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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Übertragung einer Direktversicherung in der Insolvenz
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.09.2012, Az. 3 AZR 176/10
Hat der Arbeitgeber zum Zwecke der betrieblichen Altersversorgung eine Direktversicherung abgeschlossen und dem Arbeitnehmer ein bis zum Ablauf der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt, steht dem Arbeitnehmer in der Insolvenz des Arbeitgebers kein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO an der Versicherung zu, wenn der Insolvenzverwalter das Bezugsrecht wirksam widerrufen hat. Die Zulässigkeit des Widerrufs richtet sich allein nach der versicherungsrechtlichen Rechtslage im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Versicherung, nicht nach den arbeitsrechtlichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Verstößt der Insolvenzverwalter mit dem Widerruf des Bezugsrechts gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, so kann dies grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers begründen. Dieser ist jedoch weder auf Erstattung der Beiträge zur Direktversicherung noch auf Zahlung des Rückkaufswerts gerichtet, sondern auf Ausgleich des Versorgungsschadens.
Der Kläger war vom 1. Dezember 1998 bis zum 31. Dezember 2005 bei der späteren Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Diese sagte dem Kläger am 30. August 1999 Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu. Dazu schloss die Schuldnerin eine Direktversicherung ab und räumte dem Kläger ein bis zum Ablauf der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist widerrufliches Bezugsrecht ein. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin widerrief der beklagte Insolvenzverwalter gegenüber der Versicherungsgesellschaft das Bezugsrecht. Der Kläger hat den Widerruf des Bezugsrechts für unwirksam gehalten und den Insolvenzverwalter auf Übertragung der Versicherung in Anspruch genommen. Hilfsweise hat er im Wege des Schadensersatzes die Erstattung der an die Versicherung gezahlten Beiträge, zumindest aber Zahlung des Rückkaufswerts der Versicherung verlangt.
Die Klage hatte vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts, wie schon in den Vorinstanzen, keinen Erfolg. Der Widerruf des Bezugsrechts durch den Insolvenzverwalter ist wirksam, da die Unverfallbarkeitsfrist nach § 1b iVm. § 30f Abs. 1 BetrAVG im Zeitpunkt des Widerrufs nicht abgelaufen war. Der Insolvenzverwalter ist auch nicht verpflichtet, dem Kläger im Wege des Schadensersatzes die Beiträge für die Direktversicherung oder den Rückkaufswert der Versicherung zu erstatten. Den Ersatz eines Versorgungsschadens hat der Kläger nicht verlangt. Deshalb war auch nicht zu entscheiden, ob der Insolvenzverwalter im Verhältnis zum Kläger berechtigt war, das Bezugsrecht zu widerrufen, noch kommt es darauf an, ob ein Schadensersatzanspruch wegen eines zu Unrecht erklärten Widerrufs des Bezugsrechts eine Insolvenzforderung oder eine Masseforderung ist.
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2012&nr=16189&pos=4&anz=69&titel=%DCbertragung_einer_Direktversicherung_in_der_Insolvenz
II.
Unterrichtung des Betriebsrats über bevorstehende Massenentlassungen
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.09.2012, Az. 6 AZR 155/11
Beabsichtigt der Arbeitgeber Massenentlassungen, hat er den Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG schriftlich ua. über die Gründe für die geplanten Entlassungen zu unterrichten. Ob danach die Unterrichtung der Schriftform iSv. § 126 BGB bedarf, hat das Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden. Hat der Arbeitgeber die von § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG geforderten Angaben in einem nicht unterzeichneten Text dokumentiert und diesen dem Betriebsrat zugeleitet, genügt die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen, um den eventuellen Schriftformverstoß zu heilen.
