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Peter Striewe
Kohnen Partner mbB Rechtsanwälte
Holzstr. 2 (Media Tower)
40221 Düsseldorf

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Neues zum Pflegezeitgesetz (PflegeZG)

von Rechtsanwalt Peter Striewe, Düsseldorf
Überblick
Seit dem 01. Juli 2008 gilt das neue "Pflegezeitgesetz". Arbeitgeber haben nach dem neuen Gesetz neben dem zeitweiligen Ausfall von Arbeitnehmern wegen Elternzeit, Krankheit und Urlaub auch noch zusätzlich damit zu rechnen, dass Arbeitnehmer für bis zu sechs Monate "Pflegezeit" beanspruchen, um nahe Angehörige häuslich zu pflegen.


Besonders die kurzen Ankündigungsfristen werden die Arbeitgeber dabei vor große organisatorische Probleme stellen, denn die "kurze Pflegezeit" kann von jetzt auf gleich beantragt werden. Zu diesen organisatorischen Herausforderungen kommt noch der besondere Kündigungsschutz, den Arbeitnehmer ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zum Ende der Pflegezeit genießen.
1. Kurzzeitige Arbeitsverhinderung (bis zu zehn Tagen)
Das Pflegezeitgesetz gewährt jedem Arbeitnehmer bei einem familiären Pflegefall Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht für maximal zehn Arbeitstage (§ 2 Abs. 1 PflegeZG). Der Anspruch des Beschäftigten ist nicht an die Betriebsgröße gebunden.
Der Anspruch des Arbeitnehmers ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:
- Bei dem Antragsteller muss es sich zunächst um einen Beschäftigen des Betriebes handeln. Nach gesetzlicher Definition fallen hierunter: Arbeitnehmer, Auszubildende und arbeitnehmerähnliche Personen z.B. Heimarbeiter (§ 7 Abs. 1 PflegeZG).
- Die Freistellung muss erforderlich sein, um einen nahen Angehörigen zu pflegen oder dessen Pflege zu organisieren. Daran fehlt es, wenn ein anderer Verwandter für die Übernahme oder Organisation der Pflege zur Verfügung steht.

- Der betroffene Angehörige muss pflegebedürftig sein. Pflegebedürftig ist der Angehörige somit nur, wenn er voraussichtlich mindestens Pflegestufe I erhält (vgl. §§ 14, 15 SGB XI). Stuft der Beschäftigte die gesundheitliche Situation des Angehörigen anfänglich irrtümlich falsch ein, ist dies arbeitsrechtlich unschädlich (§ 7 Abs. 4 PflegeZG).
- Die Pflegesituation muss für den Beschäftigten akut aufgetreten sein. Das heißt, der Pflegefall darf zeitlich nicht schon länger vorhersehbar gewesen, sondern muss überraschend aufgetreten sein.
- Der Anspruch besteht nur bei der Organisation oder Vornahme der Pflege bei einem nahen Angehörigen. Das Gesetz definiert insoweit abschließend die Großeltern, Eltern und Schwiegereltern; Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft sowie Geschwister; leibliche Kinder, Adoptiv- und Pflegekinder sowie solche des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwieger- und Enkelkinder als nahe Angehörige (§ 7 Abs. 3 PflegeZG).
Der Beschäftigte muss die kurzzeitige Arbeitsverhinderung und deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen (§ 2 Abs. 2, S. 1 PflegeZG), wobei die Freistellung aber nicht der vorherigen Zustimmung des Arbeitgebers bedarf. Die Mitteilung an den Arbeitgeber hat unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen, sobald der Beschäftigte Kenntnis vom Pflegefall hat und die Freistellung für ihn erforderlich ist, um die Pflege zu organisieren oder diese selbst zu übernehmen. Dem Beschäftigten wird - unter Zugrundelegung der derzeitigen Rechtsprechung insoweit ein Zeitraum von 1-3 Tagen zu gewähren sein, bis die Erforderlichkeit für ihn feststeht. Die Mitteilung hat spätestens am ersten Tag der Freistellung vor Beginn der Arbeitsaufnahme zu erfolgen.
Diese vom Gesetz vorgesehene und gewollte kurzfristige Freistellungsmöglichkeit des Beschäftigten verringert die Reaktionszeit des Arbeitgebers erheblich. Er kann nur - gegebenenfalls nachträglich - eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit und die Erforderlichkeit der Freistellung verlangen (§ 2 Abs. 2 S. 2 PflegeZG).

