftraggeber beachtliche Möglichkeiten haben, Angebote von Bietern, mit denen es in der Vergangenheit zu Auseinandersetzungen über Termine, die Beseitigung von Werkmängeln und sonstige Nachlässigkeiten gekommen ist, von der Vergabe eines weiteren Auftrags auszuschließen. Nicht nur bei nachweislich schweren Verfehlungen (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 c VOB/A) sondern auch mangels Zuverläs¬sigkeit (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A) können Angebote ausgeschlossen werden, wobei der Auftraggeber hinsichtlich der Annahme der Unzu-verlässigkeit einen gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum hat. Stützt sich der Auftraggeber hierbei auf die Gründe einer vorausgegangenen Auftragskündigung, muss deren Rechtmäßigkeit im Übrigen noch nicht einmal nachgewiesen sein. Es darf allerdings nicht verkannt werden, dass gleichwohl Umstände dargelegt werden müssen, aus denen sich ergibt, dass schwerwiegende Konflikte bestehen, die eine Zusammenarbeit unmöglich machen. Anders als im vorliegenden Fall, werden derart schwere Auseinandersetzungen zwischen Auftraggeber und dem Bieter jedoch nicht immer vorliegen. Der Ausschluss von Angeboten bleibt daher eine schwierige und gut zu begründende Einzelfallentscheidung, in die die Erfahrungen des Auftraggebers mit dem Bieter in der Vergangenheit sowie die Besonderheiten des Auftrags einfließen können.
Rechtsanwalt Dr. Andreas Hövelberndt empfiehlt, dies zu beachten und weist darauf hin, dass diese Mitteilung lediglich allgemeine Informationen zu rechtlichen Themen enthält. Eine individuelle, am konkreten Sachverhalt orientierte Beratung könne sie nicht ersetzen.
Für Rückfragen steht Ihnen Rechtsanwalt Dr. Hövelberndt gerne zur Verfügung.
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