Über das Vermögen der Arbeitgeberin der Klägerin wurde am 1. September 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte schloss mit dem Gesamtbetriebsrat am 15. Oktober 2009 einen von beiden Seiten unterzeichneten Interessenausgleich mit Namensliste für drei Betriebe des Unternehmens, der die nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderlichen Angaben enthielt. Der Gesamtbetriebsrat erklärte in dem Interessenausgleich abschließend, er sei umfassend gem. § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet worden. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass der Interessenausgleich seitens des Beklagten vor der Unterzeichnung durch den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden unterschrieben worden war. Der Beklagte fügte seiner anschließenden Massenentlassungsanzeige den Interessenausgleich bei. Nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit kündigte er das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin am 16. Oktober 2009 zum 31. Januar 2010. Die Klägerin hält diese Kündigung für unwirksam, weil der Gesamtbetriebsrat nicht schriftformgerecht iSd. § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG unterrichtet worden sei.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Ein etwaiger Schriftformmangel der Unterrichtung ist durch die abschließende Stellungnahme des Gesamtbetriebsrats im Interessenausgleich geheilt. Dafür spricht der Zweck des Unterrichtungserfordernisses, das die Richtlinienvorgabe in Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG umsetzen soll. Die Arbeitnehmervertretung soll nach der Auslegung des EuGH konstruktive Vorschläge unterbreiten können, um die Massenentlassung zu verhindern oder einzuschränken. Diesem Zweck ist genügt, wenn die Arbeitnehmervertretung aufgrund schriftlich fixierter ausreichender Angaben des Arbeitgebers zu den geplanten Entlassungen eine abschließende Stellungnahme abgibt.
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2012&nr=16206&pos=3&anz=69&titel=Unterrichtung_des_Betriebsrats_%FCber_bevorstehende_Massenentlassungen
III.
Ein Administrator nach englischem Recht darf bei einer grenzüberschreitenden Insolvenz in Deutschland einen Interessenausgleich mit Namensliste schließen
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.09.2012, Az. 6 AZR 253/11
Bei grenzüberschreitenden Insolvenzen innerhalb der Europäischen Union kann nach der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 (EuInsVO) in dem Mitgliedstaat, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat (center of main interests/COMI), das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet werden. In diesem Fall gilt bis zur Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen in allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks grundsätzlich das Recht des Staates, in dem das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet worden ist. Art. 10 EuInsVO macht davon für Arbeitsverhältnisse eine Ausnahme. Danach gilt für diese „ausschließlich“ das Recht des Mitgliedstaats, das nach dem internationalen Privatrecht auf den Arbeitsvertrag anzuwenden ist. Diese Bestimmung ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass bei Anwendbarkeit des deutschen Arbeitsrechts auch ein Administrator nach englischem Recht als Insolvenzverwalter iSd. § 125 InsO anzusehen ist und daher einen Interessenausgleich mit Namensliste abschließen kann, dem die Wirkungen des § 125 InsO zukommen.
Der Kläger war seit 1991 bei der Beklagten, die zu einer weltweit agierenden Unternehmensgruppe gehört, als Manager Business Finance beschäftigt. Im Januar 2009 leiteten weltweit verschiedene Gesellschaften dieser Unternehmensgruppe Insolvenzverfahren ein. Am 14. Januar 2009 eröffnete der High Court of Justice das Administrationsverfahren als Hauptinsolvenzverfahren iSd. EuInsVO über das Vermögen der Beklagten und bestellte drei Administratoren, die einzeln oder gemeinschaftlich tätig werden konnten. Nach englischem Recht vertreten diese die Gesellschaft, treten also anders als ein deutscher Insolvenzverwalter nicht in die Arbeitgeberstellung ein. Sie haben ua. die Befugnis, Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Am 27. Juli 2009 kam für die Beklagte, die dabei von einem der drei Administratoren vertreten wurde, ein Interessenausgleich mit Namensliste zustande. Der Kläger war auf der Namensliste aufgeführt. Sein Arbeitsverhältnis wurde zum 30. November 2009 gekündigt. Mit seiner Kündigungsschutzklage macht der Kläger ua. geltend, der Administrator habe keinen Interessenausgleich gem. § 125 InsO vereinbaren können; nach deutschem Recht könne dies nur ein Insolvenzverwalter iSd. InsO.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Im Geltungsbereich der EuInsVO ist ein Administrator, der in der vom englischen Insolvenzrecht vorgesehenen Weise für den Schuldner handelt, auch befugt, einen Interessenausgleich nach § 125 InsO abzuschließen. Nur mit dieser Auslegung lassen sich effiziente und wirksame grenzüberschreitende Insolvenzverfahren, wie sie Zweck der EuInsVO sind, sicherstellen.
