Bundesgerichtshof wendet neues Unterhaltsrecht für Geschiedene konsequent an
(Nürnberg) Seit dem 01. Januar 2008 gilt in Deutschland das neue Unterhaltsrecht, welches insbesondere eine neue Rangfolge bei den Unterhaltsberechtigten vorsieht.
In zwei kürzlich veröffentlichten Urteilen hat der Bundesgerichtshof (BGH) diese neue Rangfolge bei den Unterhaltszahlungen konsequent angewandt und den Vorrang von minderjährigen, unverheirateten Kindern sowie hiernach der kinderbetreuenden Elternteile vor allen anderen möglichen Unterhaltsberechtigten bestätigt. (AZ.: XII ZR 72/06 sowie XII ZR 177/06)
Mit diesen Urteilen, so betont der Nürnberger Fachanwalt für Familienrecht Martin Weispfenning, Geschäftsführer der DANSEF Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V. mit Sitz in Nürnberg, müssen sich im „Mangelfall“, d. h., wenn nicht ausreichend Einkommen zur Verfügung steht, um alle Unterhaltsansprüche zu befriedigen, in Zukunft insbesondere nicht kinderbetreuende Elternteile auch nach langer Ehedauer darauf einstellen, keine oder nur noch geringere Unterhaltszahlungen zu erhalten. So habe der BGH einer geschiedenen Ehefrau trotz 24-jaehriger Ehedauer im Mangelfall keinen Unterhaltsanspruch mehr zuerkannt, weil die Unterhaltsansprüche des aus der zweiten Ehe hervorgegangenen, noch nicht drei Jahre alten, Kindes zuerst und hiernach die Unterhaltsansprüche der kinderbetreuenden zweiten Ehefrau vorrangig zu befriedigen seien. Bei der Urteilsbegründung, so Weispfenning, habe das Gericht u. a. entscheidend darauf abgestellt, dass es für die Gewährung von Unterhaltsansprüchen auch nicht (unbedingt) auf die lange Ehedauer ankomme, sondern darauf, ob der Geschiedene dadurch „ehebedingte Nachteile“ hinnehmen musste. Da die erste Ehefrau jedoch in der 24-jaehrigen Ehezeit ganztags beschäftigt war und aus der Ehe auch keine Kinder hervorgegangen waren, hat der BGH diese jedoch hier verneint.
Gleichzeitig habe das Gericht mit den Urteilen auch seine bisherige Rechtsprechung zum sogen. „Splittingtarif“ bei der Einkommensteuer für Ehegatten aufgegeben, wonach dieser bisher immer bei der neuen Ehe verbleiben musste, so Weispfenning. Da sich durch die neue Rechtslage seit dem 01.01.2008 jedoch der Unterhaltsbedarf des geschiedenen und des neuen Ehegatten wechselseitig beeinflussen, sei dieser Grundsatz nun nicht mehr anwendbar. So gelte der Vorrang des Unterhalts für minderjährige Kinder nach dem neuen Recht gegenüber Ehegatten auch im Mangelfall für das gesamte verfügbare Einkommen des Unterhaltspflichtigen und schließe den „Splittingvorteil‘ aus dessen neuer Ehe ein. Damit, so Weispfenning, entfällt dieser „Splittingvorteil“ im Mangelfall für die neue Ehe, wenn er durch den vorrangigen Unterhaltsanspruch der Kinder „verbraucht“ wird. Allerdings darf ein geschiedener Ehegatte durch die Neuberechnung nun nicht mehr erhalten, als ihm ohne Einbeziehung des Splittingvorteils zustünde, wenn er allein unterhaltsberechtigt wäre.
Darüber hinaus, so betont Weispfenning, habe der BGH in seinen Urteilen die Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter nochmals klargestellt. Danach gelte folgende Rangfolge, wenn mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden seien und der Unterhaltspflichtige nicht imstande ist, allen Unterhalt zu gewähren:
1.Minderjährige, unverheiratete Kinder
2.Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Falle einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer. Bei einer Ehe von „langer Dauer“ ist zu prüfen, ob dem Unterhaltsberechtigten dadurch „ehebedingte Nachteile“ entstanden sind.
3.Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Ziffer 2. fallen, also insbesondere nicht kinderbetreuende Geschiedene.
4.Kinder, die nicht unter 1. fallen
5.Enkelkinder und weitere Abkömmlinge
6.Eltern, sowie
7.Weitere Verwandte der aufsteigenden Linie, wobei die näheren den entfernteren Verwandten vorgehen
Anlässlich dieser Entwicklung warnte Weispfenning alle nicht kinderbetreuenden, unterhaltsberechtigten Geschiedenen, sich rechtzeitig auf die neue Rechtslage und Rechtsprechung einzustellen und sich ggfs. rechtlich beraten zu lassen.
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