Alte Testamente von Zeit zu Zeit auf steuerliche Veränderungen überprüfen
(Nürnberg) Testamente werden von Ehegatten häufig vor Flugreisen, Operationen und Krankenhausaufenthalten o. ä. errichtet. Ist dies dann heil überstanden, gerät das Testament oft in Vergessenheit, bis häufig erst nach vielen Jahren der Erbfall eintritt.
Hieraus, so warnt der Nürnberger Erb- und Steuerfachanwalt Dr. Norbert Gieseler, Vizepräsident der Deutschen Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V. mit Sitz in Nürnberg, könne sich je nach weiterer Vermögensentwicklung für den Überlebenden ein gravierender steuerlicher Nachteil ergeben. Dies gelte insbesondere dann, wenn das Vermögen des Erblassers im Laufe der Zeit die erbschaftsteuerlichen Freibeträge überschreite. Dazu macht der Experte folgendes Beispiel auf: Ein Ehepaar setzt sich im Jahre 1995 vor einem Krankenhausaufenthalt des Ehemannes vorsorglich per Testament zu gegenseitigen alleinigen Erben ein. Nach Rückkehr aus dem Krankenhaus gerät das Testament in Vergessenheit, bis der Ehemann im Jahre 2009 tatsächlich verstirbt. Da dieser Eigentümer von zwei Immobilien und einigen Wertpapieren war, hinterlässt er am Todestag rd. 1 Mio. €. Nach Abzug ihres Ehegattenfreibetrages von 500.000 € seit dem 01.01.2009 sowie hier einem angenommenen noch verbleibenden besonderen Versorgungsfreibetrages von 100.000 €, hat die Ehefrau, der aus Vereinfachungsgründen wegen gleicher Vermögensentwicklung ein steuerfreier Zugewinnausgleich nicht zustehen soll, noch eine Erbschaft von 400.000 € mit 15 % zu versteuern, mithin 60.000 €. Diese Steuerlast, so betont Gieseler, hätte sich vermieden werden können, wenn der Erblasser z. B. noch vor seinem Tode seinem Sohn im Wege der Schenkung 400.000 € übertragen, oder diesem bei seinem Tode ein Vermächtnis in dieser Höhe ausgesetzt hätte. Grund: Der Sohn könnte hier seinen eigenen Freibetrag von 400.000 € seit dem 01.01.2009 geltend machen, der so jedoch verlorengegangen sei.
Aber auch in diesem Fall, so Gieseler, bestehe noch Gestaltungsspielraum, wenn sich der Erbe nur schnellstmöglich, spätestens innerhalb von einer Frist von sechs Wochen nach Bekanntwerden des Erbanfalls, steuerlich beraten lasse. So bestehe im oben angeführten Fall z. B. noch die Möglichkeit, die Steuerbelastung durch eine Erbausschlagung, die innerhalb von sechs Wochen nach dem Tod bzw. Bekanntgabe des Erbanfalls (Testamentseröffnung) zu erfolgen habe, günstig zu beeinflussen. Schlägt die Ehefrau hier die Testamentserbschaft innerhalb dieser Frist aus, nimmt diese aber nach dem Gesetz an, so Gieseler, tritt nach dem Tode des Ehegatten die gesetzliche Erbfolge mit der Maßgabe ein, dass dieser von seiner Ehefrau und seinem Sohn je zur Hälfte (= je 500.000 €) beerbt wird. In diesem Fall bliebe die Erbschaft der Ehefrau aufgrund der erbschaftsteuerlichen Freibeträge steuerfrei. Der Sohn müsse nach Abzug seines persönlichen Freibetragens von 400.000 € maximal 100.000 € mit 11 % = 11.000 € versteuern, sodass hieraus schon eine Ersparnis von rd. 49.000 € erzielt werden könne. Kämen zu dem persönlichen Freibetrag noch weitere Freibeträge zur Anwendung, z. B. je nach Alter noch weitere besondere Versorgungsbeiträge, könne die Steuerlast gar auf Null reduziert werden.
Vor diesem Hintergrund mahnte Gieseler denn auch, ältere Testamente von Zeit zu Zeit auf ihre tatsächlichen Folgen sowie die steuerlichen Auswirkungen zu überprüfen. Sei dies versäumt worden, sollte der Überlebende vor der Erbschaftsannahme schnellstmöglich noch um steuerlichen und rechtlichen Rat nachsuchen.
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Dr. Norbert Gieseler
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