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2012&nr=16207&pos=2&anz=69&titel=Ein_Administrator_nach_englischem_Recht_darf_bei_einer_grenz%FCberschreitenden_Insolvenz_in_Deutschland_einen_Interessenausgleich_mit_Namensliste_schlie%DFen
IV.
Schadensersatz wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.09.2012, Az. 10 AZR 370/10
Nach § 287 Abs. 1 ZPO entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch dieser ist. Die Entscheidung obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten und kann revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüft werden. Für die Schätzung eines Schadens benötigt der Richter greifbare Anhaltspunkte; eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens lässt § 287 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht zu. Eine Schätzung darf nicht vollkommen „in der Luft hängen“.
Die Klägerin befasst sich mit dem Bau von Verkehrswegen. Im April 2005 wurde über das Vermögen ihrer früheren Muttergesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Geschäftsanteile der Klägerin wurden an einen anderen Baukonzern veräußert. Auch die Beklagte war am Erwerb der Klägerin interessiert gewesen. Sie gründete nach Scheitern der Verhandlungen eine eigene Gesellschaft für Verkehrswegebau und schloss mit Führungspersonal der Klägerin Arbeitsverträge. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang wurden Daten der Klägerin genutzt und gelöscht.
Die Klägerin hat der Beklagten vorgeworfen, wettbewerbswidrig Mitarbeiter abgeworben zu haben und Schadensersatz für eingetretene Verluste in den Jahren 2005 und 2006 in Höhe von etwa 46 Mio. Euro verlangt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe sich zwar wettbewerbswidrig verhalten. Es fehle jedoch an greifbaren Anhaltspunkten, um den Schaden schätzen zu können.
Die Revision der Klägerin blieb vor dem 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Unter Beachtung des revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabes ist es nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht mangels greifbarer Anhaltspunkte keine Schätzung eines Schadens vorgenommen und die Auffassung vertreten hat, ein hinreichender Zusammenhang zwischen den Abwerbungen und den eingetretenen Verlusten sei nicht erkennbar geworden.
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2012&nr=16221&pos=1&anz=69&titel=Schadensersatz_wegen_wettbewerbswidrigen_Verhaltens
V.
Betriebsübergang - Wechsel des Betriebsinhabers
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.09.2012, Az. 8 AZR 826/11
Bei dem Übergang eines betriebsmittelgeprägten Betriebes kommt dem Übergang der Nutzungsmöglichkeit der Betriebsmittel im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung wesentliches Gewicht zu. Der Betriebsmittelübernehmer muss die Betriebsmittel tatsächlich weiter oder wieder nutzen. Der bisherige Betriebsinhaber muss die Nutzung der Betriebsmittel im Betrieb oder Betriebsteil einstellen. Der Abschluss eines Kooperationsvertrags zwischen bisherigem Inhaber und späterem Betriebserwerber stellt nicht notwendig einen solchen Betriebsinhaberwechsel dar.