Der Beschäftigte hat während der Freistellung (Pflegezeit) keinen Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber, zumindest sieht das Pflegezeitgesetz einen derartigen Anspruch nicht vor. Ein derartiger Anspruch kann sich aber aus anderen Vorschriften und Vereinbarungen ergeben (gesetzliche, individualarbeitsvertragliche, betriebliche oder tarifvertragliche Regelungen). In Betracht käme aus Sicht des Arbeitgebers insbesondere § 616 BGB, der einen Vergütungsanspruch des Beschäftigten vorsieht, wenn er aufgrund nicht verschuldeter, jedoch in seiner Person liegender Gründe für eine vorübergehende verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an der Arbeitsleistung verhindert ist. Diese Voraussetzungen müssen vom Beschäftigten jedoch nachgewiesen werden.
2. Pflegezeit (bis zu sechs Monaten)
Neben der aufgezeigten kurzzeitigen "Pflegeauszeit" haben Beschäftigte nach § 3 Abs. 1 PflegeZG bei einem familiären Pflegefall einen Anspruch auf unbezahlte vollständige oder teilweise Freistellung (Arbeitszeitverringerung) für maximal sechs Monate. Im Unterschied zum Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsbefreiung, besteht der Anspruch auf Pflegezeit nur in Unternehmen mit regelmäßig mehr als fünfzehn Beschäftigten. Abzustellen ist insoweit auf die regelmäßig ständig beschäftigten Personen (einschließlich der geringfügig Beschäftigten), dabei werden die Auszubildenden und die arbeitnehmerähnlichen Personen mitgerechnet.
Der Anspruch ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:
- Es handelt sich um einen Beschäftigten i.S.d. Pflegezeitgesetzes (s.o.).
- Ein naher Angehöriger ist pflegebedürftig (s.o.). Angesichts des abweichenden Regelungsziels des § 3 PflegeZG wird ein "voraussichtlicher" Pflegefall nicht erfasst. Des Weiteren muss der Pflegefall im Gegensatz zur kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nicht "akut" sein.
- Der Angehörige muss in häuslicher Umgebung gepflegt werden.
- Der Beschäftige muss im Gegensatz zu der kurzzeitigen Pflege die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen durch Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachweisen. Im Fall privater Versicherung ist ein entsprechender Nachweis zu erbringen (§ 3 Abs. 2 PflegeZG).
Im Gegensatz zum Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsfreistellung kommt es bei dem Anspruch auf Pflegezeit nicht auf die Erforderlichkeit an, das heißt darauf, ob ein besonderer Bedarf für die Organisation oder die Übernahme der Pflege gerade durch den Beschäftigten besteht.
Das Gesetz sieht bei der Organisation der sechsmonatigen Pflegezeit für den Arbeitgeber eine gewisse Vorlaufzeit vor. Denn der Beschäftige muss spätestens zehn Arbeitstage vor Beginn der Pflegezeit schriftlich seinen Wunsch auf Gewährung der Pflegezeit ankündigen. Diese Frist ist jedoch aufgrund der vom Arbeitgeber in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Maßnahmen (z.B. Ersatzeinstellungen, Umorganisation von Arbeitsabläufen, etc.) als recht kurz einzustufen.
Der Beschäftigte muss gleichzeitig mit der Ankündigung der Pflegezeit erklären, wie lange die Pflegezeit dauern soll und ob er voll oder nur teilweise freigestellt werden will (§ 3 Abs. 3, S. 1 PflegeZG). Auch die Inanspruchnahme der Pflegezeit bedarf nicht der Zustimmung des Arbeitgebers.
Möchte der Beschäftigte jedoch nur eine teilweise Freistellung zur Vornahme von Pflegeleistungen beanspruchen, kann er auch eine teilweise Freistellung beanspruchen. Dann muss er gleichzeitig mit der Beantragung auch den Umfang der Freistellung sowie die Verteilung der verbleibenden Arbeitszeit angeben (§ 3 Abs. 3 S. 2 PflegeZG). Zur Klarstellung sollte insoweit zwischen dem Arbeitgeber und dem Beschäftigten eine schriftliche Vereinbarung getroffen werden.
Der Arbeitgeber kann dem Wunsch des Beschäftigen auf zu Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit gegebenenfalls betriebliche Gründe (vergleichbar insoweit mit den betrieblichen Gründen nach dem TzBfG) entgegenhalten (§ 3 Abs. 4 PflegeZG), die gegebenenfalls einer gerichtlichen Klärung zuzuführen wären.

