Abwicklungsvertrag nach Kündigung: Vorsicht!
Kündigung, Vertrag, Abwicklung, Aufhebungsvertrag, Abfindung
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Demuth,
heute habe ich von meinem Chef meine Kündigung erhalten. Ich hatte natürlich schon mitbekommen, dass es bei ihm in letzter Zeit nicht mehr so gut lief. Um ihm keine zusätzlichen Scherereien zu bereiten und weil es zwischen uns eigentlich immer ganz gut gepasst hat, will ich ihm noch einen letztes Mal zu Diensten sein und überlege daher, ob ich einen von ihm formulierten Abwicklungsvertrag unterschreiben soll. Eine Trennung war ja eh unvermeidlich, also kann man ja auch im Guten auseinandergehen, oder? Aber jetzt kommt das Schlimme: Als ich mich beim Arbeitsamt gemeldet habe, haben die mir gesagt, dass ich dann eine Sperrfrist und damit erst einmal kein Geld bekomme. Jetzt stehe ich ohne Job da und auch erst einmal ohne Unterstützung von Vater Staat. Kann das denn angehen?
Vielen Dank
Mandy S., Potsdam
Sehr geehrte Frau S.,
Ja, das kann angehen. Muss es aber nicht, nämlich dann nicht, wenn Sie den Abwicklungsvertrag erst gar nicht unterschreiben. Wenn der Arbeitnehmer das Beschäftigungsverhältnis löst und dadurch vorsätzlich oder grobfahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeiführt, tritt eine Sperrzeit von in der Regel 12 Wochen ein (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB III). Die beiden Hauptanwendungsfälle dieser Vorschrift sind die Kündigung durch den Arbeitnehmer ("Eigenkündigung") und der Aufhebungsvertrag und zunehmend auch der Abwicklungsvertrag. Während der Sperrzeit erhält der Arbeitnehmer kein Arbeitslosengeld. Eine Ausnahme macht das Gesetz nur für die Fälle, in denen der Arbeitnehmer einen "wichtigen Grund" für sein Verhalten hatte.
Vom Gesetz nicht klar entschieden ist die Frage, ob der Arbeitnehmer auch dann sein Beschäftigungsverhältnis "löst" und daher mit einer Sperrzeit rechnen muß, wenn er nach einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung einen "Abwicklungsvertrag" vereinbart, d.h. eine Vereinbarung, mit der die Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung als rechtmäßig hingenommen wird. Anders als bei einem "Aufhebungsvertrag" beruht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Falle eines Abwicklungsvertrags primär auf dem Handeln des Arbeitgebers, d.h. auf seiner Kündigung, und nicht so sehr auf dem Handeln des Arbeitnehmers, der diese Kündigung im Abwicklungsvertrag ja nur als rechtmäßig "hinnimmt". Die unentschiedene Frage ist, ob ein solches Verhalten genügt, um von einem "Lösen" des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitnehmer zu sprechen.
Die Sperrzeit tritt nur dann nicht ein, wenn sich der Arbeitnehmer auf einen "wichtigen Grund" berufen kann, was wiederum voraussetzt, daß die mit dem Abwicklungsvertrag geregelte Arbeitgeberkündigung wirksam war. Da allerdings die meisten Kündigungen, die man mit Abwicklungsverträgen regelt, Kündigungen aus betriebsbedingten Gründen sind, und da die Frage der Wirksamkeit von betriebsbedingten Kündigungen praktisch nie eindeutig zu beantworten ist, raten wir Folgendes:
Auch wenn der Arbeitnehmer an einer gütlichen Einigung über eine Arbeitgeber-Kündigung interessiert ist, sollte er zur Vermeidung einer Sperrzeit keine Abwicklungsvereinbarung unterschreiben, sondern binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erheben und sodann innerhalb der Verhandlung auf den Abschluss eines Abfindungsvergleichs hinwirken. Wollen Sie dies nicht, sollte der Arbeitgeber einen finanziellen Ausgleich für die Sperrzeit bewilligen.
In der Regel findet etwa 4 bis 6 Wochen nach Einreichung der Klage eine Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht statt, in der man sich vergleichen kann, d.h. man kann in der Güteverhandlung einen Prozeßvergleich abschließen, der mit einem Abwicklungsvertrag im wesentlichen identisch ist (er hat darüber hinaus noch die prozessuale Bedeutung, daß er den Kündigungsschutzprozeß beendet). Ein solcher vor dem Arbeitsgericht abgeschlossener Vergleich wird sowohl von den Agenturen für Arbeit als auch vom Bundessozialgericht bislang nicht als "Lösung" des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitnehmer angesehen. Daher wird in einem solchen Fall auch keine Sperrzeit verhängt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr RA Demuth 0331.6207811; 0177.3375560
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