Die Parteien streiten um Entgeltansprüche aus übergegangenem Recht. Die klagende Bundesagentur für Arbeit hat Insolvenzgeld an die Arbeitnehmer der früheren Betriebsinhaberin gezahlt und geht nun gegen die Beklagte als angebliche Betriebserwerberin vor. Die frühere Betriebsinhaberin und spätere Insolvenzschuldnerin hatte im März 2007 mit der Beklagten einen Alleinvertriebs- und Kooperationsvertrag vereinbart, demzufolge die Beklagte den Vertrieb der im fraglichen Betrieb hergestellten Produkte übernahm. Die frühere Betriebsinhaberin zahlte für die Zeit von März bis Mai 2007 keine Löhne und Gehälter mehr an ihre Arbeitnehmer aus. Für sie wurde am 29. Mai 2007 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Am 31. Mai 2007 wurden die 29 Arbeitnehmer des Betriebes zu fristlosen Kündigungserklärungen veranlasst. Die Klägerin zahlte dann rückwirkend bis März 2007 Insolvenzgeld. Im Verlauf des Monats Juni 2007 nahm die Beklagte die Produktion im Betrieb der Insolvenzschuldnerin wieder auf, wobei sie sukzessive bis Mitte Juni 2007 18 Arbeitnehmer, die früher bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt worden waren, einstellte.
Wie schon in der Vorinstanz blieb die Klage auch vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Da vorliegend keine durchgreifenden Bedenken gegen die Wirksamkeit der von den Arbeitnehmern des Betriebes selbst ausgesprochenen Kündigungen bestanden, kam es darauf an, ob schon vor dem 31. Mai 2007 ein Betriebsübergang stattgefunden hatte und somit die gegenüber der bisherigen Betriebsinhaberin ausgesprochenen Eigenkündigungen ins Leere gingen. Ein Betriebsinhaberwechsel hat jedoch nicht vor Juni 2007 stattgefunden. Der mit der früheren Betriebsinhaberin und nachmaligen Insolvenzschuldnerin abgeschlossene Kooperationsvertrag stellte keinen Betriebsinhaberwechsel dar.
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2012&nr=16222&pos=0&anz=69&titel=Betriebs%FCbergang_-_Wechsel_des_Betriebsinhabers
VI.
Begriff der Pause; Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der Pausenanordnung
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 03.08.2012, Az. 5 Sa 252/12
1.Der Arbeitgeber gerät in Annahmeverzug, wenn die Anordnung gegenüber dem Arbeitnehmer, in Pause zu gehen, unwirksam ist. Dies gilt auch dann, wenn dieser seine Arbeitskraft über einen Zeitraum hinaus ununterbrochen anbietet, der über die Höchstgrenzen des Arbeitszeitgesetzes hinausgeht.
2.Die Weisung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, in Pause zu gehen, ist wirksam, wenn sie den Vorgaben des § 106 GewO genügt. Sie ist daher daran zu messen, ob sie mit dem Arbeitsvertrag, den Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages und gesetzlichen Bestimmungen vereinbar ist.
3.Die Anordnung der Arbeitsunterbrechung verstößt gegen § 4 ArbZG, wenn sie nicht „im Voraus" festgelegt worden ist. Hierfür genügt es, wenn zu Beginn der Pause deren zeitliche Dauer festgelegt wird. Nicht erforderlich ist, dass die zeitliche Lage der Ruhepause bereits vor Beginn der tatsächlichen Arbeitszeit bestimmt worden ist.