Grundsätzlich ist die Dauer der Pflegezeit flexibel. Der Beschäftigte kann die Pflegezeit innerhalb der sechs Monate verlängern oder vorzeitig beenden. Er braucht dazu aber grundsätzlich die Zustimmung des Arbeitgebers. Eine Ausnahme gilt nur, wenn für seinen Verlängerungs- oder Beendigungswunsch bestimmte wichtige Gründe, die gesetzlich normiert sind, vorliegen (§ 4 Abs. 1, Abs. 2 PflegeZG).
3. Kündigungsschutz
Das Pflegezeitgesetz enthält eine für Arbeitgeber ganz wesentliche Regelung: § 5 Abs. 1 PflegeZG gewährt dem Beschäftigten einen besonderen Kündigungsschutz, ähnlich dem bereits bekannten besonderen Kündigungsschutz während des Mutterschutzes oder während der Elternzeit. Der Kündigungsschutz beginnt bereits mit der Ankündigung des Beschäftigten, er werde die kurzzeitige Freistellung bzw. die Pflegezeit nehmen und dauert bis zum Ende der gewählten Freistellungsphase. Bei der sechsmonatigen Pflegezeit, der kein akuter Fall zugrunde liegen muss, kann sich daher dieser Kündigungsschutz deutlich über die gesetzlichen sechs Monate Pflegezeit ausdehnen.
Während dieser Phase kann nur auf Antrag des Arbeitgebers und nach Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde eine Kündigung in besonderen Fällen ausnahmsweise erklärt werden. Dies dürfte insbesondere bei betriebsbedingten Kündigungen der Fall sein (§ 5 Abs. 2 PflegeZG).
4. Befristete Verträge
Um die Organisation für den Arbeitgeber zu erleichtern enthält das Pflegezeitgesetz eine klare Regelung zur Zulässigkeit von befristeten Arbeitsverträgen für die Vertretung des pflegezeitbedingt fehlenden Beschäftigten.
Das Pflegezeitgesetz erkennt die Vertretung eines für die Dauer der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung oder der Pflegezeit freigestellten Beschäftigten als Sachgrund im Sinne des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (§ 14 Abs. 1 TzBfG) ausdrücklich an. Dabei ist die Dauer der Befristung nicht auf die Dauer der Pflegezeit beschränkt. Sie kann auch den zusätzlich erforderlichen Einarbeitungszeitraum umfassen (§ 6 Abs. 1 PflegeZG).

Der Autor ist Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.
Für Rückfragen steht Ihnen der Autor gerne zur Verfügung
Rechtsanwalt Dr. Peter Striewe
SIMON und PARTNER
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e-mail: striewe@simon-law.de Internet: www.simon-law.de
Anmerkung: Die vorgenannten Anmerkungen sollen einen ersten Überblick über das neue Gesetz geben. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit, sie ersetzen nicht eine rechtliche Beratung des Einzelfalls. Ferner bleiben Entwicklungen und Korrekturen durch die Rechtsprechung zu einzelnen Punkten abzuwarten.
 
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