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Krankentagegeldversicherung und Arbeitsunfähigkeit: Versicherung darf nicht auf Vergleichsberuf verweisen!

Der Versicherer ist nicht berechtigt den Versicherungsnehmer auf Vergleichsberufe oder sonstige, auf dem Arbeitsmarkt existierende Erwerbstätigkeiten zu verweisen und muss somit die Arbeitsunfähigkeit nach der bisherigen Art der Berufsausübung bemessen, auch wenn der Versicherte noch andere Tätigkeiten ausüben kann.

Die Versicherungsnehmerin, die als selbständige Werbekauffrau einen Beschaffungsservice für Werbemittel betreibt, hielt bei der beklagten Versicherung eine Krankentagegeldversicherung (MB/KT 94). Sie verlangt von der Beklagten Krankentagegeld nachdem sie bei einem Treppensturz ein Schulterengpasssyndrom erlitt.

Nach diesem Sturz konnte sie die bis zu 25 kg schweren Musterkoffer nicht mehr tragen. Die Beklagte zahlte nach Vorlage ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen das vereinbarte Krankentagegeld, stellte dann ihre Zahlungen aber ein.
Die Klage der Versicherungsnehmerin wurde zunächst abgewiesen. Auch mit ihrer Berufung hatte sie keinen Erfolg. Daher verfolgte sie ihr Ziel mit der Revision vor dem BGH weiter. Die Revision der Klägerin hatte überwiegend Erfolg und führte zur weitgehenden Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das Berufungsgericht hat der Klägerin einen Anspruch auf Krankentagegeld zu Unrecht mit der Begründung versagt, sie hätte die Trage- und Hebelast durch Umgestaltung ihrer Musterkoffer verringern und das Anheben von Lasten in der Armvorhaltebewegung durch Anschaffung eines anderen Fahrzeugs ohne Ladekante vermeiden können. Damit hat das Berufungsgericht von der Klägerin eine dem Wesen der Krankentagegeldversicherung fremde Umorganisation der Arbeitsabläufe verlangt. In der Krankentagegeldversicherung setzt der Eintritt eines Versicherungsfalles neben der medizinisch notwendigen Heilbehandlung eine in deren Verlauf ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit voraus (§ 1 (2) Satz 1 MB/KT 94). Arbeitsunfähigkeit liegt gemäß § 1 (3) MB/KT 94 vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgeht. Daher ist an die konkrete berufliche Tätigkeit der versicherten Person und nicht allgemein an ihre beruflichen Möglichkeiten anzuknüpfen. Dementsprechend bemisst sich die Arbeitsunfähigkeit nach der bisherigen Art der Berufsausübung, selbst wenn der Versicherte noch andere Tätigkeiten ausüben kann.

Der Versicherer ist nicht berechtigt, den Versicherungsnehmer auf so genannte Vergleichsberufe oder gar sonstige, auf dem Arbeitsmarkt angebotene Erwerbstätigkeiten zu verweisen.

BGH, IV ZR 274/06

Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass das oben geschilderte Urteil nicht verallgemeinerungsfähig ist. Vielmehr bedarf es einer genauen Prüfung des Einzelfalls, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Der Autor Sven Skana ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten im Betäubungsmittelrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Roscher, Johlige & Partner in Berlin-Charlottenburg, Kurfürstendamm 28, 10 719 Berlin, Tel: 030/886 81 505.

 
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