4.In Fällen, in denen streitig ist, ob eine Arbeitszeitunterbrechung eine Pause darstellt, die den Annahmeverzug ausschließt, ist von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast auszugehen. Der Arbeitnehmer hat zunächst darzulegen und ggf. zu beweisen, an welchen Tagen er gearbeitet und zu welchen Zeiten der Arbeitgeber an diesen Tagen Arbeitsunterbrechungen angeordnet hat. Sodann ist es Sache des Arbeitgebers darzulegen und ggf. zu beweisen, dass er im Voraus eine Pause angeordnet hat und diese Anordnung der maßgeblichen Betriebsvereinbarung sowie billigem Ermessen entspricht. Hierzu hat er anzugeben, von wann bis wann die jeweilige Schicht dauerte. Darüber hinaus muss er die tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Einhaltung der durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages und gesetzliche Vorschriften gesetzten Vorgaben ergibt, konkret darlegen und ggf. beweisen. Sind diese Vorgaben eingehalten worden, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Weisung billigem Ermessen entsprochen hat. Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, jede Pausenanordnung detailliert zu begründen, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Weisung nicht sachgerecht ist. Es ist vielmehr Sache des Arbeitnehmers, im Anschluss an den Vortrag des Arbeitgebers Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, die gegen die Wahrung billigen Ermessens durch den Arbeitgeber sprechen. Ist ihm dies gelungen, bleibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, die dennoch die Wahrung billigen Ermessens begründen.
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2012/5_Sa_252_12urteil20120803.html
VII.
Sonderzahlungen, Tantieme, Verfallklauseln, Allgemeine Geschäftsbedingungen
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 19.07.2012, Az. 5 Sa 324/12
1.Verfolgt der Arbeitgeber mit einer Tantiemezahlung den Zweck, die Leistung eines Arbeitnehmers im Bezugszeitraum zusätzlich zu vergüten, benachteiligt eine Klausel, die den Verfall des Anspruchs vorsieht, den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist unwirksam.
2.Dies gilt auch, wenn die Tantieme nicht mehr als 25 % der Jahresvergütung beträgt.
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/duesseldorf/lag_duesseldorf/j2012/5_Sa_324_12urteil20120719.html
VIII.
Kündigungsrecht
Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 06.08.2012, Az. 2 Sa 643/11
1.Auch eine ordentliche verhaltensbedingte Änderungskündigung (hier Entzug einer Führungsstellung) kann sozial ungerechtfertigt sein, wenn als milderes Mittel eine Abmahnung in Betracht kommt.
2.Rechtfertigt eine erwiesene Tat mangels Schwere der Vorwürfe eine Kündigung nicht, so können allein diese Vorwürfe auch eine Verdachtskündigung nicht rechtfertigen.
3.Bei einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer vorläufig zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen gleichzeitig eine Versetzung nach § 95 Abs. 3 BetrVG darstellt und weder der Betriebsrat nach § 99 BetrVG zugestimmt hat oder die Zustimmung gerichtlich nicht ersetzt ist, noch der Arbeitgeber das Verfahren nach § 100 BetrVG durchführt.
http://www.arbg.bayern.de/nuernberg/entscheidungen/arbeitsrecht/neue/22457/index.html
IX.
Zustimmungsersetzung zur befristeten Einstellung von Leiharbeitnehmern - Begriff der "vorübergehenden" Überlassung von Leiharbeitnehmern - Zustimmungsverweigerungsgrund
Arbeitsgericht Cottbus, Beschluss vom 22.08.2012, Az. 4 BV 2/12
1.Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG n. F. (Gebot der vorübergehenden Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher) begründet einen Zustimmungsverweigerungsgrund des Betriebsrats gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.
2.Zur Auslegung des Begriffs "vorübergehend" in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG n. F. kann § 14 Abs. 1 TzBfG herangezogen werden.
http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/h5d/bs/10/page/sammlung.psml;jsessionid=28B07179077DB3D9C600C8EA6A36782F.jpe4?doc.hl=1&doc.id=JURE120017689%3Ajuris-r01&documentnumber=4&numberofresults=610&showdoccase=1&doc.part=K¶mfromHL=true#focuspoint
X.
Grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl - Insolvenz - Interessenausgleich mit Namensliste
Arbeitsgericht Cottbus, Urteil vom 23.08.2012, Az. 11 Ca 10335/12
1.Im Insolvenzverfahren können in einem Interessenausgleich mit Namensliste bei der zu treffenden Sozialauswahl zur Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur Fehlzeiten herangezogen werden.
2.Dabei dürfen nur solche Fehlzeiten in einem angemessenen Zeitraum (z. B. 2 Jahre) berücksichtigt werden, die für die Zukunft relevant sein können.
3.Die Berücksichtigung von Fehlzeiten allein in der Altersgruppe der 51- bis 60-jährigen ist altersdiskriminierend und eine solche Auswahl ist grob fehlerhaft.
4.Die Berücksichtigung von Fehlzeiten als alleiniges Kriterium in einer Altersgruppe führt zu einer unzulässigen personenbedingten Kündigung.
-Die Berücksichtigung von Fehlzeiten zur Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur kann nur bezogen auf den gesamten auswahlrelevanten Personenkreis erfolgen.
-Der auswahlrelevante Personenkreis kann in angemessene Gruppen mit unterschiedlichen Fehlzeiten aufgeteilt und die Kündigungen auf die Gruppen anteilig verteilt werden.
http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/hit/bs/10/page/sammlung.psml?doc.hl=1&doc.id=JURE120017393%3Ajuris-r00&documentnumber=3&numberofresults=610&showdoccase=1&doc.part=K¶mfromHL=true#focuspoint
XI.
Betriebliche Übung - Doppelte Schriftformklausel
Arbeitsgericht Cottbus, Urteil vom 12.09.2012, Az. 2 Ca 1857/11
Bei einer betrieblichen Übung kommt es darauf an, wie der Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger das Verhalten unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen musste.
Beruht eine Gleichförmigkeit nur darauf, dass ein Arbeitnehmer jeweils dieselbe Leistung erhält wie bestimmte andere Arbeitnehmer, diese anderen Arbeitnehmer aber jeweils unterschiedliche - nicht gleichförmige - Leistungen erhalten, entsteht für keinen der Arbeitnehmer eine betriebliche Übung.
Eine betriebliche Übung ist auch ausgeschlossen, wenn die Parteien nach zweimaliger Leistung das Vertragsverhältnis schriftlich auf neue Grundlagen stellen, in denen sie festhalten, dass außer den nunmehr schriftlich fixierten Vergütungsbestandteilen keine weiteren Ansprüche bestehen.
http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/hit/bs/10/page/sammlung.psml?doc.hl=1&doc.id=JURE120017650%3Ajuris-r03&documentnumber=1&numberofresults=610&showdoccase=1&doc.part=K¶mfromHL=true#focuspoint
XII.
Equal-pay-Ansprüche - Ausschlussfrist - Auslöse und Fahrtkosten - CGZP
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Urteil vom 27.08.2012, Az. 9 Sa 187/11
1.Die (vertragliche) Ausschlussfrist für Differenzlohnansprüche nach § 10 Abs. 4 AÜG wegen Tarifunfähigkeit der CGZP beginnt erst am 14.12.2010 mit der Entscheidung des BAG im Verfahren 1 ARB 19/10.
2.Für die Berechnung der Differenzlohnansprüche bleiben Aufwandsentschädigungen und Fahrtkostenerstattungen an den Leiharbeitnehmer außer Betracht.
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2012&nr=16149&pos=0&anz=48
XIII.
Schriftformerfordernis bei befristeten Arbeitsverträgen
Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 21.08.2012, Az. 6 Sa 1149/11
Die Abrede, ein Arbeitsvertrag solle nur befristet abgeschlossen werden, bedarf der Schriftform. Die (früher) übliche Verwaltungspraxis, den Durchschlag für die Personalakte arbeitgeberseits nur mit einem Namenszeichen zu versehen, ersetzt die Schriftform nicht. Die Einhaltung der Schriftform ist durch den darlegungs- und beweispflichtigen Arbeitgeber nicht nachgewiesen, wenn er allein nachweisen kann, dass ein beidseits vollständig unterzeichnetes Original ausgestellt und dem Arbeitnehmer ausgehändigt wird, wenn dieser bestreitet, ein solches erhalten zu haben.
http://www.arbg.bayern.de/muenchen/entscheidungen/neue/22617/index.html
XIV.
Das Arbeitsgericht Lüneburg gab der Klage auf Beschäftigung als Erzieherin statt /
Politische Gesinnung des Ehegatten
Arbeitsgericht Lüneburg, Urteil vom 09.10.2012, Az. 4 Ca 239/12
Die Klage einer Erzieherin gegen ihre Versetzung war erfolgreich. Auf die politische Gesinnung ihres Ehemanns kam es für die Entscheidung aus rechtlichen Gründen nicht an.
Die Klägerin ist seit dem 01.08.1992 bei der beklagten Hansestadt Lüneburg als Erzieherin tätig. Seit August 2010 ist sie in einer städtischen Kindertagesstätte eingesetzt. Die Klägerin wehrt sich gegen ihre Versetzung, die die Stadt ausgesprochen hatte, nachdem es zu Protesten von Eltern wegen der Mitgliedschaft des Ehemanns der Klägerin in der NPD gekommen war.
Das Arbeitsgericht Lüneburg gab der Klage auf Beschäftigung als Erzieherin statt. Die Versetzung, nach der die Klägerin mit anderen Tätigkeiten als denen einer Erzieherin betraut werden sollte, war vom Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht gedeckt. Die arbeitsvertragliche Regelung, wonach die beklagte Stadt die Klägerin als Erzieherin eingestellt hatte, begrenzte das Weisungsrecht der Arbeitgeberin in inhaltlicher Hinsicht darauf, die Klägerin als Erzieherin zu beschäftigen. Da der Arbeitsvertrag auch keine Versetzungsklausel vorsah, die die Beklagte dazu berechtigt hätte, die Klägerin auch mit anderen Tätigkeiten zu beschäftigen, war es der Hansestadt verwehrt, der Klägerin einen anderen Arbeitsbereich zuzuteilen. Die Stadt konnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe die Maßnahme auch zum Schutz der Klägerin selbst angeordnet. Die Fürsorgeverpflichtung der Stadt als Arbeitgeberin führte nicht zu einer Ausweitung ihres Direktionsrechts.
http://www.landesarbeitsgericht.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=13383&article_id=109482&_psmand=52
XV.
Zwangsvollstreckung, Tenor, Weiterbeschäftigungsantrag, Bestimmtheit, Versetzung, Erfüllung, Wirksamkeit
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 02.10.2012, Az. 1 Ta 142/12
N_1Ta142-12_06-09-2012.pdf
XVI.
Kündigung, außerordentlich, Heimleiter, Ohrfeige, Heimbewohnerin, Anfall, Verhältnismäßigkeit, Interessenabwägung, Überstundenvergütung, Nachtbereitschaft, Darlegungslast des Arbeitnehmers
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 02.10.2012, Az. 3 Sa 178/12
U_3Sa178-12_26-09-2012.pdf
XVII.
Kostenfestsetzung, Sofortige Beschwerde, Berufungsverfahren, Rechtsanwaltskosten, Erstattungsfähigkeit, Vertretung, vorherige Vertretung, Arbeitgeberverband
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 13.09.2012,Az. 5 Ta 134/12
N_5Ta134-12_05-09-2012.pdf
XVIII.
Vergütung, Equal-Pay-Grundsatz, Leiharbeitnehmer, Tarifvertrag, mehrgliedriger, CGZP, Bezugnahmeklausel, Transparenzgebot, Ausschlussfristen
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 07.09.2012, Az. 1 Sa 495/11
U_1Sa495-11_14-08-2012.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Michael Henn
Rechtsanwalt/
Fachanwalt für Arbeitsrecht/
Fachanwalt für Erbrecht
VDAA - Präsident
VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V.
Theodor-Heuss-Str. 11
70174 Stuttgart
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